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Suizidkapsel Sarco: Erster Todesfall und Verhaftungen in der Schweiz

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Die Suizidkapsel aus dem 3D-Drucker: Sarco wurde am 17. Juli in Zürich erstmals in der Schweiz gezeigt. Keystone / Ennio Leanza

Die Schweizer Landesregierung hat die umstrittene Suizidkapsel “Sarco“ diese Woche als nicht rechtskonform qualifiziert. Heute wurde bekannt: Die Kapsel wurde in der Schweiz bereits eingesetzt.

Die Organisation The Last Resort, die Sarco in der Schweiz betreibt, hat am Dienstag bekanntgegeben, dass ein erster assistierter Suizid mit der Kapsel stattgefunden hat.

Nach Angaben der Organisation ist am Montagnachmittag eine 64-jährige Amerikanerin mit gesundheitlichen Problemen nahe einer Waldhütte im Kanton Schaffhausen in der Kapsel gestorben.

Die Schaffhauser Polizei teilte am Dienstag mit, dass die Staatsanwaltschaft gegen mehrere Personen ein Strafverfahren wegen Verleitung und Beihilfe zum Suizid eröffnet hat und sich mehrere Personen in Polizeigewahrsam befinden.

Die Sarco-Kapsel wurde sichergestellt und die Verstobene wurde zur Obduktion in das Instituts für Rechtsmedizin Zürich (IRMZ) gebracht. Die Staatsanwaltschaft prüft zudem weitere Straftatbestände.

Haben Sie selbst Suizidgedanken oder kennen Sie eine Person, die Unterstützung benötigt? Dann kontaktieren Sie in der Schweiz die Dargebotene Hand, Telefon 143. E-Mail- und Chat-Kontakte finden Sie auf www.143.chExterner Link. Das Angebot ist anonym und kostenlos. Für Kinder und Jugendliche betreibt Pro Juventute die Telefonnummer 147, auch hier ist der Austausch per SMS, Chat und E-Mail möglich, alle Details auf www.147.chExterner Link.

Weitere Informationen und Kontaktstellen in den einzelnen Kantonen finden Sie auf www.reden-kann-retten.chExterner Link. Adressen für Menschen, die jemanden durch Suizid verloren haben, gibt es auf www.trauernetz.chExterner Link.

Eine Liste mit Hilfsangeboten in DeutschlandExterner Link finden Sie bei der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention, eine für Österreich bei der Suizidprävention AustriaExterner Link.

Umstrittene Kapsel

Sarco, erfunden vom australischen Arzt und Euthanasie-Befürworter Philip Nitschke und dem niederländischen Ingenieur Alex Bannink, verwendet Stickstoff, um durch eine Hypoxie bei dem Menschen in der Kapsel den Tod hervorzurufen.

Anders als eine tödliche Dosis Natrium-Pentobarbital, ist Stickstoff in der Schweiz frei verkäuflich und muss nicht von Ärzten verschrieben werden.

Die Entwickler von Sarco hatten auf einer Pressekonferenz im Juli in Zürich angekündigt, dass sie die «Weltpremiere» der Kapsel in der Schweiz planen würden, wo die Sterbehilfe legalisiert ist. Einige Kantone, darunter auch der Kanton Schaffhausen, warnten jedoch vor dem Einsatz der Kapsel.

Expertinnen und Experten waren sich uneins darüber, ob es ein Gesetz gibt, das den Einsatz der Kapsel regelt, und wenn ja, welches.

“Nicht rechtskonform“

Der Bundesrat hatte sich ausgerechnet diesen Montag zum ersten Mal öffentlich mit Sarco befasst. Und die zuständige Innenministerin Elisabeth Baume-Schneider stellte klar: Die Kapsel darf in der Schweiz nicht verwendet werden.

Innenministerin Elisabeth Baume-Schneider hat ganz klar gemacht: die Suizidkapsel Sarco darf in der Schweiz nicht verwendet werden.
Innenministerin Elisabeth Baume-Schneider hat ganz klar gemacht: die Suizidkapsel Sarco darf in der Schweiz nicht verwendet werden. Keystone / Anthony Anex

Die Bundesrätin sagte vor dem Schweizer Parlament in Bern während der Herbstsession, «dass Sarco in zweierlei Hinsicht nicht rechtskonform ist».

Erstens erfülle die Kapsel nicht die Anforderungen des Produktsicherheitsgesetzes, das die Sicherheit von Produkten regelt, die zu gewerblichen oder beruflichen Zwecken in Verkehr gebracht werden, und «darf daher nicht in Verkehr gebracht werden».

Zweitens entspreche die Verwendung von Stickstoff zum Zweck des Suizids nicht der Zweckbestimmung des Chemikaliengesetzes. Baume-Schneider betonte auch, dass die Verwendung von Stickstoff grundsätzlich in der Zuständigkeit der Kantone liege.

Die Organisation The Last Resort ist hingegen überzeugt von der Legalität der Kapsel.

Fiona Stewart, Gründungsmitglied der The Last Resort und Anwältin, schrieb in einer Erklärung, dass die Organisation zu jedem Zeitpunkt auf der Grundlage der rechtlichen Beratung durch ihre Anwälte gehandelt habe.

«Wir haben in den letzten zwei Jahren umfangreiche Rechtsgutachten von verschiedenen Fachleuten erhalten. Nach unserem Verständnis gibt es keine rechtlichen Hindernisse für den Einsatz von Sarco“, hatte sie bereits anlässlich der Pressekonferenz im Juli gesagt.

Pläne mit einer Doppelkapsel

Damals, im Sommer, hatte die Organisation bekanntgegeben, dass eine Amerikanerin die erste Benutzerin der Sarco-Kapsel sein solle. Die Erlaubnis zur Nutzung der Kapsel sei jedoch aufgrund ihres psychischen Zustands widerrufen worden. Die Frau ist später mit Hilfe einer anderen Schweizer Sterbehilfegruppe gestorben.

Kürzlich berichtete die “Daily Mail”, dass ein britisches Ehepaar im Alter von 86 und 80 Jahren das erste Paar sein werde, das sich – in einer von The Last Resort vorbereiteten Suizidkapsel für zwei Personen – das Leben nehmen soll.

Die Idee einer Kapsel für zwei Personen wurde von der Organisation bereits im Juli vorgestellt. Sie soll im kommenden Januar verfügbar sein.

Am Dienstag dominierte der Einsatz der Kapsel in der Schweiz die Schlagzeilen auf den Portalen der grossen Tageszeitungen. Reaktionen gab es auch im Parlament.

SVP-Nationalrätin Nina Fehr Düsel, welche die rechtliche Qualifizierung durch den Bundesrat angestossen hatte, kündigte gegenüber dem Tages-Anzeiger an, sie prüfe, ein Verbot der Kapsel zu beantragen.

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