Schweizer Matchball für WM-Qualifikation
Vier Punkte aus den letzten beiden Partien: Dies die erfreulich realistische Vorgabe für die Fussball-Nationalmannschaft, um das Ticket für die WM 2010 in Südafrika als Gruppensieger direkt zu lösen.
Sie liegen auf dem Silbertablett bereit, die Fahrkarten oder vielmehr die Flugtickets für die Fussball-Weltmeisterschaft von nächstem Sommer am Kap Horn.
Siegen die Spieler von Nationaltrainer Ottmar Hitzfeld am Samstag in Luxemburg und spielen Griechenland und Lettland unentschieden, ist die Schweiz für die Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika qualifiziert.
Die Direktqualifikation via Gruppensieg ist nicht nur die sportlich eleganteste Variante, sie würde auch die Nerven von Spielern, Trainer und Publikum am meisten schonen.
Gibt es bei Griechenland und Lettland einen Sieger, sieht es für Goalie Diego Benaglio und seine Vorderleute aber immer noch gut aus. Doch bei Matchball Nummer 2 lastet der ganze Druck auf der letzten Partie. Mindestens ein Remis beim Heimauftritt von nächstem Mittwoch gegen Israel wäre dann Pflicht.
Die 38’000 Plätze im Basler St. Jakobspark sind bereits seit längerer Zeit ausverkauft. Die Fans werden mit dem festen Vorsatz anreisen, das Hitzfeld-Team für eine gelungene WM-Quali gebührend zu feiern.
Barrage vermeiden!
Aber auch wenn in den abschliessenden zwei Runden das grosse Nervenflattern einsetzen sollte und die Schweiz die Qualifikation auf Platz zwei beendet, verbleibt ein dritter Matchball: Die Barrage gegen einen anderen Gruppenzweiten.
Dass diese K.O.-Ausmarchung in Hin- und Rückspiel durchaus ihre eigene Dynamik entwickeln kann, dürften die Schweizer noch nicht ganz aus der Erinnerung gelöscht haben: Vor drei Jahren hatte das Rückspiel gegen die Türkei in Istanbul zwar mit der Qualifikation der Schweiz für die WM-Endrunde 2006 in Deutschland geendet.
Doch die von den Türken provozierte Eskalation nach dem Schlusspfiff auf dem Rasen und in den Katakomben des Stadions, führten zu Sperren mehrerer Akteure hüben und drüben, die auch die Schweiz empfindlich trafen.
Eindrückliche Wende
Die letzten Vorstellungen der Schweiz in der Quali-Kampagne sind aber dazu angetan, mit berechtigtem Optimismus auf Matchball Nummer eins zu setzen. Wie sich die Spieler Hitzfelds nach der Jahrhundertpleite zuhause gegen Fussballzwerg Luxemburg am Riemen rissen, zeugt nicht nur von Charakter und Willen, sondern auch von Klasse.
Der 2:1-Heimssieg gegen Lettland leitete die Wende ein; mit dem formidablen 2:1 gegen Ex-Europameister Griechenland in Piräus vor einem Jahr taten die Schweizer den Gegnern und den Scharen von Besserwissern mit Nachdruck kund, dass sie sich innert Kürze von der Lachnummer zum heissen WM-Anwärter gewandelt hatten.
Den beiden Pflichtsiegen gegen Moldawien folgte Anfang September das eindrückliche, wenn auch etwas glückliche 2:0 gegen die Griechen in Basel. Das Gate für den Abflug ans Kap stand weit offen.
Lettland-Punkt könnte Gold wert sein
Das 2:2-Remis auswärts gegen Lettland bot zwar nicht mehr als die erwartet mühsame Fussball-Kost. Doch mit dem einen Punkt, den sie mitnahmen, konnten sich die Schweizer gar an der Tabellenspitze behaupten.
Doch der Schwung im Schweizer Team vor der Entscheidung wird etwas gebremst: Nati-Coach Hitzfeld kann zwar im Mittfelfeld und vor allem im Angriff aus dem vollen schöpfen, in der Abwehr hingegen sind es gleich mehrere Personalien, die ihm Sorge bereiten. «Hinten haben wir tatsächlich eine heikle Lage», räumte Hitzfeld im Vorfeld der Luxemburg-Partie ein.
Problemzone Innenverteidigung
Erst einmal gilt es, in der nicht immer sattelfesten Innenverteidigung den gesperrten Stéphane Grichting zu ersetzen. Der Walliser hat sich mit seiner Robustheit und Zuverlässigkeit einen Stammplatz erkämpft. Seit seinem Kopfball zum 1:0 gegen Griechenland gehört er gaz zum Kreis der Nati-Torschützen. Die Alternative Johan Djourou ist immer noch verletzt.
Möglicher Ersatz, wenn auch mit sehr geringen Chancen auf einen Einsatz, ist Nati-Newcomer Heinz Barmettler. Ein überraschendes Comeback feiert dagegen Philippe Senderos. Obwohl der Genfer bei Arsenal seit längerem nicht einmal mehr Ersatz ist. Zum Zug kommt auch Steve von Bergen. Obwohl er sich mit Hertha Berlin in einer tiefen Krise befindet. Die beiden Aussenläufer Stephan Lichtsteiner und Christoph Spycher dagegen sind voll auf Posten.
Die Aktivposten
Geradezu luxuriös bestückt ist das Mittelfeld: Aus dem Quintett Gökhan Inler, Johan Vonlanthen, Benjamin Huggel, Tranquillo Barnetta fällt keiner gross ab. Aufsteiger Marco Padalino und Hakan Yakin können als und Edeljoker glänzen.
Fast nur Freude hatte Hitzfeld zuletzt auch am Sturm: Alex Frei und Blaise Nkufo sind zu einem Erfolgsduo gewachsen, dass bei Hitzfelds Trainer-Kollegen Neid aufkommt.
Auch vorn hat Hitzfeld eine Hammer-Alternative: Eren Derdiyok, der Leverkusen quasi im Sturmlauf erobert hat, könnte in Südafrika zu dem Mann im Schweizer Team avancieren, der den Unterschied im gegnerischen Strafraum ausmacht.
Aber noch sind weder Team noch der potenzielle Stürmerstar nicht soweit.
Renat Künzi, swissinfo.ch
10.10.2009: Luxemburg – Schweiz
14.10.2009: Schweiz – Israel
Achte Runde der WM-Qualifikation:
Lettland – Schweiz 2:2
Israel – Luxemburg 7:0
Moldawien – Griechenland 1:1
Rangliste (je 8 Spiele):
1. Schweiz 17 Punkte; 15:8 Torverhältnis
2. Griechenland 14; 13:7
3. Lettland 14; 13:8
4. Israel 12; 17:9
5. Luxemburg 5; 3:20
6. Moldawien 3; 3:12
Schafft die Schweizer Fussball-Nationalmannschaft die Qualifikation für Südafrika 2010, wäre dies die vierte Teilnahme an einem Grossanlass (WM und Europameisterschaft) in Folge.
Eine solche Serie würde für eine kleine Fussball-Nation wie die Schweiz einen grossen Erfolg darstellen.
Zuletzt war die Schweiz an der Euro 2004 in Portugal, an der WM 2006 in Deutschland und an der Euro 2008 im eigenen Land und Österreich dabei.
Die letzte Hochphase hatte der Schweizer Fussball Mitte 1990er-Jahre erlebt. Das damalige Team von Coach Roy Hodgeson qualifizierte sich für die WM 1994 in den USA sowie für die Euro 1996 in England.
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