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Seilziehen um Spitzenmedizin geht weiter

Der Kampf um Standorte der Spitzenmedizin in der Schweiz ist noch lange nicht zu Ende. Keystone

Die Universitätsspitäler Bern und Basel betreiben die Herzchirurgie ab Herbst 2007 gemeinsam und schaffen ein standortübergreifendes Kompetenzzentrum.

Für Zürich, das selber Spitzenmedizin anbieten will, bringt eine solche Zusammenarbeit weder mehr Qualität noch Wirtschaftlichkeit.

Das Zentrum steht unter der Leitung von Thierry Carrel, Chefarzt der Herzchirurgie am Berner Inselspital, wie die Kantone Bern und Basel-Stadt am Freitag gemeinsam bekannt gaben.

Mit dieser Zusammenführung würden sowohl medizinische als auch ökonomische, versorgungspolitische und forschungsmässige Ziele angestrebt.

Die Grundleistungen der Herzchirurgie werden auch künftig an beiden Standorten angeboten. Jedoch sollen einzelne Spezialitäten am Inselspital beziehungsweise am Universitätsspital Basel konzentriert werden.

Für über zweieinhalb Millionen Leute

Die beiden Kantonsregierungen, Universitätsspitäler und Universitäten sind überzeugt, eine gute Lösung im Interesse von über 2,5 Millionen Menschen im Einzugsgebiet anzustreben, wie an der gemeinsamen Medienkonferenz deutlich wurde. Mit rund 2000 zu erwartenden Eingriffen am Herzen werde man im ganzen deutschsprachigen Raum einen der vordersten Plätze erreichen.

Die Diskussion um Herztransplantationen dürfe den Blick fürs Ganze nicht verstellen. Das seien nur 30 pro Jahr, gegenüber Bypasschirurgie (610) oder Herzklappenchirurgie (430). Heute würden noch an 19 Standorten Eingriffe am offenen Herzen vorgenommen.

Signal für gesamtschweizerische Diskussion

In der Neurochirurgie nutzen die Universitäten Bern und Basel eine Doppelvakanz der beiden Ordinariate dafür, Schwerpunkte gemeinsam zu definieren und verbindliche Strukturen der Zusammenarbeit zu schaffen.

In einem ersten Schritt sollen die beiden Professuren gemeinsam ausgeschrieben und besetzt werden. Längerfristig wird eine Spitzenstellung in der Schweiz angestrebt.

Starkes Signal

Mit diesen Massnahmen wollen die beiden Kantone ein starkes Signal aussenden in Richtung der laufenden gesamtschweizerischen Diskussionen zur hoch spezialisierten Medizin in der Schweiz. Sie betonten am Freitag erneut ihre Unterstützung für eine interkantonale Regelung und die so genannte Netzwerkstrategie mit mehreren kleineren, stark spezialisierten Zentren.

Die Regierungen haben deshalb bei internationalen Experten ein Gutachten zur künftigen Organisation der Spitzenmedizin in der Schweiz in Auftrag gegeben. Resultate sind voraussichtlich im Oktober 2006 zu erwarten.

Gegen «Klumpenrisiko»

Dass sich ein tiefgreifender Umbau aufdränge, sei klar. Eine Lösung mit nur noch einem Standort in der Deutschschweiz und der Romandie, wie sie vom Kanton Zürich favorisiert wird, sei jedoch zu radikal.

Der Basler Regierungsrat Carlo Conti sprach von einem «Klumpenrisiko» und unverhältnismässig hohen Kosten für Umstrukturierungen. Zudem sei eine Monopolsituation ungünstig, um die Kosten zu senken.

Zürich bleibt hart

Für Zürich ändert sich durch das Zusammengehen der Universitätsspitäler Bern und Basel in der Herzchirugie nichts. Die Schweizer Spitzenmedizin könne nur konkurrenzfähig bleiben, wenn die Kräfte konzentriert würden, heisst es bei der kantonalen Gesundheitsdirektion.

Das standortübergreifende Kompetenzzentrum von Bern und Basel führe zu keiner Konzentration der Spitzenmedizin, sagte Martin Brunnschwiler, Generalsekretär der Gesundheitsdirektion. «Es bleiben zwei Zentren erhalten.»

Nichts Neues

Der Effekt höherer medizinischer Qualität und besserer Wirtschaftlichkeit könne so nicht erzielt werden. Und eine Zusammenarbeit zweier Spitäler in einem Fachgebiet sei auch nicht Aussergewöhnliches. Es gebe sie heute bereits vielerorts.

Das Gutachten, das die Regierungen von Bern und Basel in Auftrag gegeben haben, hält Brunnschwiler für legitim. Er findet es aber befremdend, dass nicht zuerst der Schlussbericht des Gutachtens der Zürcher Regierung abgewartet wurde.

swissinfo und Agenturen

Ziel der Interkantonalen Vereinbarung über die Koordination und Konzentration der hoch spezialisierten Medizin (IVKKM) ist die Reduzierung der Angebote auf weniger Zentren. Damit sollen Kosten gespart werden.

Die IVKKM sollte 2008 in Kraft treten. Dafür sollte sie von wenigstens 17 Kantonen, darunter alle mit Universitätsspital, wie Zürich, ratifiziert werden.

Der Kanton Zürich hatte 2005 entschieden, dieser Vereinbarung nicht beizutreten. Er bevorzugt eine Lösung, bei welcher die Spitzenmedizin auf 2 und nicht 6 Spitäler aufgeteilt wird, wie es die anderen Kantone möchten.

Das IVKKM sollte Organ-Transplantationen, die Herzchirurgie, die pädiatrische Kardiologie sowie die Behandlungen von grossflächigen Verbrennungen regulieren.

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