UNO-Menschenrechts-Politik unter Beschuss
Schweizer und internationale Nichtregierungs-Organisationen (NGO) haben die UNO-Menschenrechts-Kommission zu mehr Glaubwürdigkeit aufgerufen.
Der Aufruf erfolgte zum 61. Jahrestreffen des UNO-Gremiums in Genf, das am Montag in Genf begann.
Nach Ansicht von Amnesty International Schweiz und der internationalen Menschenrechts-Organisation Human Rights Watch sind Wirksamkeit und Integrität der UNO-Menschenrechts-Kommission (MRK) in den vergangenen Jahren stark beeinträchtigt worden. Dies wegen politischer und wirtschaftlicher Interessen ihrer Mitgliedländer.
Die beiden NGO beschuldigen die UNO-Kommission, sie messe bei der Verurteilung von Ländern wegen Menschenrechts-Verletzungen mit zwei verschiedenen Ellen. Der Widerwille, gewisse Regierungen anzuklagen, habe zu einem «schmählichen Versagen» der Menschenrechts-Politik geführt, so die beiden NGO.
«Was die Menschenrechts-Kommission zum Beispiel im Fall Sudan entscheidet, wird klar zeigen, ob sie zu Reformen bereit ist», sagt Peter Splinter, Amnesty-Vertreter bei der UNO in Genf gegenüber swissinfo.
«Kommt es zu einer weiteren bedeutungslosen Resolution, oder bezieht die UNO-Kommission klar Stellung?», fragt sich Splinter.
«Moment der Wahrheit»
Ähnlich tönt es beim Leiter von Human Rights Watch, Kenneth Roth. Für ihn ist das Jahrestreffen der MRK in Genf «der Moment der Wahrheit» für die Kommission.
«Die UNO-Kommission ist für Regierungen wie jene von Sudan zu einem Schutz geworden. Sudan sollte eher auf der Anklagebank statt im UNO-Gremium sitzen», so Roth. «Die Kommission muss sich auf den Schutz der Menschenrechte konzentrieren und darf nicht Kritik an Mitgliedländern blockieren, die schwere Menschenrechts-Verletzungen begehen.»
Im Dezember 2004 kam die Menschenrechts-Kommission unter Beschuss eines hochrangigen Untersuchungs-Ausschusses der UNO. Dieser attestierte der Menschenrechts-Kommission «schwindende Glaubwürdigkeit und Professionalität».
Menschenrechts-Kommissarin räumt Handlungsbedarf ein
Jetzt fordern Amnesty und Human Rights Watch die Menschenrechts-Kommission auf, sich dem laufenden Reformprozess innerhalb der UNO anzuschliessen, damit die notwendigen Änderungen institutionalisiert werden können.
«Der hochrangige UNO-Untersuchungs-Ausschuss hat den Fehdehandschuh hingeworfen und den allgemeinen Ruf der Weltorganisation in Zweifel gebracht», erklärt Splinter. «Das Genfer Treffen ist jetzt eine entscheidende Gelegenheit für die UNO, ihre Menschenrechtspolitik zu verbessern.»
Mit Blick auf die Kritik der NGO forderte die zuständige UNO-Hochkommissarin Louise Arbour zum Auftakt des Genfer Treffens Reformen. «Bislang sind wir bei der Umsetzung der Menschenrechte hinter unserem Auftrag zurückgeblieben», räumte Arbour ein.
Verschärfte Überprüfung
Die NGO erwarten in den nächsten sechs Wochen, dass die Kommission verschärfte Überprüfungs-Massnahmen ergreift im Zusammenhang mit Menschenrechts-Verletzungen in Iran, Sudan, Tschetschenien, den besetzten palästinensischen Gebieten, Simbabwe sowie der zentralafrikanischen Region.
Human Rights Watch hat die Kommission ferner aufgefordert, «das Verschwinden von Menschen, Folter und andere Misshandlungen von Häftlingen im globalen Krieg gegen den Terrorismus, den die USA führen», zu verurteilen.
Auch Amnesty International kritisiert die Bush-Regierung wegen der Haftbedingungen und Verhörmethoden von Gefangenen auf ihrem Militärstützpunkt in Guantanamo Bay auf Kuba, die «internationale Standards» verletzten.
Beide NGO verlangen von der UNO-Menschenrechts-Kommission ferner eine Erweiterung des Mandates von Robert Goldman. Er erhielt im vergangenen Jahr von der UNO den Auftrag, die Respektierung der Menschenrechte bei der Terrorismus-Bekämpfung zu überwachen.
Nepal im Blickpunkt
Ein anderer Hauptaspekt ist für die NGO die Situation in Nepal. Laut Peter Splinter von Amnesty befindet sich das Land «am Rand einer Menschenrechts-Katastrophe».
In Nepal würden Menschen zum Verschwinden gebracht, gefoltert und summarisch hingerichtet. «Die internationale Gemeinschaft tut nichts, und die Lage wird immer schlimmer», so Splinter.
Dutzende von Politikern, darunter die Führer der wichtigsten Parteien des Landes, befinden sich seit dem Staatsstreich von König Gyanendra im Februar in Haft oder unter Hausarrest.
Aus Schweizer Regierungskreisen war zu erfahren, dass die Schweiz am Genfer Treffen, an dem Aussenministerin Micheline Calmy-Rey teilnimmt, eine Resolution zu Nepal vorschlagen will.
«Das ermutigt uns sehr», sagt Peter Splinter. «Natürlich gibt es bezüglich der Menschenrechtspolitik noch Meinungsverschiedenheiten zwischen uns und der offiziellen Schweiz, aber wir begrüssen diesen Vorschlag.»
swissinfo, Anna Nelson, Genf
(Übertragung aus dem Englischen: Jean-Michel Berthoud)
Die UNO-Menschenrechts-Kommission (MRK) tagt jährlich im März und April während sechs Wochen in Genf.
Die MRK ist das höchste Menschenrechts-Gremium der Weltorganisation und umfasst 53 Mitgliedstaaten, die vom UNO-Wirtschafts- und Sozialrat (Ecosoc) für eine dreijährige Periode gewählt werden. Sie können wiedergewählt werden.
Die Schweiz ist bisher nicht Mitglied der Menschenrechts-Kommission, hofft aber im Jahr 2007 gewählt zu werden.
Nichtregierungs-Organisationen (NGO) haben die UNO-Menschenrechts-Kommission (UNHRC) zu drastischen Massnahmen aufgerufen, um die schwindende Glaubwürdigkeit des UNO-Gremiums wiederherzustellen.
Nach Ansicht von Amnesty International und Human Rights Watch hindert politisches Gerangel zwischen den Mitgliedländern die UNHRC daran, die Menschenrechte weltweit zu schützen und zu propagieren.
Die NGO hoffen, dass die UNO-Kommission an ihrem Genfer Jahrestreffen, das am Montag begonnen hat, klar Stellung nimmt zu den Menschenrechts-Verletzungen in Nepal, Sudan, Iran, Kolumbien und Guantanamo Bay sowie zu Menschenrechts-Fragen im Zusammenhang mit dem Kampf gegen den Terrorismus.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch