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Schweizer Ost-Hilfe bedroht

In Kirgisistan wird mit Schweizer Hilfe Weizen geerntet. Keystone Archive

Die Hilfsprogramme der Schweiz in den Ländern des ehemaligen Ost-Blocks sind finanziell bedroht. Das Geld soll zu neuen EU-Mitgliedern fliessen, als Schweizer Beitrag zum Kohäsionsfonds.

Experten jedoch geben der Schweizer Ost-Zusammenarbeit gute Noten.

Seit dem Fall der Berliner Mauer im Jahre 1989 unterstützt die Schweiz die ehemaligen sozialistischen Länder im Osten Europas. Nach einer Phase der Soforthilfe wandelte sich das Engagement über die Jahre in eine konstante Zusammenarbeit. Diese ist heute ein fester Bestandteil der Schweizer Aussenpolitik.

Federführend sind die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) und das Staatsekretariat für Wirtschaft (Seco). Die DEZA legt ihre Schwerpunkte auf den Aufbau politischer Institutionen, die Bereiche Umwelt und Gesundheit. Das Seco investiert vor allem in Infrastruktur-Projekte und hilft beim Umbruch von der Planwirtschaft in den freien Markt.

Die Ost-Zusammenarbeit kostete den Bund seit 1989 über 3 Mrd. Franken, damit wurden rund 800 Projekte finanziert. Diese reichen von Bosnien in Südosteuropa über Georgien und Aserbaidschan im Kaukausus hin zu Usbekistan, Tadschikistan und Kirgisistan in Zentralasien.

Expertenbericht vergibt gute Noten

Diese Ausgaben und die Arbeit dahinter haben DEZA und Seco nun von unabhängigen Experten der ETH Zürich und von drei Beratungsbüros durchleuchten lassen. Sie kommen zu einem guten Schluss. So wird beispielsweise herausgestrichen, dass lediglich eines von zehn Projekten scheitert.

Allerdings sei die Arbeit der Schweiz noch nicht getan: Der Umbau der politischen und wirtschaftlichen Systeme in den Ländern Osteuropas und der Gemeinschaft unabhängiger Staaten werde wesentlich längere Zeit in Anspruch nehmen, als ursprünglich angenommen. Die Osthilfe der Schweiz, vor allem in den sogenannten Transitions-Ländern Südosteuropas und Zentralasiens, sei deshalb weiterzuführen, bilanzieren die Experten.

Keine Einbahnstrasse

Das Engagement der Schweiz bringt aber nicht nur den Ländern im Osten etwas. “Die Ausgaben führen auch zu mehr Stabilität, das ist auch im Interesse der Schweiz”, sagt Thomas Jenatsch, Sprecher der DEZA.

Sogar wirtschaftlich rechnet sich die Zusammenarbeit: “Für jeden investierten Franken fliessen 1,5 Franken zurück in die Schweizer Wirtschaft”, sagt Christian Hofer, Sprecher des Seco. Beispielsweise gehe die Hälfte der Infrastruktur-Projekte an Schweizer Unternehmen. “Firmen haben dank unserer Arbeit auch Zugang zu diesen Märkten erhalten.”

EU-Hilfe bedroht Schweizer Arbeit im Osten

Trotz des positiven Zwischenberichts und der Erfolge, könnte die Ost-Zusammenarbeit der Schweiz bedroht sein. Grund sind die Finanzen.

Das Parlament muss sich gegenwärtig mit der Erneuerung der Ost-Zusammenarbeit befassen. In einem Rahmenkredit soll es über die nächsten vier Jahre 1,2 Mrd. Franken bewilligen. Anfang April hat der Bundesrat aber beantragt, diesen Betrag um einen Drittel auf 800 Mio. Franken zu kürzen.

Denn die Schweiz hat – um der zweiten Runde der Bilateralen Verhandlungen zum Durchbruch zu verhelfen – 1 Mrd. für fünf Jahre für die ärmsten Länder der EU zugesagt. Damit beteiligt sie sich indirekt am sogenannten Kohäsionsfonds der EU zur Unterstützung der Neumitglieder. Dieses Geld will die Regierung kostenneutral beschaffen.

Politische Rechte wird Europa-Frage stellen

“Die Ost-Zusammenarbeit ist bewährt. Aber offenbar will der Bundesrat dieses Geld dort abzwacken”, sagt Erwin Jutzet, Präsident der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats. Der Sozialdemokrat hofft: “Vielleicht kann man das Geld doch noch locker machen.”

Eines ist klar: Die Debatte ist eröffnet, ob Schweizer Geld weiter in die Ost-Zusammenarbeit oder in die zehn neuen EU-Mitgliedsländer fliessen soll.

Die Arbeitsgemeinschaft der Hilfswerke hatte bereits gewarnt, die Kompensation für den Kohäsionsfonds würde wohl auf Kosten der ärmsten Länder im Osten und im Süden gehen.

“Es wird einen politischen Kampf geben, dessen Ausgang offen ist”, sagt Jutzet. “Die Europa-feindliche Rechte wird die Europa-Frage neu stellen und fragen, warum die Schweiz für das ungewollte Schengen und Dublin noch Geld bezahlen muss.”

swissinfo und Agenturen

Über 3 Mrd. Franken in den letzten 14 Jahren gingen als Schweizer Hilfe in die Länder des ehemaligen Sowjet-Blocks.

1 Mrd. Franken soll über fünf Jahre in die neuen EU-Länder fliessen, als indirekten Beitrag in den Köhäsionsfonds der EU.

Jeder in Hilfsprojekte investierte Franken lässt 1,5 Franken in die Schweizer Wirtschaft zurück fliesssen.

Um den Bilateralen II zum Durchbruch zu verhelfen, verpflichtete sich die Schweiz, 1 Mrd. Franken in die Hilfe für die neuen EU-Mitglieder zu investieren. Dies als Schweizer Beitrag zum Kohäsionsfonds der EU.

Dieses Geld will der Bundesrat kostenneutral beschaffen und deshalb die Osthilfe kürzen.

Dies dürfte zu einer politischen Debatte führen. Die Europa-feindliche Rechte wird die Frage aufwerfen, warum die Schweiz für Europas Entwicklung zahlen muss.

Die Unterstützung des Ex-Sowjetblocks läuft seit dem Fall der Berliner Mauer. Unabhängige Experten haben in einem Bericht der Schweizer Arbeit gute Noten gegeben.

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