Ski-Akademie soll Medaillen bringen

Nach dem Debakel der Schweizer Skiasse an der WM in Bormio 2005 geht Swiss Ski mit einem nationalen Pilotprojekt für eine Sport-Akademie in die Offensive.
Dass Brig zum Standort der nationalen Ski-Akademie gewählt wurde, hat nicht eitel Freude ausgelöst. Doch Swiss Ski wollte schnell handeln.
Die Ski-Weltmeisterschaften von Bormio im Februar markierten einen Tiefpunkt in der Geschichte der «Skination Schweiz». Nach Bormio – die Schweiz errang keine einzige WM-Medaille – war sie eben keine Skination mehr.
Die glorreichen Zeiten mit Russi, Nadig, Zurbriggen, Hess, Walliser und Schneider blieben unerreichbar. So darf es aber nicht weiter gehen, es steht zu viel auf dem Spiel. Die Schweiz ist ein Wintertourismus-Land.
Wenn weltweit bekannte und erfolgreiche einheimischen Skirennläufer und –läuferinnen diese Kunde nicht mehr in die Welt hinaus tragen, fehlen dem Tourismus die Aushängeschilder. Der Erfolg auf den Skipisten muss wieder zurückkommen.
Akademie im Wallis
Gefordert wurde zuerst mehr Geld, um die Alpinen zu fördern. Am Geld liege es nicht, sagten Politiker und Beobachter. Es liege vielmehr an den Strukturen.
Swiss Ski, der schweizerische Ski-Verband, hat nun ein neues Konzept für sogenannte Leistungszentren vorgestellt. In Brig, im Kanton Wallis, soll eine Ski-Akademie entstehen und in den Sportgymnasien Davos und Engelberg nationale Leistungszentren.
Vom Gesamt-Budget von Swiss Ski von 18,6 Mio. Franken erhält die neue Akademie in Brig 300’000 Franken in Form von Geld- und Sachleistungen. Davos und Engelberg erhalten kein Geld vom Verband und müssen sich mit dem Titel «Sport-Leistungszentrum» begnügen.
Keine Ausschreibung
Das sorgt für Unmut. Urs Winkler, Direktor des Sportgymnasiums Davos fragt sich, wo denn genau der Unterschied liege zwischen Brig, das zur Ski-Akademie wurde, und seinem Zentrum, das «lediglich» das Label «nationales Leistungszentrum» (und kein Geld) erhält.
Winkler stört es, dass Swiss Ski keine Bewerbungen einholte. «Die Ski-Akademie wurde nicht öffentlich ausgeschrieben», sagte Winkler gegenüber swissinfo. Es seien keine Kriterien genannt, Erfahrung und Qualität nicht geprüft worden. «Ich hätte mich gerne einer sportlichen Auseinandersetzung um die Akademie gestellt.»
Für Winkler ist die jetzt getroffene Lösung unter Druck entstanden. «Nach Bormio musste irgend etwas geschehen, um die Öffentlichkeit zu beruhigen.»
Unschweizerisch schnell gehandelt
«Das wissen wir alles», sagt Gian Gilli, Chef Leistungssport bei Swiss-Ski zu swissinfo. «Doch wir haben jetzt gehandelt und nicht den üblichen Schweizer Weg mit Ausschreibung, Evaluation und Vernehmlassung beschritten. Damit haben wir drei Jahre gewonnen.»
Dass dieser schnelle Entscheid für eine Ski-Akademie in Brig für Schweizer Verhältnisse einer mittleren Revolution gleichkommt, ist sich Gilli bewusst. «Hätten wir konventionell gehandelt, wäre wieder der gute Durchschnitt gefördert worden, und das reicht heute im Skisport, im Sport generell, nicht mehr», sagt Gilli.
Nun befindet sich in Brig das Ausbildungszentrum für den Schweizer Skisport. Swiss-Ski begründet seinen Entscheid für Brig mit der Zweisprachigkeit, dem breiten Angebot an Ausbildung und Lehrplätzen und der Nähe zu den Gletschern von Zermatt und Saas Fee.
In Brig, so Gilli, sollen die 10 besten Talente der ganzen Schweiz ihren Feinschliff hin zum Weltklasse erhalten. Wobei ganz klar der Spitzensport im Zentrum steht, Spitzensport mit Berufsausbildung.
Österreich machte es vor
Gian Gilli hofft, dass die wirklich aussichtsreichsten Talente nach Brig kommen. Auch diejenigen aus den Leistungszentren Davos oder Engelberg, mit denen weiterhin eng zusammengearbeitet werde. «Doch zwingen können wir niemanden, sie müssen schon freiwillig kommen», sagt der Chef Leistungssport.
Damit wandelt die Schweiz auf Österreichs Spuren. Die erfolgreichste Skination der vergangenen Jahre hat mit ihrem Skigymnasium in Stams, der – wie es im Internet heisst – «Internatsschule für Schisportler», den Grundstein für den Erfolg bereits in den späten 1960er-Jahren gelegt, nach dem Debakel der Österreicher an der WM 1967 in Chile.
Wie in Österreich wird es auch in der Schweiz noch etliche Jahre dauern, bis sich die Ski-Akademie in Brig im Medaillenspiegel auswirken wird. Gian Gilli rechnet mit etlichen Jahren.
swissinfo, Urs Maurer
Die Olympischen Spiele von Sapporo gingen als «Goldene Tage» in die Schweizer Skigeschichte ein: Je drei Goldmedaillen für Bernhard Russi und Marie-Theres Nadig.
Die 1980er-Jahre waren die grossen Zeiten von Pirmin Zurbriggen, Erika Hess, Maria Walliser und Vreni Schneider.
Der letzte Schweizer Star im Ski-Weltcup war der Riesenslalom-Fahrer Michael von Grünigen, der Ende Saison 2003 zurücktrat.
Demgegenüber errang die Schweiz keine Medaille an der Ski-WM im italienischen Bormio 2005.
Swiss Ski will den Schweizer Skisport wieder in die Weltklasse führen.
Das soll mit Leistungszentren Ski alpin geschehen.
In Brig entsteht eine Ski-Akademie für die jährlich 10 grössten Talente.
Brig erhält von Swiss Ski pro Jahr 300’000 Franken.
Die Sportgymnasien von Davos und Engelberg werden nationale Leistungszentren.

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