Simbabwe: Schweizer Ärzte gegen Cholera-Epidemie
Die seit mehr als einem halben Jahr anhaltende Cholera-Epidemie in Simbabwe hat über 80'000 Menschen infiziert und mehr als 3700 Todesopfer gefordert. Schweizer Ärzte versuchen, die medizinische Grundversorgung in zwei Spitälern aufrecht zu erhalten.
Das einst wohlhabende afrikanische Land Simbabwe ist wirtschaftlich ruiniert.
Die Inflation hat Rekordhöhen erreicht, die Arbeitslosigkeit liegt bei 90%, gut die Hälfte der Bevölkerung hungert, 25% sind von Aids betroffen.
Die Menschenrechtslage hat sich unter dem diktatorischen Staatspräsidenten Robert Mugabe stetig verschlechtert.
Die seit über sechs Monate andauernde Cholera-Epidemie in Simbabwe ist kaum noch kontrollierbar.
Die tödlichste Cholera-Krise der letzten 15 Jahre in Afrika hat sich mittlerweile auf Nachbarländer Simbabwes wie Moçambique ausgebreitet.
Gesundheitssystem am Boden
Der Schweizer Arzt Urs Allenspach von der Schweizer Organisation für Gesundheit in Afrika (SolidarMed) bestätigt, dass das Gesundheitswesen in Simbabwe in einer katastrophalen Situation ist. Dadurch könnten Epidemien eher auftreten und auch nicht richtig behandelt und eingedämmt werden.
Die Gründe dafür lägen schon länger zurück, sagt er gegenüber swissinfo.
«Die Infrastruktur der Wasserversorgung und vor allem der Entsorgung ist veraltet und wegen der Wirtschafts- und Finanzkrise der letzten Jahre in sehr schlechtem Zustand. Das öffentliche Gesundheitswesen ist zusammengebrochen und kann die Menschen nicht mehr erreichen und behandeln.»
Wenn ein Land infolge der wirtschaftlichen, politischen und menschenrechtlichen Krise 75% des Gesundheitspersonals ans Ausland verliere, sei es für jeden Staat schwierig, ein Gesundheitswesen aufrecht zu erhalten, so Allenspach.
In zwei Spitälern in Simbabwe hält SolidarMed die medizinische Grundversorgung für insgesamt 350’000 Menschen allen Widrigkeiten zum Trotz aufrecht.
Reibungsflächen mit Regime natürlich
Nichtregierungs-Organisationen werfen dem Mugabe-Regime vor, die Hilfe an Betroffne zu behindern. Dazu Urs Allenspach: «Je vertikaler ein Hilfsprogramm ist, das man in einem Staat wie Simbabwe verwirklichen will, umso schwieriger wird es, mit den Behörden umzugehen. Das ist eine Tatsache, die nicht nur Simbabwe betrifft.»
Vertikal heisse, wenn man ein Programm einführe mit Medikamenten von aussen, Arbeitskräften von aussen, Regeln von aussen.
«Wenn man ein Programm gestaltet, das sich anpasst und die Engpässe löst, die im lokalen Gesundheitswesen vorhanden sind, dann sind solche Behinderungen allerdings weniger zu spüren.»
SolidarMed sei in ihrer Arbeit grundsätzlich nicht behindert worden. «Aber wenn man ein Cholera-Programm machen will, dann muss man natürlich mit Material kommen, mit Massnahmen zur Quarantäne, und da gibt es sicher Reibungsflächen. Ich stelle mir aber vor, dass das in jedem anderen Staat ähnlich wäre», so Allenspach.
Nichts zu tun mit politischer Lage
Nach langwierigen Verhandlungen und Druck von aussen hat Simbabwe seit kurzem eine Koalitionsregierung mit dem langjährigen Oppositionsführer Morgan Tsvangirai als Premierminister.
Dieser hat jüngst die Internationale Gemeinschaft zu Spenden für den Wiederaufbau des Landes aufgerufen. Hochrangige UNO-Vertreter machten sich darauf vor Ort ein Bild über die humanitäre Lage.
Die Koalitionsregierung sei noch zu wenig lange im Amt, um sagen zu können, ob die Arbeit der Hilfsorganisationen jetzt besser gefördert werde, sagt Allenspach.
Laut dem Schweizer Arzt hängt die Cholera nicht direkt mit der politischen Situation des Landes zusammen.
«Man muss schauen, dass sich die Epidemie nicht weiter ausbreitet, dass die infizierten Leute nicht reisen, man muss Therapien für die Erkrankten anbieten. Und das kann ausserhalb der politischen Regeln erfolgen.»
Hilfe für Regime oder Bedürftige?
Oft wird die Frage gestellt, ob internationale Hilfsprogramme in Ländern wie Simbabwe diktatorische Regimes nicht noch stärken.
Allenspach widerspricht: «Wir müssen unterscheiden zwischen humanitärer Hilfe, von der wir garantieren können, dass sie den Betroffenen zugute kommt, und Wirtschaftshilfe oder Hilfe zur Verbesserung der Menschenrechte. Da sind natürlich ganz andere Bedingungen gefragt als im Gesundheitswesen oder in der Nahrungsmittelhilfe.» Dort könne man bedingungslos helfen, damit es den Leuten einfach besser gehe.
«Man musss auch sehen, dass eine kranke, hungrige Bevölkerung ihre demokratischen Rechte gar nicht wahrnehmen kann», betont Allenspach. Es sei also auch sehr wichtig, dass – in einer Art Basisdemokratie – die Gesundheits- und Ernährungsversorgung der Leute gewährleistet sei.
swissinfo, Jean-Michel Berthoud
Der Zürcher Arzt Andreas Widmer versorgt im Musiso-Spital in Simbabwe Cholera-Patienten mit lebensrettenden Infusionen und Medikamenten.
Zusammen mit SolidarMed sorgt er für die medizinische Grundversorgung von 200’000 Menschen im krisengeplagten Land.
Der Arzt Oliver Wiederkehr aus dem zürcherischen Kilchberg arbeitet für SolidarMed ebenfalls im Musiso-Spital. Die Cholera-Epidemie erschwert seine Arbeit zusätzlich.
In den letzten Wochen trafen täglich 5 bis 10 Cholera-Patienten im Musiso-Spital ein. Diese werden in der Quarantäne-Station behandelt. Bisher überlebten alle Cholera-Patienten im Musiso-Spital.
SolidarMed hält in zwei Spitälern in Simbabwe die medizinische Grundversorgung aufrecht.
Geb. 1955, verheiratet, drei Kinder.
1988-1990 Leiter des Musiso-Spitals im Süden Simbabwes. Seit 1994 Vorstandsmitglied von SolidarMed und zuständig für die Simbabwe-Programme.
Besucht jedes Jahr ein- oder zweimal Simbabwe für Geschäfts- und Projektreisen.
Von September bis November 2008 arbeitete er im Musiso-Spital als Arzt.
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