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Schweizer Eindrücke aus der US-Wahlnacht in New York

Die Amerika-Schweizer hofften mehrheitlich auf einen Sieg von Barack Obama. swissinfo.ch

Die Präsidentenwahlen in den USA neigen sich dem Ende zu, die Spannung wächst: Eine Gruppe von rund 80 Auslandschweizern und Amerika-Schweizern wartet vor einer Grossbildleinwand in New York gespannt auf die ersten Hochrechnungen und Resultate.

«Wird es Obama schaffen?», ist die meistgehörte Frage. Die Gruppe scheint – wie auch die Bevölkerung in der Schweiz – mehrheitlich auf einen Sieg des Demokraten Barack Obama zu hoffen, vereinzelt hört man Stimmen, die auf John McCain setzen, wenn die meisten auch einräumen, dass es «sehr schwierig werde».

Eingeladen zu dem gemeinsamen Wahlabend haben die Schweizerisch-Amerikanische Handelskammer (Swiss-American Chamber of Commerce, SACC) und die Swiss Society New York. Die Veranstaltung findet in der UBS-Lobby an der Park Avenue statt.

Historischer Moment

Hans F. Kaeser, der Vizevorsitzende des SACC-Vorstands in New York, kam auf den historischen Moment dieser Wahlen zu sprechen. «Amerika und damit die Welt stehen vor riesigen Herausforderungen, der heutige Tag ist von grosser Tragweite.»

Eines ist klar, auch jetzt, wenige Stunden, bevor die letzten Wahlokale schliessen, will noch kaum jemand den Umfragen vertrauen, die eigentlichen einen klaren Sieg für Obama erwarten lassen.

«Ich halte das Warten fast nicht mehr aus», erklärt eine Frau, die gespannt auf die Leinwand schaut, wo jeden Moment die ersten Hochrechnungen der TV-Sender erwartet werden. Noch flickern Aktienkurse über die Leinwand, die Uhrzeiger bewegen sich gegen sieben Uhr zu.

Bradley-Effekt oder nicht?

«Die grosse Frage ist, ob die Hautfarbe Obamas schliesslich doch noch eine Rolle spielen wird oder nicht» – so lassen sich viele der Kommentare zusammenfassen.

Damit ist das hier als «Bradley-Effekt» bezeichnete Phänomen gemeint, dass Leute bei Umfragen nicht offen zugeben, dass sie nicht für einen Schwarzen stimmen würden.

Erste Hochrechnungen und Prognosen sind da, alle Köpfe drehen sich in Richtung Leinwand, zunächst gibt es keine Überraschungen. Kurz nach 20.00 Uhr New Yorker Zeit hatte Obama nach Angaben der Fernseh-Stationen wie erwartet in mehreren Staaten der Ostküste gewonnen und sich zunächst 78 Wahlmännerstimmen gesichert.

Der Republikaner John McCain gewann vor allem im Südosten und erhielt die ersten 34 Wahlmännerstimmen.

Erste Florida-Zahlen sorgen für Unruhe

Doch plötzlich geht ein Raunen durch die Gruppe, bedrückte Gesichter, als erste, auf wenigen Stimmenprozenten beruhende Prognosen aus wichtigen Staaten wie Florida, Virginia, Indiana bekannt gegeben wurden. McCain liegt in Führung. Die Nervosität steigt wieder.

Beat Reinhart, der Präsident der Swiss Society, hatte sich mit seiner Stimme schwer getan. «Es war ein wirklich schwieriger Prozess, mein Entscheid stand erst kurz vor der Stimmabgabe fest.» Für wen er sich entschieden hat, bleibt sein Geheimnis.

Sieg für die Demokratie

Aber er sei sich einer Sache sicher, wer auch gewinne, das Land werde wieder zusammenkommen und vorwärtsschreiten. «Amerika hat diese Stärke.»

Auch andere Gäste an diesem Abend weisen auf die besonderen Stärken der USA hin, «das Land der unbegrenzten Möglichkeiten». Wenn wirklich ein Schwarzer der nächste Präsident der USA werde, sei das nicht nur eine monumentale Nacht für die Afro-Amerikaner, sondern ein Moment von historischer Tragweite für die Demokratie und deren Auswirkung auf die ganze Welt.

Leider muss sich die Schweizer Runde auflösen, bevor klar wird, dass der neue Präsident der USA Barack Obama heisst. Die letzten Gäste sind noch da, als nochmals Bewegung in die Gruppe kommt.

«Jetzt ist es gelaufen»

Der Fernsehsender CNN hat soeben erklärt, Obama habe die Wahl in Pennsylvanien gewonnen. Ein äusserst wichtiger Staat, der, wäre er an McCain gegangen, diesen noch zum Ziel hätte führen können.

«Jetzt ist es gelaufen, jetzt kann ich nach Hause gehen», erklärt Hans F. Kaeser. Enttäuscht? «Nein, ich denke, es ist wohl letztlich besser für Amerika, wenn der neue Präsident Obama heisst.»

Er könne kaum glauben, dass er so etwas sage, denn eigentlich sei er ein Konservativer, lacht Kaeser. McCain habe ihn aber im Verlauf des Wahlkampfes immer mehr enttäuscht.

Auch wenn seine Einbürgerung rechtzeitig auf die Wahlen über die Bühne gegangen wäre, hätte er wohl nicht für McCain gestimmt, sagt Kaeser weiter.

swissinfo, Rita Emch, New York

Die Zahl der US-Schweizer wird auf rund 1,2 Mio. geschätzt.

Die grösste Dichte von Amerikanern mit Schweizer Wurzeln findet sich in Kalifornien, New York, Ohio, Wisconsin und Pennsylvania.

73’978 Schweizer Staatsangehörige waren Ende 2007 in den USA registriert, darunter 52’415 Doppelbürgerinnen und Doppelbürger.

Im Konsularbezirk New York waren Ende 2007 insgesamt 19’422 Schweizer Staatsangehörige registriert, 14’217 davon Doppelbürger und Doppelbürgerinnen.

Rund 6 Mio. Amerikaner leben ihrerseits im Ausland, davon 16’411 in der Schweiz (rund ein Viertel in Genf).

Die Amerikaner in der Schweiz sind mehrheitlich Anhänger der Demokraten.

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