UNO-Menschenrechtsrat in der Sackgasse
Der am 19. Juni in Genf gegründete Menschenrechtsrat steckt nach dem Abschluss seiner zweiten Session in einer Krise. Die 47 Mitglieder konnten sich nicht einigen.
Die 44 zur Abstimmung stehenden Vorlagen wurden auf die nächste Session verschoben. Für die Schweiz eine positive Verzögerung, da sich eine ihrer Vorlagen als problematisch erweist.
Die Schweizer Delegation hatte drei Resolutionen eingebracht. Die erste betraf Nepal, die zweite die Unabhängigkeit von Richtern in Ländern, die in einem Prozess der Demokratisierung stecken, und die dritte die Respektierung der Menschenrechte im Kampf gegen den Terrorismus.
Während die ersten beiden Vorlagen kaum Probleme verursachten, könnte die dritte zu einer diplomatischen Verstimmung zwischen Bern und Washington führen.
Dort steht: «Der Menschenrechtsrat fordert alle Staaten auf, die nötigen Massnahmen zu ergreifen, dass inhaftierte Personen, wo auch immer sie festgehalten werden, dem internatonalen Recht unterstehen. Dazu gehören Zugang zu einem Richter, ein fairer Prozess und Schutz vor Folter und erniedrigender Behandlung.»
Die Anspielung auf Praktiken der USA im Kampf gegen den Terrorismus ist deutlich, selbst wenn der Text alle Staaten anspricht. Das hinderte einige Staaten allerdings nicht daran, die Resolution abändern zu wollen.
«Doch wenn Kuba und einige weitere Staaten die Namen Guantanamo und USA in den Text einführen wollten, würde Washington umgehend scharf reagieren», sagt ein westlicher Diplomat, der anonym bleiben möchte.
Muslimische Staaten blockierten
Schliesslich wurde die Abstimmung über alle 44 Resolutionen der Mitglied-Staaten des Rats auf die nächste Session verschoben, die am 27. November beginnt.
«Einige Staaten blockierten den Rat», bedauterte Peggy Hicks, Direktorin der Menschenrechts-Organisation Human Rights Watch (HRW). Vor allem die Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) habe «keine konstruktive Rolle gespielt».
Schweiz ist machtlos
Die Schweiz, deren Botschafter Blaise Godet Vizepräsident des Rats ist, hat erfolglos versucht zu vermitteln. So bei den Sondersitzungen zu Gaza und Libanon, wo ihre Abänderungsvorschläge weggefegt wurden.
Die zwei Sondersitzungen im Juli und August dieses Jahres wurden wegen ihrer Einseitigkeit kritisiert. Mit der Macht der Mehrheit verhinderten die muslimischen Länder jegliche Verhandlung über einen ausgeglicheneren Text, der auch die Attacken der Hisbollah und palästinensischer Gruppen verurteilt hätte.
Walter Kälin nicht überrascht
Walter Kälin, der Schweizer Jurist, der vor mehr als zwei Jahren die Idee einer Reform der UNO-Menschenrechtskommission lanciert hatte, ist enttäuscht, aber nicht überrascht.
«Der Rat widerspiegelt die zahlreichen Spannungen, die im Moment die internationale Gemeinschaft spalten. Es wäre naiv gewesen zu glauben, dass das neue Gremium diese einfach beiseite legen könnte», sagte Kälin.
Er betont, dass der Rat noch nicht vollständig geregelt hat, wie er in Zukunft funktionieren soll. Man müsse abwarten wie sich der Rat innerhalb des ersten Jahres entwickeln wird. Auch die Schweizer Delegation ist der Ansicht, dass man erst im Juni 2007 Bilanz ziehen könne.
swissinfo und Carole Vann und Juan Gasparini, Infosud
Dem Menschenrechtsrat gehören 47 Staaten an, darunter die Schweiz. Seine erste Session hielt er vom 19. bis 30. Juni in Genf ab.
Seither gab es zwei ausserordentliche Sessionen, eine über Gaza und die andere über Libanon.
Die zweite Session, die drei Wochen gedauert hat, ist am 6. Oktober zu Ende gegangen.
Die nächste Session ist für 27. November bis 8. Dezember vorgesehen.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch