Tordiskussion vom Stammtisch verbannt
Torkamera ja, Videobeweis nein - die Technologie hält im Fussball in kleinen Schritten Einzug.
Der Weltverband FIFA will die Torlinien-Technologie noch in diesem Jahr einführen. Der Videobeweis dagegen findet bei FIFA-Präsident Josef Blatter keine Unterstützung.
Der bekannteste Treffer in der Geschichte des Fussballs war wahrscheinlich gar keiner.
Im Final der Weltmeisterschaft 1966 gegen Deutschland knallte der Engländer Geoff Hurst den Ball an die Latten-Unterkante.
Das Leder sprang zurück auf den Rasen – vor, auf oder hinter die Linie? Eine eindeutige Antwort wird es nie geben.
Der Schweizer Unparteiische Gottfried Dienst entschied auf Tor. Dank dem legendären «Wembley-Tor» wurde England erstmals Weltmeister.
Mit seinem Entscheid löste der Ref eine Diskussion aus, die wohl nie versiegen wird.
Technische Unterstützung
Geht es nach dem Weltfussball-Verband FIFA, wird zumindest die Unklarheit, ob Tor oder nicht, schon bald der Vergangenheit angehören. Die «Torlinien-Technologie» soll in Zukunft die Schiedsrichter in ihren Entscheidungen unterstützen.
An jedem Torpfosten wird je eine Kamera angebracht, welche die Torlinie in ihrem Fokus halten wird. Überquert ein mit einem Chip präparierter Ball die Torlinie in seinem ganzen Umfang, wird dies dem Spielleiter per Funk signalisiert.
Für Euro 2008 einsatzbereit
Ihre Nagelprobe wird die «Torkamera» noch in diesem Jahr an der Klub-WM 2007 offiziell zu bestehen haben.
Für 2008 hofft dann der Weltverband, dieses Know-how auch an der Euro in Österreich und der Schweiz offerieren zu können.
Videobeweis vorerst vom Tisch
Kein Musikgehör hat der FIFA-Präsident dagegen für den Videobeweis. In seinen Entscheidungen, ob Foul, Penalty, Tätlichkeit oder Abseits wird der Schiedsrichter auch weiterhin bestenfalls von seinen Assistenten unterstützt.
Auf keinen Fall aber von einem «Technischen Oberschiedsrichter», der – wie im American Football – in strittigen Szenen konsultiert wird.
Blatter begründet das so: «Fussball ist ein Spiel mit menschlichem Gesicht, mit Irrtümern von Menschen – von Trainern, Spielern und Schiedsrichtern. Man kann am Stammtisch stundenlang über Entscheide der Schiedsrichter diskutieren – das sollte man so lassen.»
Nicht nur Zustimmung
In seiner Haltung wird der Walliser vor allem von jenen unterstützt, die befürchten, Fussball verkomme mit dem Videobeweis zur High-Tech-Veranstaltung, die bei jeder Kleinigkeit unterbrochen würde.
Kurze Spiele – lange Diskussionen – damit erntet der Walliser aber nicht nur Zustimmung. Arsène Wenger, der Trainer von Arsenal London, ist ein unermüdlicher Befürworter des Videobeweises: «Die Trainer haben eine Zeitlupe an der Seitenlinie, die Journalisten haben eine auf der Tribüne – nur die Schiedsrichter lässt man im Dunkeln. Der Videobeweis wäre ihre Rettung.»
swissinfo, Christoph Krebs
Der Videobeweis bezeichnet im Sport die Zuhilfenahme der Kamerabilder zur Ergänzung oder Korrektur der Schiedsrichter-Entscheidungen.
American Football: In der US-Profiliga kann der Headcoach eines der Teams fast jede Entscheidung der Schiedsrichter überprüfen lassen. Der Hauptschiedsrichter (White-Head) benutzt eine spezielle Videokabine, in der er unter Zuhilfenahme aller verfügbaren Fernsehbilder die Entscheidung überprüft.
Eishockey: Der Videobeweis wird in einigen Ligen zugelassen, um zu überprüfen, ob der Puck die Torlinie überschritten hat. Dazu gibt es eine spezielle Kamera über dem Tor.
Basketball: In der amerikanischen Basketball-Liga NBA wird der Videobeweis nur dazu benutzt, festzustellen, ob der Ball bei Ertönen der Sirene die Hand bereits verlassen hatte.
Joseph S. (Sepp) Blatter (70) ist seit 1998 Präsident des Fussball-Weltfussballverbandes FIFA.
Der Walliser (Geburtsort Visp) trat 1975 in den Dienst der FIFA als Direktor der FIFA-Entwicklungsprogramme ein.
Von 1981 bis 1998 war Blatter Generalsekretär der FIFA.
Seit 1999 ist er auch Mitglied im Internationalen Olympischen Komitee IOC.
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