Schweizer Friedensengagement in Sri Lanka
Sri Lanka ist seit über 20 Jahren geprägt von einem ethnischen Konflikt zwischen Singhalesen und Tamilen. Die Schweiz engagiert sich für Frieden in dem Land.
Zwar hat Bern im Friedensprozess keine offizielle Rolle, doch hinter den Kulissen wird an der Friedens-Förderung mitgewirkt. Schlüsselfigur ist der ehemalige Journalist Martin Stürzinger.
«Advisor for Peacebuilding» steht auf der Visitenkarte von Martin Stürzinger. Er wohnt und arbeitet in Colombo und damit im wirtschaftlichen und politischen Zentrum von Sri Lanka.
Nicht mehr los gelassen
Seit Stürzinger im Jahr 1983 erstmals als Tourist die Insel bereiste, lässt sie ihn nicht mehr los. Nebst etlichen Artikeln hat er auch ein Buch über Sri Lanka geschrieben («Tee, Tempel, Turmaline, Land der lauten und der leisen Töne»). Zudem war er Länderexperte für Sri Lanka bei der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH).
Seit Juni 2003 ist Stürzinger offiziell «Berater für zivile Friedensförderung» an der Schweizer Botschaft in Colombo. Das Aussenministerium, das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA), setzt diese Art von Spezialisten in ganz wenigen Konfliktregionen der Erde ein, darunter im Nahen Osten, in Mazedonien und Guatemala.
Konflikte im Vielvölkerstaat
Stürzinger engagiert sich in einem Staat, dessen komplexe Bevölkerungsstruktur für den Konflikt mitverantwortlich ist. 74% der rund 19 Millionen Einwohner sind buddhistische Singhalesen, die vor allem im Südwesten der Insel leben. Daneben gibt es 18,6% Tamilen, hauptsächlich Hindus, die im Norden und Osten leben. Muslime machen weitere 7% der Bevölkerung aus.
Als die Insel 1948 die Unabhängigkeit erlangte, gelang es der damaligen Regierung nicht, das fragile Gebilde des Vielvölkerstaats im Gleichgewicht zu halten. Die Beziehungen zu den Sri Lanka-Tamilen verschlechterten sich dauerhaft, als 1956 Singhalesisch als einzige offizielle Sprache in der Verfassung verankert wurde.
1972 gründete der damals 18-jährige Velupillai Prabhakaran die Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE). Die Befreiungstiger forderten die Errichtung eines unabhängigen tamilischen Staates im Norden und Osten des Landes.
Tamilen-Diaspora in der Schweiz
1983 brach der Bürgerkrieg aus, nachdem ein Anschlag der LTTE zu einem Pogrom an der tamilischen Bevölkerung im Süden geführt hatte.
Seither sind der Gewalt etwa 65’000 Menschen zum Opfer gefallen, rund 1,5 Millionen wurden vertrieben oder flüchteten. Sowohl die Regierungsarmee wie die LTTE haben schwere Menschenrechtsverletzungen begangen.
Die Folgen des Konflikts werden auch in der Schweiz deutlich. Rund 35’000 Tamilen flüchteten hierher. «Dies erklärt auch, warum die Schweiz ein Interesse an der Konfliktlösung hat», sagt Stürzinger gegenüber swissinfo.
Ein Interesse hat die Schweiz, aber keine offizielle Rolle. Denn diese kommt Norwegen zu. Das 2002 in Kraft getretene Waffenstillstands-Abkommen zwischen der Regierung und der LTTE kam mit norwegischer Hilfe als «facilitator» (Mediator) zu Stande.
Wirken im Hintergrund
Die Schweiz wirkt im Hintergrund. So finanziert sie die Arbeit des Berghof-Zentrums für Konfliktforschung. Dieses berät srilankische Entscheidungsträger, wie sie Konflikte friedlich lösen können.
Tätig ist die Schweiz auch in Bezug auf die Menschenrechte. Die Projekte reichen von der Einhaltung der Anti-Folter-Konvention bis zum Unterhalt einer Bibliothek für Menschenrechte in Zusammenarbeit mit einer lokalen Nichtregierungs-Organisation (NGO). Insgesamt 1,45 Millionen Franken lässt sich der Bund sein politisches Engagement in Sri Lanka im Jahr kosten.
Besonderes Gewicht legt Stürzinger auf den Föderalismus und den Minderheitenschutz, sozusagen eine Kernkompetenz der Schweiz. Regelmässig reisen Politiker aus Sri Lanka in die Schweiz, um sich vor Ort über föderalistische Strukturen zu informieren. Oder Fachleute aus der Schweiz informieren in Sri Lanka zum Föderalismus.
«Wenn es eine politische Lösung für dieses Land gibt, dann liegt sie im Föderalismus», sagt Stürzinger.
Nicht zu pessimistisch
Und die aktuelle Situation? Nach dem Tsunami vom 26.Dezember 2004 keimte Hoffnung auf, die Naturkatastrophe könnte helfen, Gräben zu überwinden, und die verfeindeten Bevölkerungsgruppen zusammen zu schweissen. Inzwischen hat Ernüchterung dieser Hoffnung Platz gemacht. Sogar von einer Wiederaufnahme der Kämpfe und einem Ende des Waffenstillstands ist die Rede.
Auch die Wahl im November von Mahinda Rajapakse zum neuen Präsidenten Sri Lankas und die Rede von Prabhakaran zum «Helden-Tag» der Tigers (27.November) nährte Ängste auf ein Aufflammen des Bürgerkriegs. Stürzinger ist nicht so pessimistisch: «Der Waffenstillstand hat bisher gehalten. Nun muss alles daran gesetzt werden, dass die Regierung und die LTTE das Abkommen strikte einhalten und möglichst bald wieder Gespräche aufnehmen.»
swissinfo, Gerhard Lob, Colombo (Sri Lanka)
1948: Ceylon erreicht Unabhängigkeit.
1972: Ceylon wird Republik und gibt sich den Namen Sri Lanka.
1983: Eskalation der Spannungen zwischen Singhalesen und Tamilen führt zu Bürgerkrieg. Die radikalen Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) fordern einen unabhängigen Tamilien-Staat im Norden und Osten der Insel.
2002: Waffenstillstand und (inzwischen abgebrochene) Friedensverhandlungen zwischen der srilankischen Regierung und den tamilischen Rebellen.
2005 (November): Mahinda Rajapaksa wird zum neuen Präsidenten gewählt. Die Tamilien boykottieren die Wahl oder werden an der Teilnahme gehindert.
Zur Überwindung des schweren ethnischen Konflikts zwischen Singhalesen und Tamilen auf Sri Lanka ist auch die Schweiz aktiv.
Als «Berater für zivile Friedensförderung» an der Schweizer Botschaft in Colombo wirkt der ehemalige Journalist und Sri-Lanka-Experte Martin Stürzinger.
Die Schweiz legt einen Schwerpunkt auf Informationen zu Föderalismus und Minderheitenschutz. Berns Beitrag zur Friedensfördernug in Sri Lanka beträgt 1,45 Millionen Franken im Jahr.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch