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Terrorverdächtige: Dick Marty kritisiert UNO-Liste

Dick Marty: Kämpfer für die Respektierung der Grundrechte. Keystone

Der CIA-Berichterstatter des Europarats Dick Marty hat das Schweigen rund um die vom UNO-Sicherheitsrat erstellte Schwarze Liste kritisiert. Diese Liste bedeute eine Erosion der Grundrechte.

Die UNO listet die Verdächtigen ohne Beweise auf und informiert diese auch nicht. Laut Marty diskreditiert das den internationalen Kampf gegen Terrorismus.

Gemäss dem Tessiner Ständerat stehen 362 Namen von Verdächtigen auf der «Blacklist» der UNO, ebenso 125 Firmen und Organisationen.

Sie stünden angeblich mit Terroristen in Verbindung, erklärte der freisinnige Tessiner Ständerat am Mittwoch am Rande einer Expertenkonferenz zu Terrorismus in Strassburg.

Die Liste selber ist zwar im Internet abrufbar. Marty kritisierte aber, dass die Betroffenen nicht die Möglichkeit hätten, «sich Gehör zu verschaffen und Einspruch einzulegen».

Massive Einschränkungen

Dies sei eine «unverhüllte Ungerechtigkeit», die «die gefährliche Aufweichung von grundlegenden Rechten und Freiheiten» im Rahmen der Terrorbekämpfung verdeutliche, sagte der Tessiner.

Die Erfassung als Verdächtige bedeutet, dass die Gelder der betreffenden Personen eingefroren werden und sie nicht mehr reisen dürfen. Diese Prozedur wird von einem Komitee in New York überwacht, das hinter geschlossenen Türen tagt und auf Geheiss von Mitgliedern des UNO-Sicherheitsrats aktiv wird.

Beispielhafter Fall Youssef Nada

Marty führte den Fall des ägyptisch-italienischen Doppelbürgers Youssef Nada an, der beschuldigt worden war, islamistische Gruppen finanziert zu haben, die Verbindungen zu den Anschlägen vom 11. September 2001 hatten.

Das Verfahren wurde im Frühling 2005 wegen mangelnder Beweislage eingestellt, Nada figuriert aber immer noch auf der Liste der Personen mit mutmasslichen Verbindungen zum Terrorismus. Der Antrag, seinen Namen zu streichen, ist beim Bundesamt für Justiz in Bern hängig.

Der Bundesrat sei nicht auf Nadas Antrag zur Streichung seines Namens eingegangen, habe den Fall aber ans Bundesgericht weitergeleitet, sagte Folco Galli, Sprecher des Bundesamtes für Justiz, am Mittwoch. Nada habe gemäss Europäischer Menschenrechtskonvention das Recht, seine Nennung auf der Liste anzufechten.

Die Schwarze Liste der UNO war 1999 eingeführt worden, um Sanktionen gegen die Taliban in Afghanistan durchzusetzen. 2005 wurde sie auf alle mutmasslichen Helfer des El-Kaida-Netzwerkes ausgedehnt, um das Einfrieren von Konten und die Überwachung von Reisebewegungen Verdächtiger zu erleichtern.

Marty beugt sich auch über eine ähnliche EU-Liste

Marty, der in der Frage illegaler Entführungen von Terrorverdächtigen durch den US-Geheimdienst CIA ermittelt, will seine Untersuchungen nun auf eine ähnliche Liste der EU ausweiten.

Auf ihr befinden sich die Namen von 26 Verdächtigen und 28 Organisationen von den afghanischen Mudschahedin über die radikalislamische Hamas bis zur baskischen Untergrundorganisation ETA. Anders als die UNO hat sich die EU aber verpflichtet, die Betroffenen zu informieren.

No Comment des EDA

Im Schweizer Aussenministerium nimmt man zu der in Strassburg geäusserten Kritik der Praktiken des UNO-Sicherheitsrats von Dick Marty nicht Stellung.

Laut Carine Carey, Sprecherin des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) stellt ein multilaterales Rahmenwerk zwar eine wichtige Säule im Kampf der Schweiz gegen den Terrorismus dar.

Andererseits sollte laut Carey das Entwickeln bindender Instrumente gegen den Terrorismus nicht allein vom UNO-Sicherheitsrat unternommen werden, sondern von allen UNO-Mitgliederstaaten.

Die Schweiz glaube, dass klare und faire Prozeduren, wie Personen und Organisationen auf eine Sanktionsliste gesetzt und wieder entfernt werden, zur effektiven Durchsetzung von Sanktionen durch UNO-Mitgliederstaaten beitrage.

swissinfo und Agenturen

Die Attacken am 11. September 2001 gegen die USA haben den Kampf gegen den internationalen Terrorismus beschleunigt.

Auch die Schweiz hat ihr Sicherheits-Dispositiv verstärkt.

2002 vereinbarten Bern und Washington ein «Operating Working Arrangement» (OWA), um die Nachforschungen im Zusammenhang mit den September-Attentaten zu vereinfachen.

Ein im März 2007 vom Parlament gutgeheissenes neues Abkommen erlaubt Nachforschungen auch über den Bezug zum 11. September hinaus.

Ständerat Dick Marty hatte in einem letztes Jahr für den Europarat veröffentlichen Bericht die Hilfestellungen verschiedener europäischer Länder an die CIA kritisiert.

Diese wird verdächtigt, in der Terrorabwehr illegale Mittel eingesetzt und sich über die Menschenrechte hinweg gesetzt zu haben.

7. Januar 1945: Dick Marty wird in Lugano geboren.
1975: Promotion in Rechtswissenschaften an der Uni Neuenburg.
1975-1989: Tätigkeit als Staatsanwalt.
1989-1995: Regierungsrat.
1995: Wahl in den Ständerat für die FDP.
Ab 1999 Mitglied des Europarats.
Ab 2005 präsidiert er die Rechts-Kommission und die Kommission für Menschenrechte des Europarats.
November 2005: Marty wird Sonderermittler des Europarats zu den umstrittenen CIA-Gefangenentransporten.

1945: Geburt in Lugano.
1975: Promotion als Jurist in Neuenburg.
1975-1989: Staatsanwalt.
1989-1995: Regierungsrat.
1995: Wahl in den Ständerat für die FDP.
Ab 1999 Europarat.
Ab 2005 Präsidium der Rechts- und Menschenrechts-Kommission des Europarats.
November 2005: Marty wird Sonderermittler des Europarats zu umstrittenen CIA-Gefangenentransporten.

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