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Treffen mit Missionaren des Friedens in Hebron

Micheline Calmy-Rey besuchte den alten Markt von Hebron. Keystone

Die Schweiz ist Teil der internationalen Präsenz in Hebron (TIPH). Einer Stadt, die die Zeichen der israelisch-palästinensischen Zerrissenheit trägt.

Die Schweizer Aussenministerin Micheline Calmy-Rey hat die Stadt besucht und die Auswirkungen der israelischen Siedlungen auf das Leben der Palästinenser gesehen.

Strassensperren. Siedlungen im Herz der palästinensischen Territorien des Westjordanlandes. Die fertiggestellte oder noch im Bau befindliche «Sperranlage». Der Autobus, der mit der Aussenministerin unterwegs ist, passiert all diese Symbole der israelischen Besatzung.

Von Ramallah, wo die Schweiz seit 2001 eine diplomatische Vertretung betreibt, fährt der Konvoi Richtung Hebron. Er passiert Kiryat-Gate, einen diplomatischen Checkpunkt, wo weniger streng kontrolliert wird als an den anderen Übergängen. Vier sehr junge israelische Soldaten mit vor eisiger Kälte gerötetem Gesicht winken die Fahrzeuge nach einem kurzen Blick durch.

Eine Stadt erstickt in der Stille

Weiter auf dem Weg erwarten die unbewaffneten palästinensischen Sicherheitskräfte aus Hebron die Besuchenden. Mit heulenden Sirenen eskortieren sie den Konvoi. Aber die Strass ist leer, es gibt keine Hindernisse. Die Stadt scheint in der Stille zu ersticken. Keine Einwohner sind zu sehen.

«Es ist die einzige Stadt im Westjordanland – Jerusalem ausgenommen – in deren Mitte es Siedlungen gibt», sagt Suzanne Leuenberger. Vier israelische Siedlungen mit 600 Siedlern machen das Leben von 120’000 Palästinensern und Palästinenserinnen beinahe unmöglich: Sie werden von den Siedlern und der israelischen Armee, die diese beschützt, in die Zange genommen.

Die Genferin Leuenberger gehört zur internationalen Beobachtermission in Hebron (TIPH). Sie ist sich der Risiken bewusst. Die Erinnerung an die Ermordung ihrer Kollegen Catherine Berruex aus der Schweiz und Tungun Cengiz aus der Türkei können sie aber nicht davon abhalten, an ihre Aufgabe zu denken. Und an die Aufgabe der Schweiz.

Die Rache der Siedler

«Die Schweiz hat als Depositarstaat der Genfer Konventionen gewisse Verpflichtungen in Konfliktregionen, vor allem in Palästina», sagt sie.

Der Alltag der Beobachterinnen und Beobachter scheint sich in den vergangenen Wochen beruhigt zu haben. Ganz bestimmt seit der Wahl von Mahmud Abbas zum neuen Präsidenten der palästinensischen Autonomiebehörde.

Vor den Anfeindungen der israelischen Siedler schützt das die Missionsteilnehmer, die vor allem der palästinensischen Bevölkerung der Stadt ein Gefühl von Sicherheit vermitteln sollen, aber nicht. «Jene die glauben, dass ihnen das Land von Gott gegeben wurde», sagt eine Beobachterin.

«Es kommt vor, dass man uns mit Steinen bewirft oder als Nazis beschimpft», unterstreicht Leuenberger. Die israelischen Siedler sähen sie als Komplizen der Palästinenser. Paradoxerweise werden die Mitglieder der TIPH auch von Palästinensern beschimpft, die kein Licht am Ende des Tunnels sehen könnten. Solche Beleidigungen seien aber seltener.

Ein Netz schützt den Markt

Die zentrale Aufgabe der TIPH und ihren Missionaren des Friedens ist die Dokumentation von Verstössen gegen die Menschenrechte und das Völkerrecht. Sie verfassen unparteiische, neutrale Berichte die der israelischen Armee, den unbewaffneten palästinensischen Sicherheitskräften und Vertretern der sechs Länder der TIPH zugestellt werden.

Laut der Beobachtermission leidet die palästinensische Bevölkerung am stärksten. Die Siedlungen wachsen weiter. Die israelische Armee verbietet es den Palästinensern in grossen Teilen der Stadt mit ihren Autos zu fahren und sie verfügt die Schliessung von Geschäften. Die Wirtschaft liegt im Sterben, die Arbeitslosigkeit explodiert.

Beleidigungen erschallen und Steine regnen täglich auf die arabische Bevölkerung herab. «Diese Art der Belästigung von Schulkindern durch Siedler konnten wir unterbinden», heisst es seitens der TIPH. «Wir haben die israelische Armee gebeten, die Kinder auf dem Schulweg zu begleiten.»

Ein Rundgang auf dem alten Markt von Hebron, dem Souk, illustriert vielsagend die Situation der palästinensischen Bevölkerung, wie auch Aussenministerin Calmy-Rey feststellen konnte: Über den engen Strassen des Marktes sind Netze gespannt, um die Händler von Steinen, Sand und verdorbenem Fleisch zu schützen.

swissinfo, Jugurtha Aït-Ahmed, Hebron
(Aus dem Französischen von Philippe Kropf)

Micheline Calmy-Rey besuchte am Freitag in Hebron das Monument, das im Gedenken an Catherine Berruex und ihren türkischen Kollegen errichtet wurde, die 2002 von Palästinensern erschossen wurden.

Die Beweggründe der Mörder der beiden TIPH-Beobachter sind unbekannt. Zwei der Attentäter wurden von der israelischen Armee erschossen, der dritte sitzt in Israel in Haft.

Am 25. Februar 1994 erschoss der israelische Siedler Baruch Goldstein über 50 Araber beim Gebet in der Moschee.

Die Vereinten Nationen verurteilten das Massaker und riefen nach einer internationalen Präsenz in Hebron.

Die internationale Beobachtermission (TIPH) ging aus Verhandlungen zwischen der palästinensischen Befreiungsorganisation PLO und der israelischen Regierung zwischen 1994 und 1997 hervor.

Die TIPH will das Gefühl der Sicherheit der Bevölkerung verbessern und die Stabilität fördern um die wirtschaftliche Situation zu verbessern.

Die TIPH besteht aus Beobachtern aus Norwegen, Italien, Dänemark, Schweden, der Türkei und der Schweiz.

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