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Tierschützer lassen die Peitsche knallen

Ferkel können vom verschärften Tierschutzgesetz profitieren. swissinfo.ch

Das Parlament hat am Dienstag die Debatte über das Tierschutzgesetz wieder aufgenommen. Tierschützer erhöhen ihren Druck.

Sie sagen, die Änderungs-Vorschläge der Regierung seien zahnlos. Sie würden die Schweiz in der Liga der tierfreundlichsten Staaten Europas zurückstufen.

Der vom Bundesrat 2002 präsentierte Gesetzesentwurf soll die bestehenden Regeln besser umsetzen und die Information der Öffentlichkeit verbessern. So sollen Tierhalter geschult sowie Überwachungsstandards eingeführt werden.

«Wir wollen keine Regeln, die auf dem Papier gut aussehen, aber keine Wirkung haben, weil sie nicht in die Praxis umgesetzt werden können», sagt Marcel Falk, Sprecher des Bundesamtes für Veterinärwesen (BVET).

Laut Falk haben viele Hundehalter Lücken bei der Kenntnis des Tierschutz-Gesetzes. «So ist es legal, Hunde an die Kette zu legen – aber die Leute wissen oft nicht, dass sie die Tiere einmal pro Tag von der Kette zu befreien haben», sagt Falk gegenüber swissinfo.

Die grösste Tierschutz-Organisation der Schweiz, der Schweizer Tierschutz (STS) ist mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf nicht zufrieden. Er hat eine eigene Initiative eingereicht.

Zahnlos

«Die Regierung hat lediglich kosmetische Änderungen angebracht», sagt STS-Direktor Hansueli Huber. Das bestehende Gesetz sei nach 25 Jahren überholt. Es gehe nicht auf die veränderte Einstellung gegenüber den Tieren ein. Seiner Ansicht nach ist es zu stark auf die Berücksichtigung von Geschäftsinteressen ausgerichtet.

«Viele Menschen sehen Tiere jedoch als ihre Gefährten an. Sie sind der Ansicht, dass auch Bauernhoftiere ein angemessenes Leben führen dürfen», sagt Huber.

Die Tierschützer sagen, die Gesetzesvorlage reiche weder für den Schutz von wilden Zoo- und Zirkustieren und schon gar nicht für die sieben Millionen Schweizer Haustiere.

Weiter argumentieren sie, dass auch die Schweizer Landwirtschaft von den strengeren Bestimmungen profitieren könnte. «Unsere Bauern können nur überleben, wenn sie sich von den Billig-Importen durch Qualitäts-Produkte abheben. Und dies heisst auch, dass sie mit tierfreundlichen Methoden produziert worden sind», sagt Huber.

Er führt weiter ins Feld, dass das 1991 eingeführte Verbot von Batteriehennen zu keiner Eier-Absatzeinbusse geführt habe, obwohl Schweizer Eier drei Mal mehr als Import-Eier kosten.

Die Tierschutz-Lobby möchte die Schweiz wieder in die Reihe der tierfreundlichsten Länder Europas zurückführen. «Die Schweiz war eine Pionierin beim Verbot von Tierfabriken, aber andere Länder haben aufgeholt. Schweden ist restriktiver mit Tierexperimenten, und Österreich hat die Stelle eines Tierombudsmannes geschaffen», so Huber.

Hohe Standards

Die Bundesbehörden geben zu, dass die Schweiz an Boden verloren hat. «Es ist eine Tatsache, dass andere Länder in gewissen Bereichen aufgeholt haben, aber über das Ganze gesehen ist der Standard in der Schweiz sehr hoch», sagt BVET-Sprecher Marcel Falk. Zudem habe ja das Parlament begonnen, das vom Bundesrat vorgelegte Gesetz im Sinne der Tierschützer zu verschärfen.

Der Ständerat, die Kleine Parlamentskammer, genehmigte im letzten Oktober das Verbot der Kastration von unbetäubten Schweinen. Und der Nationalrat scheint gewillt, bei den Beratungen weitere Beschränkungen einzuführen.

Es scheint jedoch unwahrscheinlich, dass die Tierschützer die Zustimmung des Parlamentes zu einem Import-Verbot von geschächtetem Fleisch gewinnen werden.

«Schon aus praktischen Gründen wäre es schwierig, einige der Beschränkungen einzuführen, weil damit internationale Verträge verletzt würden. Andere Begehren, wie die Einführung eines Tier-Ombudsmannes, sind gegen das föderalistische System, welches den Kantonen einen hohen Grad an Autonomie zuteilt» erklärt Falk.

Die Tierschützer sind jedoch zuversichtlich, dass ihre Initiative die Abgeordneten dazu bringt, den Anliegen der Tiere mehr Rechnung zu tragen. Huber schliesst nicht aus, dass die Volksinitiative zurückgezogen wird, wenn die Politiker demonstrieren, dass sie auf die Hauptforderungen der Tierschützer eingehen.

1992 hatte das Schweizer Stimmvolk eine STS-Initiative zum Verbot von Tierexperimenten abgelehnt.

swissinfo, Urs Geiser
(Übertragung aus dem Englischen: Etienne Strebel)

In der Schweiz leben ungefähr 17 Mio. Tiere, inklusive über 7 Mio. Haustiere.
In den Schweizer Haushalten leben 1,3 Mio. Katzen und 400’000 Hunde.
Pro Jahr werden ungefähr 475’000 Tiere für Versuchszwecke gebraucht.
Etwa 63’000 werden jährlich genetisch manipuliert.

Das Parlament nimmt die Tierrechts-Debatte wieder auf. Es wird einen Gesetzesentwurf des Bundesrates beraten.

Darin sollen vorhandene Regelungen gesichert, die Information der Öffentlichkeit verbessert und eine bessere Ausbildung von Tierhaltern verankert werden.

Der Schweizer Tierschutz (STS), die grösste Tierschutz-Organisation des Landes, hat eine Initiative eingereicht, die Einfuhrverbote, die Beschränkung von Tierexperimenten und die Installation eines Tier-Ombudsmannes beinhaltet.

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