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Sieg für St. Gallen

Nun hat St. Gallen den Zuschlag für das Bundesverwaltungsgericht doch noch erhalten - in der Ostschweiz herrscht Freude. swissinfo.ch

Das Bundesverwaltungsgericht kommt nach St. Gallen und nicht nach Freiburg. Die grosse Parlamentskammer schwenkte damit auf die föderalistische Linie der kleinen Kammer ein.

Mit 95 zu 84 Stimmen schloss sich der Nationalrat am Donnerstag dem Ständerat an. Die Ostschweiz zeigte sich über den Entscheid sehr erfreut. Bellinzona als Sitz des Bundesstrafgerichts stand bereits früher fest.

Mit dem Stichentscheid seiner Präsidentin, Liliane Maury Pasquier, hatte der Nationalrat vor einer Woche das Bundesverwaltungsgericht nach Freiburg vergeben. Demgegenüber votierte der Ständerat zweimal klar für St. Gallen, letztmals vergangenen Mittwoch mit 27 zu 16 Stimmen.

Der Bundesrat, die Regierung, hätte eigentlich Freiburg und Aarau gewollt. Bundesrätin Ruth Metzler erklärte, nachdem sich das Parlament beim Bundesstrafgericht für Bellinzona entschieden habe, stehe die ausgewogene Lösung der Regierung nicht mehr zur Debatte. Die Entscheidung liege nun beim Parlament.

Die vergessene Region

Vor dem Entscheid wurden der Debatte nochmals die Argumente für Freiburg beziehungsweise St. Gallen vorgebracht, mit denen in den vergangenen Wochen um den Sitz des neuen Gerichts gestritten worden war. Schliesslich lenkte die grosse Kammer ein und gab der Ostschweiz den Zuschlag.

Sie folgte dem staatspolitischen Appell, mit der Dezentralisation Ernst zu machen und nach dem Tessin nun auch die Ostschweiz zu berücksichtigen. “Diese vergessene Region wartet auf ein Zeichen der Wertschätzung aus Bundesbern”, sagte eine St. Galler Abgeordnete.

Nicht alles in die lateinische Schweiz

Die sozialdemokratische Kommissionspräsidentin Anita Thanei aus Zürich bezeichnete es als staatspolitisch problematisch, drei von vier Bundesgerichten in der lateinischen Schweiz anzusiedeln. Sie warnte auch davor, mit dem Beharren auf der Differenz die Verabschiedung des Gesetzes und damit die Vorbereitungen der Standortkantone um ein Vierteljahr zu verzögern.

Der Freiburger Sozialdemokrat Erwin Jutzet verteidigte “seine” Stadt vergeblich und forderte den Rat auf, das Prinzip der Dezentralisierung nicht hoch zu stilisieren. Erfolglos blieben auch Hinweise auf die Doppelsprachigkeit Freiburgs, die zentrale Lage an der Sprachgrenze, und die Nähe einer Rechtsfakultät.

Riesenfreude in der Ostschweiz

Die Ostschweizer Kantone reagierten hoch erfreut. Die langjährige Praxis, die Ostschweiz bei Investitionsentscheiden hinten anzustellen, sei mit Recht als schädlich für den Zusammenhalt des Landes beurteilt worden. Der Kanton St. Gallen und die umliegenden Kantone würden nun alles daran setzen, den Aufbau der neuen Gerichtsinstanz und den Umzug der Mitarbeitenden reibungslos zu gestalten.

Enttäuscht reagierte Freiburg. Der Kanton sei ein weiteres Mal Opfer seiner geographischen Lage an der Sprachgrenze nahe der Bundeshauptstadt geworden. Der Kanton erwarte, dass die Untervertretung von Westschweizern in Bundesstellen bei der nächsten Zuteilung von Bundesinstitutionen oder -ämtern korrigiert werde.

swissinfo und Agenturen

Zwei neue Gerichte

Die beiden neuen erstinstanzlichen Bundesgerichte wurden mit der Justizreform geschaffen. Das Bundesstrafgericht mit 40 bis 60 Beschäftigten sollte seine Tätigkeit möglichst rasch aufnehmen können, weil der Bund von den Kantonen neue Kompetenzen im Kampf gegen das organisierte Verbrechen und die Wirtschaftskriminalität übernommen hat.

Das Bundesverwaltungsgericht mit etwa 250 Beschäftigten wird Beschwerden gegen Verfügungen der Bundesverwaltung beurteilen. Es ersetzt die heutigen rund 30 Rekurs- und Schiedskommissionen und die Beschwerdedienste der Departemente.

swissinfo und Agenturen

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