Soldat gesteht Tötungsdelikt mit Armeewaffe
Ein 21-jähriger Schweizer Rekrut hat gestanden, in Zürich mit seinem Armeegewehr eine 16-Jährige erschossen zu haben.
Die Initianten der Volksinitiative für den Schutz vor Waffengewalt sehen sich in ihrer Forderung bestätigt: Armeewaffen gehörten ins Zeughaus.
Das Tötungsdelikt an einer Lehrtochter in Zürich-Höngg ist geklärt: Die 16-Jährige wurde von einem Soldaten mit einem Sturmgewehr erschossen.
Der Schweizer Rekrut hat bei der Einvernahme vom Montag zugegeben, den tödlichen Schuss abgefeuert zu haben.
Der in Zürich wohnhafte Mann befand sich am Freitag nach abgeschlossener Rekrutenschule auf dem Heimweg, wie die Zürcher Staatsanwaltschaft bekannt gab.
Offenbar war er von einem Augenzeugen gesehen worden. Dieser hatte ausgesagt, dass sich kurz vor der Tat im Bereich der Bushaltestelle Hönggerberg eine Person mit Tarnjacke und Sturmgewehr aufgehalten habe.
An Bushaltestelle erschossen
Das 16-jährige Opfer wartete am Freitagabend mit ihrem gleichaltrigen Freund an der Bushaltestelle, als sie von dem Schuss tödlich getroffen wurde.
Der genaue Tatablauf und das Motiv des Täters sind Gegenstand der weiteren Untersuchungen. Laut der zuständigen Staatsanwältin Catherine Nägeli gibt es nach wie vor keine Verbindung zwischen dem Mann und der getöteten jungen Frau.
Ob der Soldat den Schuss gezielt abgefeuert hatte oder ob er unter Alkoholeinfluss stand, wollte die Staatsanwältin nicht sagen.
Der 21-Jährige war am Sonntagabend formell verhaftet worden. Als Tatwaffe wurde ein Sturmgewehr sichergestellt.
Weshalb Munition dabei?
Gegen den Tatverdächtigen wurde Untersuchungshaft beantragt. Abgeklärt wird ausserdem, ob die Zuständigkeit an die Militärjustiz abgetreten wird.
Weshalb der Soldat Munition bei sich gehabt hatte, ist noch nicht bekannt. Gemäss dem Eidgenössischen Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) hat er wie alle anderen Soldaten bei der Entlassung am Ende der Rekrutenschule keine Taschenmunition erhalten.
Im September hatte der Nationalrat beschlossen, dass Wehrmänner keine Taschenmunition mehr nach Hause mitehmen dürfen. Ihre Ordonnanzwaffe dürfen sie aber bei sich behalten.
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Volksinitiative
Diskussion um Armeewaffen wieder entfacht
Durch den tragischen Fall wurde die Diskussion um die Lagerung des Sturmgewehrs zu Hause wieder entfacht. Die Initianten der Volksinitiative für den Schutz vor Waffengewalt sehen sich denn auch in ihren Forderungen bestätigt. Armeewaffen seien ein Sicherheitsrisiko und hätten daheim oder auf der Strasse nichts verloren, sagte Chantal Galladé, Nationalrätin der Sozialdemokratischen Partei (SP).
Laut Galladé sind für die am vergangenen 3. September lancierte Waffenschutz-Initiative bisher gegen 30’000 Unterschriften gesammelt worden. Die Initiative verlangt unter anderem, die Armeewaffe den Armeeangehörigen nicht mehr abzugeben und ein nationales Waffenregister einzurichten.
«Halber Schritt»
Verteidigungsminister Samuel Schmid, der derzeit in Afrika weilt, wollte zu allfälligen Konsequenzen vorerst keine Stellung nehmen. Erst müsse geklärt werden, was genau vorgefallen sei, sagte sein Sprecher Jean-Blaise Defago. Schmid habe sich aber sehr schockiert über den Mordfall gezeigt. Er drücke der Familie des Opfers sowie Freunden und Bekannten der getöteten jungen Frau sein Beileid aus.
Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey sagte gegenüber der Tagesschau des Schweizer Fernsehens, es sei inakzeptabel, dass eine junge Frau mit einer militärischen Waffe ermordet werde.
«Die Frauen bezahlen einen sehr hohen Preis. Und es stellt sich schon die Frage, ob man diese Waffen zu Hause lassen soll», sagte Calmy-Rey. Den Entscheid des Bundesrates, keine Taschenmunition mehr an Soldaten abzugeben, bezeichnete sie als «halben Schritt», der die Sache aber nicht regle.
swissinfo und Agenturen
In der Schweiz erlaubt es die Tradition den Armeeangehörigen, ihre militärische Ausrüstung, inklusive Waffe, zu Hause aufzubewahren.
Die Aufbewahrung der Armeewaffe im Kleiderschrank zu Hause wird seit einiger Zeit regelmässig kritisiert. Bei über 300 Todesfällen durch Erschiessen pro Jahr in der Schweiz sind Armeewaffen im Spiel.
Eine Volksinitiative «Zum Schutz vor Armeewaffen» wurde lanciert. Sie fordert ein Verbot von Armeewaffen zu Hause und deren Abgabe im Zeughaus.
Laut einer Umfrage vom letzten Frühjahr würden sich 65,6% der Bevölkerung für ein Verbot der Aufbewahrung von Armeewaffen zu Hause aussprechen. 37% sind der Ansicht, dass ein solches Verbot Familiendramen reduzieren würde.
Gesamthaft sind in der Schweiz schätzungsweise zwischen 1,2 und 2 Millionen Feuerwaffen im Umlauf.
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