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Transferzeit für Herzchirurgen

Thierry Carrel: Heiss umworbener Herzchirurg sorgt für Stirnrunzeln. Inselspital Bern

Der weltbekannte Herzchirurg Thierry Carrel sollte von Bern nach Zürich wechseln. Doch der Transfer kommt nicht zu Stande.

Mehr und mehr gleicht das Abwerben von Spitzenmedizinern den Gepflogenheiten im Sport. Das Schweizer Gesundheitssystem macht es möglich.

Die folgende Meldung vom 23. November sägte am Selbstwertgefühl Berns. Einmal mehr schien das übermächtige Zürich einen Sieg über die Bundesstadt zu erringen:

«Der Berner Herzspezialist Thierry Carrel wechselt ans Universitätsspital Zürich und wird ab Juni 2005 Leiter der Klinik für Herz- und Gefässchirurgie. Carrel tritt die Nachfolge von Marko Turina an, der Ende August altershalber zurücktrat.»

Bern kam ins Grübeln

Wenig später schrieb die «Berner Zeitung» von der Beamtenstadt Bern, dass diese sich kaum mehr bewege, dass die Politik nur noch mit sich selber beschäftigt sei. Ein «vertrackter Selbstverhinderungsdrang» ziehe sich durch Berns jüngere Geschichte.

Der Fall des Herzspezialisten Thierry Carrel illustriere genau das. «Stars wie Carrel sind Bernern zwar suspekt, trotzdem huldigt man ihnen – besonders wenn sie weggehen», so die BZ weiter.

Doch dann entwickelt sich die Geschichte um den Herzspezialisten anders als erwartet: «Carrel sagt ab und bleibt in Bern», melden die Nachrichtenagenturen am 30. November.

Geld sei nicht geflossen

Hat das Inselspital Bern oder gar der Kanton Bern die Transfersumme erhöht?

Nein, sagte der Direktor des Berner Inselspitals, Urs Birchler. Carell verdiene in Bern jährlich rund eine halbe Million Franken; der Verdienst setze sich zusammen aus dem ordentlichen Professorengehalt von 220’000 Franken sowie Honoraren aus der Behandlung von Privat- und Halbprivatpatienten von rund 280’000 Franken.

Herzchirurg Carrel selber sagte gegenüber der «Berner Zeitung», dass er zwar gerne nach Zürich gezogen wäre. «Aber ich habe die politische Dimension und den Medienrummel unterschätzt.» In Zürich schüttelten sie darob den Kopf.

Gesundheits-Föderalismus

Diese «politische Dimension», von der Carrel spricht, hängt mit dem Schweizer Gesundheitssystem zusammen. Die «Gesundheit» ist in der Schweiz Sache der Kantone.

Das führt unter anderem dazu, dass vor allem die Universitätskantone untereinander in Konkurrenz stehen. Aber es führt auch dazu, dass Kantone Kliniken und Spitäler unterhalten, die oft zu gross und damit zu teuer sind.

Die ständig steigenden Gesundheitskosten in der Schweiz drücken immer stärker auf die Budgets der Familien aber auch der Einzelpersonen. Die öffentliche Hand muss deshalb die Ausgaben zurückfahren.

Keine Herztransplantionen mehr in Zürich

Thierry Carrel begründete seine Absage an Zürich auch damit, dass die zuständigen Instanzen in Zürich drei Tage nach seiner Ernennung entschieden hätten, am Unispital keine Herztransplantationen mehr ausführen zu lassen.

Für ihn gehört aber die Transplantation von Herzen zwingend zum Gebiet der Herzchirurgie, wenn diese operativ und wissenschaftlich auf höchster Ebene durchgeführt und betrieben werden soll.

Zur selben Zeit, wie das Gerangel um den Herzspezialisten Carrel die Gemüter bewegte, traten die Gesundheitsdirektoren der Kantone auf den Plan und verkündeten,dass die hochspezialisierte Medizin in der Schweiz künftig konzentriert und von den Kantonen gemeinsam geplant werden soll.

«Fälle wie jenen des Herzchirurgen Thierry Carrel werde es nicht mehr geben», schreiben die Gesundheitsdirektoren.

Konkret sollen – um Kosten zu sparen – in der Schweiz Herztransplantationen nur noch an den Universitätsspitälern von Bern, Basel und Lausanne durchgeführt werden. Genf, St. Gallen und eben auch Zürich verzichten darauf.

Noch fehlen die Unterschriften

Beobachter in der Schweiz sind sogar der Meinung, die rund 50 Herztransplantationen pro Jahr in der Schweiz könnten problemlos an einem Standort durchgeführt werden.

Dass noch drei Spitäler über die teure Infrastruktur verfügen müssten, da werde aus Prestigegründen viel Geld verschleudert, heisst es weiter.

Doch, ob Zürich klein beigeben wird, ist zur Zeit äusserst fraglich, denn das Abkommen der Gesundheitsdirektoren wurde von den Kantonen selber noch nicht ratifiziert.

Die Zürcher Unidirektoren liessen bereits verlauten: «Wir lassen das Uni-Spital (USZ) nicht zum mittelmässigen Versorgungsspital degradieren.»

Es bestehe der «unbedingte und unabdingbare Wille, das USZ als eines der besten Universitätsspitäler Europas zu positionieren und zu halten». Dazu gehöre die ganze Transplantationsmedizin.

swissinfo, Urs Maurer

Thierry Carrell wurde am 23. Mai 1960 in Fribourg geboren.
Medizinstudium in Fribourg und Bern.
Habilitation an der Universität Zürich (1990).
1996 Ernennung zum Titularprofessor und per 1. Oktober 1998 zum Ordinarius und Direktor der Klinik für Herz- und Gefässchirurgie.

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