Sonderpolizisten für EM-Hooligans
Die Schweiz sendet vier Polizei-Spezialisten an die Fussball-EM in Portugal. Sie sollen der lokalen Polizei helfen, gegen mögliche gewalttätige Schweizer Hooligans vorzugehen.
Die Schweiz spielt mindestens drei Gruppenspiele an der EM, eines davon gegen England. Die Polizei befürchtet Ausschreitungen.
Die Experten in Sachen Gewalt bei Fussball-Spielen weisen darauf hin, dass 99% der Schweizer Fussballfans als friedlich gelten. Sie seien nicht zu verwechseln mit dem kleinen Rest der gewaltbereiten Hooligans.
«Wir kennen die Gewaltbereiten und wir versuchen, zusammen mit der portugiesischen Polizei, diese Leute in der Zuschauer-Menge zu eruieren und zu isolieren», sagt Erich Minuz, «Hooligan-Detektiv» der Zürcher Kriminalpolizei.
Minuz reist mit zwei seiner Kollegen aus Zürich und Basel nach Portugal. Mit ihnen reist der Zürcher Verbindungsoffizier Roland Schibli, der die Schweizer «Anti-Hooligan-Delegation» leitet.
Vorerst sind die Beamten für die Gruppenspiele der Schweiz – gegen Kroatien (13. Juni), England (17. Juni) und Frankreich am 21. Juni – vor Ort.
Gewalttätige Hooligans
Schibli sagt gegenüber swissinfo, dass die Polizeidetektive rund um das Stadion aktiv sein würden, um bekannte Unruhestifter zu identifizieren.
«Wenn diese Leute sehen, dass wir sie ausfindig gemacht haben, dann werden sie sich weniger erlauben können, zumal noch in einem fremden Land», sagt Schibli.
Dass überhaupt eine solche Sondereinheit in Portugal mithilft, zeigt, dass die Gewalt bei Fussball-Spielen ein Problem ist, mit dem auch die Schweiz kämpft.
So beschädigten kürzlich Basler Fans das Fussball-Stadion in Thun. Dies nachdem Basel Schweizer Meister geworden war.
Regelmässig berichten die Schweizer Medien über Randale vor und nach Fussball-Spielen. Besonders zwischen den Anhängern von Basel und den beiden Zürcher Vereinen GC und FC Zürich kommt es immer wieder zu Zusammenstössen.
Erich Minuz schätzt, dass der harte Kern der Hooligans in der Schweiz aus rund 300 bis 400 Personen besteht. Diese würden jedoch vor allem nach Spielen der lokalen Vereine aktiv und weniger nach Spielen der Nationalmannschaft.
«Wir kennen eigentlich keine Gewalttaten nach Länderspielen, wie das in England, Deutschland, Holland oder auch in Italien zu beobachten ist», sagt Minuz. «So gesehen wissen wir eigentlich nicht, was uns in Portugal erwartet.»
Schweiz – England ein Risikospiel
Es könne sein, so Minuz, dass einzelne Gruppen von rund 20 Personen die Fussball-EM benutzen könnten, um sich einmal mit gewaltbereiten Fans aus andern Ländern zu messen.
«So denke ich, dass das Spiel gegen England ein grosse Risiko beinhaltet, weil sich einige wohl tatsächlich einmal mit den berüchtigten englischen Hooligans messen wollen», sagt Roland Schibli.
Er fügt an, dass der typische Schweizer Hooligan zwischen 15 und 35 Jahre alt sei und in seinen Taten einen gewissen «Nervenkitzel» suche.
«Es ist eine Art Männlichkeitsritual, man will in der Szene den harten Hund abgeben, zeigen wer die Nummer eins ist», erklärt Schibli.
Somit haben alle drei Gruppenspiele der Schweiz das Potenzial zur Ausschreitungen. Dabei wird es auch von der Tabellensituation abhängen, ob die Schweiz zum Beispiel um den Einzug in die nächste Runde kämpft oder nicht.
«Deshalb kann sogar das Spiel gegen Frankreich zum Problemfall werden, doch das ist reine Spekulation», ergänzt Schibli.
Kein Reiseverbot
Die Schweizer Polizei ist sich bewusst, dass es verhältnismässig schwierig ist, die potenziellen Hooligans davon abzuhalten, nach Portugal zu reisen.
Im Gegensatz zu Grossbritannien hat die Schweiz keine rechtliche Möglichkeit , Reiseverbote über Risikogruppen zu verhängen.
Die britische Regierung zum Beispiel kündigte bereits Anfang Monat an, dass sie rund 2500 Hooligans nicht nach Portugal reisen lasse.
«Wir können niemandem an der Ausreise aus der Schweiz hindern», sagt Schibli. «Ausser wenn er oder sie kein gültiges Reise-Dokument besitzt.»
Eine guter Riecher für Probleme
Generell glaubt die Schweizer Viermann-Delegation, dass sie gut vorbereitet ist, um potenzielle Unruhestifter zu identifizieren. «Es braucht viel eigenes Gespür, aber ich ‹rieche› einen Hooligan auf 100 Meter», sagt Minuz.
Es sei die Art, wie sie aufträten, sich bewegten. Auch ihre Kleidung entlarve sie oft.
«Irgendwie merkt man ja auch bei einem klassischen Konzert, wer nicht dazu gehört. Ich sehen den Leuten an, wenn sie sich nicht für eine Sache interessieren.»
So sei es auch bei den Hooligans bei einem Fussball-Spiel. Das Spiel beschäftige sie nicht. «Ihre Aufmerksamkeit richtet sich auf ganz andere Dinge.»
swissinfo, Jacob Greber
(Übertragung aus dem Englischen: Urs Maurer)
Vier Schweizer Polizei-Spezialisten werden als «Hooligan-Detektive» bei der EM in Portugal vor Ort sein und die portugiesische Polizei unterstützen.
Drei der Männer sind Polizeibeamte aus Zürich, einer aus Basel. Alle sind sie spezialisiert auf Gewalt bei Sportveranstaltungen.
Die Schweiz spielt in den Gruppenspielen gegen Kroatien, England und Frankreich.
Roland Schibli bezeichnet die Begegnung gegen England als «Hochrisko-Spiel»
Die Anzahl der gewaltbereiten Hooligans in der Schweiz liegt zwischen 300 und 400.
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