Serbien-Schweiz: Abgekühlte Beziehungen
Die Zukunft der ehemaligen Provinz Kosovo polarisierte die Gespräche zwischen der Regierung Serbiens und Aussenministerin Micheline Calmy-Rey.
Nach dem Treffen am Freitag in Belgrad hielt sich der serbische Präsident Boris Tadic nicht mit Kritik zurück.
Der serbische Präsident Boris Tadic hat die Postion der Schweiz zum künftigen Status des Kosovo kritisiert. Bundesrätin Micheline Calmy-Rey sprach sich in Belgrad erneut für eine Form der Unabhängigkeit des Kosovo aus.
Tadic sagte nach dem Treffen mit der Schweizer Aussenministerin am Freitag in Belgrad, Serbien widersetze sich einer «Fragmentierung» der Region, da dies nicht förderlich für den Integrationsprozess des Landes sei.
Er sei überzeugt, dass eine Teilung zu einer «gefährlichen Sprengkapsel» werden könnte, zitierte die österreichische Nachrichtenagentur apa den serbischen Präsidenten.
«Kein Zurück»
Gegenüber der Nachrichtenagentur sda sagte der Berater von Calmy-Rey, Roberto Balzaretti, die Aussenministerin habe in Belgrad klar gemacht, dass die Schweiz glaube, dass es kein Zürück mehr gebe für einen Status wie vor dem Kosovo-Krieg Ende der 1990er-Jahre.
Es müsse deshalb «irgendeine Form» der Unabhängigkeit für den Kosovo geben, sagte Calmy-Rey laut Balzaretti.
Gleichzeitig habe die Aussenministerin auch erklärt, dass nicht die Schweiz eine Lösung habe, sondern die Parteien eine solche finden müssten. Calmy-Rey habe erneut signalisiert, dass die Schweiz bereit sei zu vermitteln.
Laut Berater Balzaretti haben Tadic und der Aussenminister von Serbien und Montenegro, Vuk Draskovic, «die Schweizer Position verstanden». Die Führung in Belgrad wiederum habe ihre Position – mehr als Autonomie für den Kosovo, aber weniger als Unabhängigkeit – wiederholt. Balzaretti bezeichnete die Diskussionen als freundlich und entspannt.
Calmy-Rey hat sich zwei Tage lang in Serbien-Montenegro aufgehalten.
Verlautbarungen maskieren Spannungen
Die offiziellen Schweizer Verlautbarungen maskieren die Spannungen zwischen Bern und Belgrad. Ende Mai hatte der Schweizer Botschafter bei den Vereinten Nationen, Peter Maurer, vor dem UNO-Sicherheitsrat in New York sich in Namen des Bundesrates für eine Unabhängigkeit der seit 1999 unter UNO-Verwaltung stehenden serbischen Provinz Kosovo ausgesprochen.
Die Wiedereingliederung des Kosovo unter der Souveränität Serbien und Montenegros sei «weder wünschenswert noch realistisch», hatte Maurer erklärt. In der Schweiz lebt ein grosser Teil der Kosovo-Albaner, die ins Ausland flohen oder vorher schon aus wirtschaftlichen Gründen abwandern mussten.
Die Rede Maurers hatte international für Aufsehen gesorgt und im Parlament in Bern für Unmut.
In Belgrad hatte die Regierung zunächst zurückhaltend reagiert. «Die Schweiz muss neutral bleiben und zwischen den beiden Parteien vermitteln», hatte am Dienstag ein Berater von Kostunica auf Anfrage erklärt.
Srebrenica: Mladic und Karadzic
Calmy-Rey sprach am Freitag in Belgrad auch an, dass der bosnische Serbenführer Radovan Karadzic und dessen Militärchef Ratko Mladic nach wie vor nicht an des UNO-Kriegsverbrecher-Tribunal in Den Haag ausgeliefert wurden.
Erst am Mittwoch hatten die USA ultimativ die Auslieferung Mladics bis zum 11. Juli nach Den Haag gefordert. An diesem Tag jährt sich zum zehnten Mal das Massaker in der bosnischen Stadt Srebrenica, bei dem bis zu 8000 Muslime ermordet wurden.
swissinfo und Agenturen
Im Frühling 1999 fanden die NATO-Bombardierungen in Serbien statt, um Slobodan Milosevics Truppen zum Rückzug aus dem Kosovo zu zwingen.
Im Mai 1999 befanden sich 800’000 Albaner in Nachbarländern auf dem Balkan.
170’000 wurden in anderen Ländern auf der Welt aufgenommen.
580’000 Personen wurden innerhalb des Kosovos vertrieben.
130’000 befanden sich noch in ihren Ortschaften im Kosovo.
1’600’000 Personen im Total hatten seit Konfliktbeginn ihre Häuser verlassen. (checkpoint-online.ch)
Die Schweiz gilt seit längerem als eines der wichtigsten Emigrationsländer für Kosovo-Albaner.
Ihre Zahl in der Schweiz wird auf gegenwärtig 150’000 geschätzt.
Viele arbeiteten schon vor dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien aus wirtschaftlichen Gründen als Gastarbeiter in der Schweiz.
Wegen des zunehmenden Drucks von Belgrad und den kriegerischen Handlungen flüchteten weitere zahlreiche Kosovo-Albaner in die Schweiz, wo sie Zuflucht auch bei Familienangehörigen fanden.
Laut dem Bundesamt für Migration stammten in Mai 2005 21,4% der Personen, die sich im Asylprozess befanden, aus Serbien und Montenegro (hauptsächlich Kosovaren, da diese zu den Serben-Montenegrinern dazugezählt werden).
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