Tranquillo und Johan, gross gewordene «Titanen»
Für die in letzter Minute nach Portugal gerufenen Johan Vonlanthen und Tranquillo Barnetta ist ein Traum Wirklichkeit geworden.
Die klar Besten der «Titanen», der Schweizer U-21-Mannschaft, profitierten von einer Verkettung von Umständen – und ergänzen nun die National-Mannschaft von Köbi Kuhn in Portugal.
«Des einen Pech, des andern Glück!» Für Vonlanthen und Barnetta bekommt das Sprichwort an der Atlantikküste seine Gültigkeit.
Die beiden sitzen nebeneinander in einem der prunkvollen Salons des Hotel Marriott Praia d’El Rey und stehen den Medien Rede und Antwort. Und sie geniessen eindeutig ihr Glück, an einem aussergewöhnlichen Abenteuer teilnehmen zu können. Aber sie lassen sich nicht blenden.
Sie wissen genau, dass sie ohne die Verletzungen von Marco Streller, Léonard Thurre und Johann Lonfat, ohne den seltsamen Verzicht von Davide Chiumiento, der seine Chancen wahren wollte, eines Tages für Italien zu spielen, und ohne eine sehr gute EM der «Titanen», der Schweizer U-2-Mannschaft, heute nicht in Portugal wären.
Dieses Zusammentreffen von Umständen zwang Nationaltrainer Köbi Kuhn, seine Strategie im letzten Moment anzupassen. Deshalb kamen Johan und Tranquillo in Portugal zu Ehren.
Am ersten Match der Schweiz gegen Kroatien am Sonntag blieben die beiden «Joker» auf der Ersatzbank.
Vonlanthen kam nun im Spiel gegen England doch noch zum Einsatz. Spielen oder nicht – die beiden geniessen ihr Abenteuer voll und ganz.
Keine Integrationsprobleme
«Wir haben kein eigentliches Ziel», versichern die beiden übereinstimmend. «Wir stehen dem Trainer zur Verfügung, und wenn er uns einsetzen will, sind wir bereit.»
Denn Johan und Tranquillo hatten Zeit, sich dem Team anzupassen.
Die «Titanen» sind erwachsen geworden und laufen im Training mit dem Trainerduo Köbi Kuhn und Michel Pont heute problemlos neben ihren bekannten Teamkollegen her.
«Abgesehen vom Druck durch die Medien ist die Atmosphäre in der Nati nicht viel anders als was wir von der U-21 her kennen», meint Barnetta.
«Auf jeden Fall müssen wir den ersten Schritt tun und zeigen, dass wir uns im Team einordnen wollen. Die anderen Spieler sind sehr korrekt, sie haben uns offen aufgenommen», fügt Vonlanthen bei.
Von einem Vonlanthen zum andern
Vonlanthen ist mit seinen 18 Jahren und vier Monaten einer der Jüngsten an der EM in Portugal (nur der russische Torhüter Igor Akinfeev ist noch jünger).
Aber seine neue Stellung beeindruckt ihn nicht. Da er bereits mit Johann Vogel im holländischen Klub PSV Eindhoven spielt, hat er auch schon recht gute internationale Erfahrungen.
Sein Stil erinnert im Übrigen etwas an seinen Vorgänger Roger Vonlanthen. Wie sein Namensvetter – der die Schweizer an der WM 1954 angeführt hatte – ist auch Johan schnell und seine Pässe sind oft entscheidend.
Nachdem er im letzten November von sich reden gemacht hatte, als er kategorisch ankündigte, er wolle eines Tages für Kolumbien spielen, hat sich der durch Adoption Berner gewordene nun doch anders entschieden.
«Ich habe seither viel nachgedacht, und wenn ich meiner Sache nicht sicher wäre, wäre ich heute nicht in Portugal», schliesst der Spieler, der am Freundschaftsspiel der Schweiz gegen Liechtenstein in Zürich zum ersten Mal selektioniert worden war.
Nicht zuviel Druck
Tranquillo Barnetta dagegen hat sich nie auf seinen italienischen Ursprung bezogen. Und er spricht viel lieber die Sprache Goethes als jene Dantes.
Er war dabei als die Schweizer Mannschaft der unter 17-Jährigen vor zwei Jahren Europameister wurde. Der frühere St. Galler Spieler wird übrigens in der nächsten Saison in der deutschen Meisterschaft spielen.
Er steht bei Bayer Leverkusen unter Vertrag, sollte aber ein Jahr lang für den Klub Hannover 96 spielen. Eine Teilnahme an dieser EM in Portugal, wie flüchtig auch immer, wäre für ihn also eine gute Empfehlung.
«Man sollte sie nicht unter allzu viel Druck setzen», warnt jedoch der Stürmer der Schweizer Mannschaft, Alexandre Frei.
Und schliesst: «Es sind zwar junge Talente, aber durch sie wird bestimmt kein Match entschieden.»
swissinfo, Mathias Froidevaux und Doris Lucini in Priai d’El Rey
(Übertragung aus dem Französischen: Charlotte Egger)
Johan Vonlanthen (1.2.1986) und Tranquillo Barnetta (22.5.1985) sind 18, bzw. 19 Jahre alt.
Als Mitglieder der U-21 wurden sie im letzten Moment von National-Trainer Köbi Kuhn in die Nationalmannschaft berufen.
Bevor man sie nach Portugal holte, spielten Vonlanthen und Barnetta an der EM der U-21 in Deutschland für das Schweizer Team.
Nachdem sich Marco Streller, Léonard Thurre und Johann Lonfat verletzt hatten, holte Nationaltrainer Köbi Kuhn Vonlanthen und Barnetta in die Nationalmannschaft.
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