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Sieg weckt Hoffungen auf neue Hamas

Hamas-Anhänger feiern in Rafah den klaren Wahlsieg. Keystone

Nach dem Sieg der Hamas bei den palästinensischen Parlamentswahlen hoffen Palästinenser und Juden in der Schweiz auf eine Bereitschaft zu Konzessionen.

Die radikal-islamische Organisation könnte einen staatsmännischen Kurs einschlagen und der Gewalt absagen, so der Tenor.

Die Hamas hat 76 der 132 Sitze und damit die absolute Mehrheit errungen. Der bisher regierenden Fatah blieben 43 Mandate. Der klare Wahlsieg hat in der Politlandschaft der palästinensischen Autonomiegebiete ein Erdbeben ausgelöst.

Der palästinensische Regierungschef Ahmed Korei reichte nach Bekanntwerden des Erdrutsches seinen Rücktritt ein. Gleichzeitig kündigte er an, dass die Hamas die neue Regierung bilden werde.

Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas von der Fatah nahm den Rücktritt Koreis an. Korei solle die Regierungsgeschäfte noch solange führen, bis eine neue Regierung gebildet werde.

Schweiz lobt gute Abwicklung der Wahlen

Die seit zwölf Jahren allein regierende Fatah-Bewegung hatte bis zuletzt daran geglaubt, stärkste Kraft im Parlament zu bleiben, und unter dieser Voraussetzung der Hamas eine Regierungsbeteiligung angeboten.

Das Schweizerische Aussenministerium (EDA) begrüsste den guten Verlauf der palästinensischen Parlamentswahlen. Das EDA äusserte sich aber nicht konkret zum Resultat.

Öffnung zu politischem Pluralismus

Beobachter äusserten sich in ersten Analysen dahingehend, dass der überraschend klare Hamas-Sieg die politische Lage in den palästinensischen Autonomiegebieten im Nahen Osten verändern könnte.

«Der Sieg ist nicht nur eine Machtübernahme durch die Hamas, sondern vor allem eine Öffnung zu politischem Pluralismus», sagte Victor Kocher, Nahost-Korrespondent der Neuen Zürcher Zeitung, gegenüber swissinfo.

Die neue politische Partnerschaft, die Hamas versprochen hat, müsse aber alle Gesellschaftsschichten Palästinas umfassen. Kocher geht nicht davon aus, dass die Hamas ihre Waffen niederlegen werde.

Nur noch gegen militärische Ziele?

Möglicherweise rücke Hamas von Selbstmord-Attentaten gegen Zivilisten ab, und greife nur noch die Armee Israels an, so der Nahost-Kenner.

Auf israelischer Seite sieht er keine grossen Änderungen. «Israel wird seine einseitigen Schritte zur Sicherung seiner Grenzen weiterführen. So mit der Annektierung grosser Teile der West Bank, wo sich die wichtigsten jüdischen Siedlungen befinden.»

Demokratische Legitimität

Der überwältigende Sieg der Hamas habe die Perspektiven im Nahen Osten komplett verändert, erklärte der Lausanner Politologe Ahmed Benani. Benani ist Präsident von l’Observatoire international des affaires de la Palestine (OIAP).

«Nachdem sie sich durch Gewalt bemerkbar gemacht hatte, hat die Hamas nun an der Urne eine Legitimität erhalten», sagt Benani. Er ist der Meinung, dass jedoch Verhandlungen mit Israel schwierig werden dürften.

Druck zu Konzessionen

Der Druck auf die israelische Regierung, Konzessionen gegenüber den Palästinensern zu machen, steige mit dem Sieg der Hamas-Bewegung. Die Zeit laufe zu Gunsten der Palästinenser, zeigte sich Daniel Vischer, Präsident der Gesellschaft Schweiz-Palästina (GSP), überzeugt.

Der Hamas-Sieg zeige deutlich, dass sich das palästinensische Wahlvolk nicht durch US-amerikanische, europäische und israelische Einmischungsversuche beirren lasse, so Vischer.

SIG: Annäherung

Wenn die radikal-islamische Hamas-Bewegung die Regierungs-Verwantwortung in den Palästinensergebieten übernehmen, könnte das auch ihre Haltung gegenüber Israel verändern, sagte Alfred Donath, Präsident des Schweizerisch Israelitischen Gemeindebunds (SIG).

Donath sieht darin eine Chance und erwartet, dass eine Hamas-Regierung staatsmännischer wird auftreten müssen. «Das heisst: Sie wird wohl der Gewalt abschwören und letztlich auch Abstand nehmen vom erklärten Ziel, Israel zu zerstören.»

Yves Kugelmann, Chefredaktor der Schweizerischen jüdischen Wochenmagazins Tacheles, neigte ebenfalls zu dieser Annahme: «Es ist eine schwierige Situation, denn Hamas ist bei weitem keine Friedensorganisation. Aber ich bin sicher, dass sowohl Israel wie auch die Hamas ihre bisher vertretenen Positionen überdenken müssen.»

Das Wahlresultat löste bei Tachels ambivalente Reaktionen aus: «Für uns ist der Hamas-Sieg einerseits eine Chance, andererseits ein Desaster. Aber im Nahen Osten liegen diese immer eng beieinander.»

swissinfo und Agenturen

Die Schweizer Regierung befürwortet, dass alle politischen Parteien in den besetzten palästinensischen Gebieten in den Friedensprozess einbezogen werden.

Dabei beruft sich die Schweiz auf internationales Recht und das Osloer Friedensabkommen.

Hamas ist in der Schweiz nicht verboten.

Die USA und EU dagegen stufen die Hamas als Terror-Organisation ein.

Die radikal-islamische Hamas-Organisation errang am Mittwoch bei den palästinensischen Parlamentswahlen die Mehrheit der 132 Sitze.
Die bisher regierende Fatah wechselt in die Opposition.

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