Sepp Blatter einziger Kandidat für eigene Nachfolge
Der aktuelle Präsident des Internationalen Fussballverbandes (FIFA) ist der einzige Kandidat für seine eigene Nachfolge, über die am 57. Fifa-Kongress in Zürich entschieden wird.
Der Walliser, Präsident seit 1998, strebt eine dritte, bis 2011 dauernde Amtszeit an. Die Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika wäre das Highlight seiner Präsidentschaft. swissinfo hat ihn kurz vor der Wahl getroffen.
swissinfo: Mit welchen Gefühlen sehen sie dem 57. Kongress der FIFA und Ihrer Wiederwahl als Präsident entgegen?
Joseph S. Blatter: Ich nehme das Vertrauen, das mir entgegengebracht wurde, als Anerkennung wahr für die Arbeit, die ich seit 32 Jahren für die FIFA leiste.
Ich glaube, dass ich über meinen Werdegang stolz sein kann. Trotzdem ist es für mich ein wenig überraschend, einziger Kandidat zu sein, denn eigentlich liebe ich den Wettkampf, doch beklagen will ich mich auch nicht.
swissinfo: Sie vertraten die Meinung, dass der FIFA-Präsident nach zwei Amtszeiten abtreten sollte. Die Kandidatur einer dritten Amtszeit rechtfertigen sie damit, dass man Sie nicht «in Ruhe arbeiten liess». Wie gingen Sie mit der Kritik um, die oft doch sehr heftig war?
J.B: Es gab sehr schwierige Momente. Doch sie müssen wissen, dass ich wie die Nummer 9 auf dem Spielfeld agiere, das heisst, wie einer, der nach vorne stürmt und nicht gross schaut, was hinter ihm passiert.
Natürlich hat mich die Kritik verletzt, aber ich hatte immer die Gewissheit, dass die Mitglieder der FIFA hinter mir stehen. Es ist schon so: wer für eine Sache einsteht wie ich, muss auch einstecken können.
Ein Mensch muss immer an das glauben, was er macht und überzeugt sein, dass sein Handeln ihn auf seinem Weg weiterbringt. Mit Gottes Hilfe habe ich immer daran geglaubt, dass der Fussball mehr ist, als bloss auf einen Ball einschlagen; er ist durchaus fähig, in unserer Gesellschaft wieder grosse und positive Emotionen zu wecken. Es gibt enorm viele Fussballer auf unserem Planeten, und mit dem Fussball ist es möglich, fast überall auf der Welt die Menschen zu berühren.
swissinfo: Ist dies im Sinne ihrer dritten Amtszeit, die sie unter dem Motto «soziale Verantwortung» führen möchten?
J.B.: Ja, genau diese Verantwortung tragen wir, wohl wissend, dass Fussball das populärste Spiel der Welt ist. Darin eingebunden sind sowohl das Auftreten der Spieler und das Verhalten der Klubs in den Wettkämpfen aller Ligen, sowie die Entwicklung der Jugend durch Förderung des Sports in den Schulen
Doch wir müssen uns vermehrt auch sozial, kulturell, wirtschaftlich, medial und politisch engagieren. Trotz der Probleme, mit denen auch der Fussball zu kämpfen hat (Rassismus, Doping, Korruption, Wetten, usw. …), strahlt dieser Sport weiterhin Leidenschaft, Emotion, Vergnügen und vor allem… Hoffnung aus.
In einer zerrissenen und unsicheren Welt kann der Fussball einen wichtigen Beitrag zur besseren Verständigung unter den Völkern leisten.
swissinfo: Ein grosses Ereignis in ihrer dritten Amtszeit wird die Weltmeisterschaft in Südafrika sein. Wie wichtig ist sie für Sie?
J.B.: Während Jahren haben wir dem Exodus von afrikanischen Spielern zugeschaut, ohne jemals versucht zu haben, dem Schwarzen Kontinent etwas zurückzugeben.
Seit meiner Wahl an die Spitze der FIFA im Jahr 1998 war mein grösstes Anliegen die Änderung der Statuten, welche die Vergabe der Weltmeisterschaften regeln. Ohne die Rotation der Kontinente wäre es nicht möglich gewesen, eines Tages die Weltmeisterschaft nach Afrika zu vergeben. Heute sind die Afrikaner bereit und fähig, «ihre» Weltmeisterschaft zu organisieren.
swissinfo: Ihr ehemaliger Berater und Freund Michel Platini steht an der Spitze der UEFA. Wird diese Tatsache Ihnen helfen, für diese Weltmeisterschaft neue Reformen anzugehen, ich denke dabei besonders an die Aufgabe der Schiedsrichter?
J.B.: Michel Platini und ich sprechen die gleiche Sprache. Für uns ist Fussball zuerst Spiel und erst dann Geschäft. Doch wir sind uns beide bewusst, dass es nötig ist, den Schwerpunkt auf die Leitung und die Kontrolle des Spiels zu setzen, denn die Erwartungen an ein Fussballspiel sind heute enorm.
Wir haben ein paar Ideen wie beispielsweise der Einsatz von vier Linienrichtern; sie sollten nicht nur Offsides anzeigen, sondern dem Schiedsrichter bei gewissen Entscheidungen wirklich helfen können. Wenn sich unsere Versuche als machbar erweisen, könnten Änderungen relativ schnell vorgenommen werden.
swissinfo: Nächstes Jahr wird die Schweiz zusammen mit Österreich die Europameisterschaft im Fussball durchführen. Sie bemängeln, dass ein gewisser Enthusiasmus fehlt. Warum?
J.B.: Der Enthusiasmus fehlt tatsächlich! Unser Parlament fragt vor allem nach den Kosten der EURO 08, anstatt sich darüber Gedanken zu machen, was ein Grossanlass wie die EURO 08 dem Land bringen kann, und das wird nicht wenig sein.
Man müsste sich vielmehr engagieren für diese Begegnung in der Schweiz, denn sie wird das Bild der Schweiz ins Ausland tragen. Alle werden den europäischen Fussball sehen wollen, der im Moment die Welt des runden Leders dominiert.
swissinfo: Wird man sie in den Stadien antreffen?
J.B.: Sicher, und zwar in der Schweiz wie in Österreich.
Interview swissinfo, Mathias Froidevaux
(Übertragung aus dem Französischen: Christine Fuhrer)
Joseph S. (Sepp) Blatter wurde am 10. März 1936 in Visp geboren. Er studierte Handels- und Volkswirtschaftswissenschaften und schloss mit dem Lizentiat ab. Seit 1975 ist er bei der FIFA tätig.
Am 8. Juni 1998 trat Joseph S. Blatter die Nachfolge von João Havelange (Brasilien) – dessen Generalsekretär er war – als 8. Präsident der FIFA an. Seine erste Wahl fand am Ordentlichen Kongress der FIFA in Paris statt.
Am 29. Mai 2002 in Seoul sprachen ihm die Verbandsmitglieder erneut ihr Vertrauen aus. Der Kongress von Doha im Jahr 2003 hatte ausnahmsweise die Amtsdauer der Präsidentschaft um ein Jahr verlängert, damit sie nicht mit der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland zusammenfällt.
Am 31. Mai 2007, wird Joseph S. Blatter für eine dritte. Amtszeit als FIFA-Präsident bis ins Jahr 2011 gewählt werden.
Er kann weiterhin auf das Vertrauen der Fussballfamilie zählen, trotz heftiger Attacken namentlich seitens seines ehemaligen Generalsekretärs Michel Zen Ruffinen und des englischen Journalisten Andrew Jennings, die ihn der Korruption und der Vetternwirtschaft bezichtigten.
Die FIFA (Fédération Internationale de Football Association) ist die Weltfussball-Dachorganisation und hat ihren Sitz in Zürich.
Sie wurde 1904 in Paris gegründet und fasst alle Verbände der sechs Kontinente zusammen.
Die FIFA organisiert verschiedene Meisterschaften, darunter die Fussballweltmeisterschaften der Frauen und Männer.
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