Slobodan Milosevic nachDen Haag ausgeliefert

Der ehemalige jugoslawische Staatschef Slobodan Milosevic ist am Donnerstag (28.06.) Vertretern des UNO-Kriegsverbrechertribunals in Belgrad übergeben worden. Die Schweizer Chef-Anklägerin Carla del Ponte hatte seit Monaten seine Auslieferung gefordert. Die Schweiz begrüsst den Entscheid.
Der ehemalige jugoslawische Präsident Slobodan Milosevic ist am Donnerstag Vertretern des UNO-Kriegsverbrecher-Tribunals in Belgrad überstellt und umgehend nach Den Haag ausgeliefert worden. Dies bestätigte am frühen Abend die jugoslawische Regierung.
Das niederländische Fernsehen hat am Freitagmorgen erste Bilder vom Eintreffen des jugoslawischen Ex-Präsidenten in der Haftanstalt des Haager UNO- Kriegverbrecher-Tribunals ausgestrahlt.
Darauf war Milosevic von hinten zu sehen, wie er von zwei Beamten durch den Gerichtssaal des Gefängnisses in Scheveningen geführt wurde. Der Ex-Staatschef hielt dabei die Hände vor das Gesicht. Nach Angaben des Fernsehsender NOS war er mit Handschellen gefesselt.
Carla del Ponte sehr zufrieden
Das UNO-Tribunal unter Chef-Anklägerin Carla del Ponte will Milosevic wegen Kriegsverbrechen an Zivilisten im Kosovo-Krieg 1999 zur Rechenschaft ziehen. Carla Del Ponte zeigte sich am Donnerstagabend sehr zufrieden über die Überstellung von Slobodan Milosevic ans UNO-Tribunal.
Sie hoffe, dass durch diese Aktion nun auch die Auslieferung aller anderen Angeklagten des Tribunals erleichert werde, sagte Del Ponte gegenüber der Tagesschau des Tessiner Fernsehens TSI. Milosevic werde in den nächsten Tagen, Montag oder Dienstag, vor dem Gericht erscheinen. «Wir bereiten uns auf viel Arbeit vor», meinte Del Ponte.
Auch in Bern wurde die Nachricht aus Belgrad begrüsst. «Die Schweiz hat immer alle Bestrebungen des Tribunals im Hinblick auf eine Verurteilung von Slobodan Milosevic unterstützt», sagte Ruedi Christen, Informationschef des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA).
Auslieferung kam unerwartet
Noch am Mittag hatte das jugoslawische Verfassungsgericht die zunächst mit Hilfe eines Regierungsdekrets geplante Auslieferung von Milosevic gestoppt. Das Gericht setzte das Dekret bis zu einer endgültigen Entscheidung aus. Der serbische Ministerpräsident Zoran Djindjic hatte nach der Gerichtsentscheidung gesagt, Serbien könne auch ohne das Dekret auf Grund entsprechender UNO-Resolutionen mit dem Haager Tribunal zusammenarbeiten.
Djindjic hatte mit weiteren Reformpolitikern argumentiert, für die Zusammenarbeit des Landes mit dem UNO-Tribunal sei das Dekret nicht nötig, denn die Regierung sei durch das Völkerrecht dazu verpflichtet.
Das verfassungsrechtliche Verbot, Bürger des Landes an einen anderen Staat auszuliefern, greife in diesem Fall nicht, denn Milosevic solle an eine UNO-Institution und nicht an einen Staat überstellt werden, sagte Djindjic.
Jugoslawiens Präsident Vojislav Kostunica, der signalisiert hatte, dass er den Beschluss der Richter respektieren werde, wurde offenbar von der Überstellung überrascht. Kostunica sei von der serbischen Regierung über den Entscheid nicht informiert worden, meldete die Nachrichtenagentur Tanjug. Er habe von der Überstellung Milosevics «aus den Medien erfahren».
Nach Bekanntwerden der Auslieferung versammelten sich rund 3’000 Anhänger Milosevics zu einer Demonstration in Belgrad.
Am Freitag findet in Brüssel eine internationale Geberkonferenz statt, von der Jugoslawien Wirtschafts- und Finanzhilfe in Milliardenhöhe erwartet. Milosevic saß seit dem 1. April wegen Amtsmissbrauchs und Veruntreuung in Belgrad in Untersuchungshaft.
swissinfo und Agenturen

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