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UNO-Abkommen: Kampf gegen Diskriminierung von Frauen

Demonstration für Gleichstellung vor dem Bundeshaus. Keystone Archive

Die Schweiz als "Heimat" der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts sollte auch bei der Gleichstellung von Mann und Frau ein Vorbild sein: Dies erklärte das UNO-Komitee zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung von Frauen in New York.

Das Komitee überwacht die Umsetzung der UNO-Konvention gegen die Diskriminierung von Frauen von 1979.

Eine Schweizer Delegation stellte dem Ausschuss an einer Sitzung Anfang Woche den aktuellen Staatenbericht über die Umsetzung des Übereinkommens vor und musste sich den kritischen Fragen der Expertinnen und Experten stellen.

«Zwischen der in der Bundesverfassung festgelegten Gleichberechtigung von Mann und Frau und der Realität klafft immer noch eine Diskrepanz. Mit der faktischen Gleichberechtigung hapert es in verschiedenen Bereichen bis heute, auch wenn es Fortschritte gibt.»

So lautete das Fazit der Leiterin der Delegation, Marion Weichelt, Vizedirektorin der Direktion für Völkerrecht im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA).

Regelmässige Berichte zur Umsetzung

Die Schweiz hat das Abkommen (Convention on the Eliminiation of All Forms of Discrimination against Women, CEDAW) 1997 ratifiziert. Die Vertragsstaaten müssen dem CEDAW-Komitee alle vier Jahre einen Bericht vorlegen, der darlegt, welche Massnahmen ein Land ergriffen hat, um das Abkommen umzusetzen.

Die Schweiz hat in New York nun ihren dritten Bericht präsentiert. Er wurde im April 2008 von der Landesregierung genehmigt und enthält Ausführungen zur rechtlichen, politischen und gesellschaftlichen Entwicklung seit 2003.

Das Komitee stützt sich bei seinen Fragen neben dem Staatenbericht auf weitere Informationen, etwa auf so genannte Schattenberichte der Nichtregierungs-Organisationen (NGO).

Nach der Präsentation eines Staatenberichts erstellt das Komitee – 23 unabhängige Expertinnen und Experten – Empfehlungen an den betreffenden Staat, um die Umsetzung weiter zu verbessern.

Beruf und Familie, häusliche Gewalt

Der jüngste Schweizer Bericht schildert eine Vielzahl Massnahmen, die Bund, Kantone und Gemeinden in den letzten Jahren ergriffen, um die Gleichstellung voranzutreiben, zeigt aber auch Defizite auf.

Zu den Schwerpunkten gehören Bereiche wie Beruf und Familie, Gleichstellung im Beruf (Lohngleichheit) sowie häusliche Gewalt, «die vor allem Frauen betrifft», so Marion Weichelt vor Schweizer Medien.

Mutterschafts-Versicherung

Zu den Fortschritten gehören die Einführung der Mutterschafts-Versicherung, verstärkte Massnahmen zur Schaffung von Kinderbetreuungs-Plätzen, Steuererleichterungen für Familien und die revidierte Gesetzgebung gegen häusliche Gewalt.

Zudem hat die Schweiz seit Abgabe des Berichts das Fakultativ-Protokoll zum Abkommen ratifiziert. Dieses schafft die Möglichkeit, nach Ausschöpfung aller nationalen Rechtsmittel bei konkreten Fällen von Frauendiskriminierung beim CEDAW-Ausschuss eine individuelle Mitteilung einzureichen.

Sorgen wegen Föderalismus

Während die Schweiz als führende Kraft im Bereich Menschenrechte gelobt wurde, zeigte sich das Komitee besorgt darüber, dass das föderalistische System, das Kantonen und Gemeinden grosse Autonomie einräumt, es erschwere, gewisse Massnahmen gegen die Diskriminierung von Frauen landesweit voranzutreiben.

Die Delegation räumte ein, dass dieses System gewisse Schritte komplexer, schwerfälliger machen könne. «Andererseits haben wir die positiven Aspekte und Chancen des Föderalismus unterstrichen», sagte Weichelt.

«Zum Beispiel, dass man auf den verschiedenen Ebenen voneinander lernen kann, dass Ziele auf unterschiedliche Weise erreicht werden können.»

Weitere Fragen der Expertinnen und Experten betrafen Themen wie Genitalverstümmelung, Menschenhandel, Prostitution, Rechte von Migrantinnen bis hin zu Prävention von Brust- und Vaginalkrebs.

Schweiz sollte Vorbild sein

Komitee-Mitglieder erklärten, es sei wichtig, dass die Schweiz, wo Völkerrechts-Institutionen wie das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) und viele internationale Menschenrechts-Agenturen angesiedelt seien, bei der Durchsetzung von Frauenrechten ein Vorbild sei.

Im internationalen Vergleich betrachtet stehe die Schweiz im Kampf gegen Frauen-Diskriminierung «grundsätzlich gut da», sagte Weichelt. «Es gibt keine dramatischen Defizite, aber es besteht weiterer Handlungsbedarf.»

Etwa bei der Frage der Lohngleichheit, wo es teilweise noch immer grosse Diskrepanzen gibt. Oder bei der Untervertretung von Frauen in der Politik und in der Arbeitswelt, vor allem in Führungspositionen. Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen, sei immer noch eine grosse Herausforderung.

Im europäischen Vergleich lägen Länder wie Schweden oder Norwegen in Sachen Gleichstellung in allen Lebensbereichen klar an der Spitze.

Rita Emch, swissinfo.ch, New York

Das CEDAW-Übereinkommen ist das Kernstück des internationalen Engagements zugunsten der Frauen.

Das Übereinkommen über die Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau wurde am 18. Dezember 1979 von der UNO- Generalversammlung verabschiedet.

Das Übereinkommen beinhaltet eine ausführliche Definition der Diskriminierung der Frau: Jegliche Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes ist verboten.

Das Abkommen verpflichtet die Vertragsstaaten, nicht nur rechtliche Vorschriften, sondern auch Gepflogenheiten, die Frauen diskriminieren, zu ändern oder aufzuheben.

Am 1. Juli 2009 waren 186 Staaten Vertragsparteien der Konvention; die Schweiz ist dem Abkommen am 27. März 1997 beigetreten.

Ende 2008 ratifizierte sie auch das Fakultativ-Protokoll zum Abkommen, das die Möglichkeit schafft, bei konkreten Fällen von Frauendiskriminierung beim CEDAW-Ausschuss eine individuelle Mitteilung einzureichen.

Schweizer NGO hatten in ihrem Schattenbericht kritisiert, dass die Gleichberechtigung von Mann und Frau in der Schweiz trotz verschiedener Massnahmen noch lange nicht erreicht sei.

Die Diskriminierung von Frauen erstrecke sich über verschiedene Gebiete des Alltagslebens bis hin zu struktureller und gesetzlicher Diskriminierung.

Kritisiert hatten die NGO etwa, dass der Schutz der Opfer von Frauenhandel nach wie vor unzureichend sei und es dafür auch kein Bundesgeld gebe.

Kritisiert wurde auch, dass die 17 Frauenhäuser in der Schweiz finanziell nicht gesichert seien.

Als ungenügend stuften die NGO zudem ein, was bisher gegen stereotype Rollenbilder der Geschlechter unternommen werde, sei es im Bildungswesen oder in den Medien.

Bei der Schul- und Berufswahl müssten «geschlechts-atypische» Entscheidungen stärker gefördert, im Berufsleben Diskriminierungen bei Lohn und Karrierechancen abgebaut werden.

Wegen der Untervertretung der Frauen in der Politik fordert der Bericht «bindende Massnahmen» wie Quoten, was gemäss CEDAW-Abkommen möglich sei.

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