Schweizer Sport braucht nicht nur Geld allein
Für einen wettbewerbsfähigeren Sport braucht es Reformen. Dies erklärt der scheidende Swiss-Olympic-Präsident Walter Kägi gegenüber swissinfo.
Laut Kägi braucht es mehr staatliche Gelder und ein zentrales beschlussfähiges Organ, das dem Sport im Land vorsteht.
Die Swiss Olympic Association (SO) wird neu von Jörg Schild präsidiert. Der vom baselstädtischen Regierungsrat wurde am Freitag als Nachfolger des zurücktretenden Walter Kägi gewählt. Der 59-jährige Schild wurde dem ehemalige Direktor des Bundesamtes für Kommunikation, dem 54-jährigen Marc Furrer, vorgezogen.
Der abtretende Präsident Walter Kägi ist der Ansicht, bei der Durchführung von wichtigen Sportereignissen könnte die Schweiz das Interesse an unterschiedlichsten Sportarten erhöhen und damit ihr Ansehen stärken.
Swiss Olympic hat kürzlich gewarnt, der Sport habe in der Schweiz eine ungewisse Zukunft. Das Land sei nicht fähig, mit seinen Möglichkeiten auf ein internationales Niveau zu gelangen. Und diese Situation würde wegen fehlender Finanzen auch nicht besser.
Mit seinen eigenen, mehr oder weniger eingefrorenen Finanzen ist auch Swiss Olympic gezwungen, die Finanzierung von Sportarten zu kürzen, die nicht die gewünschten Resultate erbracht haben.
Norwegen, Österreich und die Niederlande gehörten zu den Ländern, die gemäss Swiss Olympic ihre Sportfinanzierung optimiert haben und nun dafür belohnt würden.
swissinfo: Ist der Sport in der Schweiz in einem besseren Zustand als damals, als sie Präsident wurden?
Walter Kägi: Ich glaube, in den fünf Jahren meiner Präsidentschaft hat sich die Lage verbessert. Wir haben grosse Schritte vorwärts gemacht, gerade bei der Unterstützung von jungen Athleten. Wir sind auch mit den meisten Sportverbänden überein gekommen, die selben Doping-Vorschriften zu befolgen. Ausserdem haben wir ethische Richtlinien eingeführt.
Wir konnten aber die Menschen nicht davon überzeugen, dass die Schweiz olympische Winterspiele durchführen sollte. Bern war Kandidatin für 2014, das Stimmvolk hat das jedoch abgelehnt. Ich hoffe immer noch, dass die Schweiz eine Kandidatur für 2018 unterbreiten wird.
Wir haben auch Probleme bei gewissen Sportarten wie Ski alpin, wo die Resultate nicht so ausfielen, wie wir sie gerne gesehen hätten.
swissinfo: Die österreichische Skimannschaft, die Erbfeindin der Schweiz, ist sehr erfolgreich. Sie wird dabei auch durch das österreichische Schulsystem unterstützt. Müsste die Schweiz in eine ähnliche Richtung gehen?
W.K: Die Österreicher waren mit ihren Sport-Mittelschulen sehr erfolgreich. Wir haben auch mit dem Aufbau gewisser Zentren begonnen, die Swiss Olympic Sport-Schulen und die Swiss Olympic Partner-Schulen, wo sich die Absolventen mehr oder weniger auf ihren Sport konzentrieren können.
Weiter wollen wir in Brig eine Ski-Akademie eröffnen. Und wir möchten mithelfen, Berufsausbildung mit professionellem Training zu verbinden.
swissinfo: Ist es riskant, in der Schweiz auf eine Karriere als Profisportler zu setzen?
W.K.: Es ist eine gefährliche Idee, von Jugendlichen zu fordern, alles andere zu vergessen. Wir müssen sie auch auf das Leben nach dem Sport vorbereiten.
Es gibt zu viele Athleten, die nach ihrer Sportlerkarriere keine Berufs-Möglichkeiten haben. Man muss sehen, dass Profisportler in der Schweiz kein sehr hohes Ansehen geniessen.
swissinfo: Was muss im Schweizer Sport geändert werden?
W.K.: Da gibt es noch viel zu tun. Das wichtigste aber ist die Schaffung einer zentralen, entscheidungsfähigen Organisation, die jede einzelne Rolle genau definiert.
swissinfo: Glauben sie, dass der Sport mehr offizielle Unterstützung braucht?
W.K.: Für die Finanzierung bauen wir bereits jetzt mehrheitlich auf Kantone und Lotterien. Sportsponsoren werden immer seltener. Deshalb müssen Bund und Kantone aushelfen, wenn der Sport in der Schweiz vorwärts kommen soll.
swissinfo: Müsste nicht auch aus der Öffentlichkeit mehr Unterstützung kommen?
W. K.: Wir haben normalerweise genügend Unterstützung. Alle sprechen über unsere Sportler, wenn sie erfolgreich sind. Wenn es aber nicht so gut läuft, verlieren die Schweizerinnen und Schweizer das Interesse.
Anders als etwa Australier oder Österreicher sind die Schweizer keine Nation von Sportfans. Die Österreicher, zum Beispiel, haben das Gefühl, dass sie das Skifahren in ihrem Blut haben.
Wir aber denken, dass Projekte wie unsere ethischen Richtlinien und unsere Kampagnen, wie jene gegen den Hooliganismus oder sexuellen Missbrauch, die Menschen davon überzeugen können, dass Sport eine gute Sache ist. Auch müssen wir die Eltern davon überzeugen, dass Bewegung für ihre Sprösslinge gesund ist.
Anlässe wie die Fussball-Europameisterschaften 2008 in der Schweiz und Österreich helfen, Unterstützung für den Sport aufzubauen.
swissinfo-Interview: Scott Capper
(Übertragung aus dem Englischen: Etienne Strebel)
2001 wurde Walter Kägi Präsident von Swiss Olympic.
Seit 1997 war er Mitglied des Exekutiv-Komitees der Organisation.
Von 1988 bis 1996 war er Präsident des Schweizerischen Ruderverbandes.
Zwischen 1992 und 2000 war der heute 70-Jährige Handelsanwalt Regierungsrat des Kantons St. Gallen.
Die 81 Mitgliederverbände von Swiss Olympic zählen in über 27’000 Vereinen 3,2 Mio. Mitglieder.
Seit Freitag heisst der neue SO-Präsident Jörg Schild, der auf Walter Kägi folgt.
Die grossen Sportverbände sind in Regional- und Kantonalverbände aufgeteilt.
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