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Spuckender Bundesrichter soll zurücktreten

Zum Rücktritt aufgefordert: Spuckender Bundesrichter Martin Schubarth. Keystone

Das höchste Schweizer Gericht, das Bundesgericht, hat Martin Schubarth aufgefordert, die Konsequenzen aus dem "Spuck-Vorfall" zu ziehen und zurückzutreten.

Schubarth selbst hat sich noch nicht entschieden. Das Parlament kann Bundesrichter nicht entlassen.

Bundesrichter Martin Schubarth hatte am 11. Februar im Eingang des Bundesgerichts in Lausanne einen Journalisten der Neuen Zürcher Zeitung und einen Gerichtsschreiber bespuckt.

Er selber spricht von einem «Hustenanfall mit Auswurf». Er habe sich noch am gleichen Tag entschuldigt.

Am Mittwoch war dann das Gesamtgericht in Anwesenheit von Schubarth zusammengekommen, um den «Spuck-Vorfall» in der Eingangshalle des Bundesgerichts zu besprechen.

In Rechtssprechung nicht mehr eingesetzt

Nach eingehender und offener Diskussion sei entschieden worden, Schubarth mit sofortiger Wirkung als Mitglied des Bundesgerichts in der Rechtsprechung nicht mehr einzusetzen, gab das Gremium bekannt. Der Entscheid sei ohne Gegenstimme bei zwei Enthaltungen gefallen.

Das Gericht habe sich auf seine eigene Organistationskompetenz gestützt. «Das Gesamtgericht ist der Auffassung, dass Herr Bundesrichter Martin Schubarth den Rücktritt erklären sollte». Der Vorfall werde in aller Form missbilligt.

Am Donnerstag begründete Präsident Heinz Aemisegger das Vorgehen des Gerichts. Das Bundesgericht habe in einem fairen Verfahren eine ädäquate Lösung gefunden. Das Gericht habe die Aufgabe gehabt, die Interessen der Justiz zu wahren – und Schubarth ein faires, transparentes Vorgehen zu gewähren.

Geschäftsprüfungs-Kommissionen gefragt

Noch sei der Fall nicht erledigt, doch habe man nun eine Basis für das weitere Vorgehen. Falls Schubarth nicht zurücktrete, würden sich wahrscheinlich die Geschäftsprüfungs-Kommissionen beider Räte (GPK) mit dem Fall beschäftigen müssen, erklärte Aemisegger.

Die Präsidenten der Subkommissionen «Gerichte» wurden bereits aktiv. Sie beantragen, dass die Geschäftsprüfungs-Kommissionen eine Untersuchung am Bundesgericht durchführen. Der Entscheid soll in der bevorstehenden Frühlings-Session fallen.

Schubarth selber war am Dienstag von den Geschäftsprüfungs-Kommissionen des Parlaments angehört worden. Entscheide waren dabei nicht gefallen.

Schubarth hat sich noch nicht entschieden

Schubarth hat bis Donnerstag nicht auf die Forderung nach seinem Rücktritt reagiert. Er wolle «in der heutigen zugespitzten Situation und in seinem derzeitig schlechten Gesundheitszustand» vorerst keine Entscheide treffen, bekräftigte er Angaben vom Vortag».

Skepsis bei den Bundesrats-Parteien

Dass Bundesrichter nicht abgewählt werden können, sorgt nun in der Politik für Gesprächsstoff: Die Parteien beurteilen die Einführung eines Abwahlverfahrens für Bundesrichter nach dem Fall Schubarth skeptisch. Die Freisinnigen (FDP) und die Schweizerische Volkspartei (SVP) sprechen von einem «extremen Einzelfall».

Für CVP-Ständerat Bruno Frick ist die Abwahl schon heute möglich; bei solch extremen Fällen müsse das Parlament einen Richter einfach entlassen können. Die Sozialdemokraten (SPS) sprechen von einer Lücke in der Organisation desr Bundesjustiz. Sie plädieren daher für eine Gesetzesänderung.

Unbequemer Bundesrichter

Der 61-jährige Schubarth ist Titularprofessor an der Universität Basel. Er wurde vor mehr als 20 Jahren, am 29. September 1982, auf Vorschlag der SP zum Bundesrichter gewählt.

1990 wurde er vom eidgenössischen Parlament erst im zweiten Wahlgang als Bundesrichter bestätigt. Am Bundesgericht war Schubarth 1997/1998 Vizepräsident und 1999/2000 Gesamtgerichtspräsident. Von 1999 bis 2002 stand er als Präsident dem Kassationshof vor, bis er auf Druck das Abteilungs-Präsidentenamt abgab.

Schubarth war Mitglied der SP, im Dezember 2002 trat er jedoch aus der Partei aus.

swissinfo und Agenturen

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