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Swisscom-Ausstieg: Bundesrat im Gegenwind

Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen. Keystone

Der Plan der Schweizer Regierung, die Swisscom-Aktien des Bundes zu verkaufen, dürfte im Parlament auf heftige Opposition stossen.

Liberalisierungs-Experte Matthias Finger über die politischen Nachteile und die wirtschaftlichen Vorteile einer privatisierten Swisscom im Gespräch mit swissinfo.

Mit dem Ausstieg aus der Swisscom wolle er der ehemaligen Monopolistin einen grösseren Handlungsspielraum ermöglichen, erklärte der Bundesrat (Regierung) am Donnerstag.

Die Gewerkschaft Kommunikation bezeichnete diesen Plan als «Kriegserklärung» an den öffentlichen Sektor.

Der Rückzug des Bundes aus der Swisscom wäre «ein Fehler mit schweren Konsequenzen», fand Gewerkschafts-Präsident Christian Levrat.

Dass sich der Bundesrat damit in ein politisches Minenfeld begebe, prophezeit auch Matthias Finger von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (ETHL).

Finger ist Experte für die Liberalisierung der ehemaligen schweizerischen Staatsbetriebe.

swissinfo: Halten Sie es für eine gute Idee, dass der Bund seine Mehrheitsbeteiligung an der Swisscom aufgeben will?

Matthias Finger: Aus wirtschaftlicher Sicht macht es durchaus Sinn. Ob die Idee politische Unterstützung erhält, ist fraglich. Die Erklärung des Bundesrats ist eine Sache, eine ganz andere ist, was das Parlament dazu sagen wird.

Die Linksparteien werden sich dagegen wehren. Sie dürften mit der Versorgungssicherheit argumentieren, die ihrer Ansicht nach im offenen Markt nicht gewährleistet ist.

Sie werden auch wissen wollen, wer die öffentlichen Dienstleistungen erbringt, wenn die Swisscom kein staatseigener Betrieb mehr ist.

Im Parlament wird diese Entwicklung sicher nicht gut aufgenommen. Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.

swissinfo: Ist es sinnvoll, wenn die Regierung teilweise einen Telekomkonzern besitzt, wenn sie gleichzeitig die Liberalisierung des Marktes vorantreibt?

M.F.: Die Liberalisierung ankurbeln und gleichzeitig einen der Marktteilnehmer besitzen zu wollen ist ein offensichtlicher Widerspruch. Er kann nur gelöst werden, wenn die Regierung sich aus der Swisscom zurückzieht.

Auf diese Weise könnte sie sich ohne Interessenskonflikte auf die Regulierung des Sektors konzentrieren. Das ist die logische Konsequenz.

swissinfo: Wird die Privatisierung der Swisscom diesen Prozess beschleunigen?

M.F.: Nein, die Liberalisierung hat schon begonnen. Zwar wird noch über die letzte Meile diskutiert, ansonsten ist der Telekommarkt etwa im Vergleich zum Infrastruktur-Sektor schon weit gehend liberalisiert.

swissinfo: Was wären die wirtschaftlichen Vorteile für die Swisscom, wenn sich der Staat zurückzöge?

M.F.: Sie hätte die Freiheit, grössere Risiken einzugehen und weiter zu expandieren. Der Wettbewerb auf dem Telekommarkt wird immer härter, will die Swisscom darin bestehen, muss sie handeln. Verglichen mit internationalen Konzernen wie Vodafone und Orange ist sie ein kleiner Player.

Als historisches Monopol-Unternehmen kann die Swisscom jedoch nicht ins Ausland expandieren, und der Markt in der Schweiz ist zu klein. Bliebe sie ein Staatsbetrieb, könnte sie nur verlieren.

Noch ist sie eine gesunde Marktteilnehmerin. Wenn sie die Freiheit hätte zu handeln, könnte sie das auch bleiben.

swissinfo: Was geschieht, wenn das Parlament den Vorschlag des Bundesrats ablehnt?

M.F.: Der Swisscom würde damit grossen Schaden zugefügt, weil ihr Handlungsspielraum dadurch stark eingeschränkt bliebe. Sie könnte keine grösseren Risiken eingehen, weil ihre Strategie eher eine politische als wirtschaftliche Debatte wäre.

swissinfo-Interview, Matthew Allen
(Übertragung aus dem Englischen: Nicole Aeby)

Gegenwärtig hält der Bund 66% der Swisscom-Aktien, was 17 Mrd. Franken entspricht.

Die Papiere sind auf rund 64’000 Aktionäre verteilt, von denen die Mehrheit aus der Schweiz stammt.

Es gibt 12 Grossaktionäre, die mehr als 100’000 Aktien halten.

Das Marktmonopol verlor die Swisscom vor 8 Jahren.

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