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Untersuchung gegen das «Leck»

Das Gebäude der Bundesanwaltschaft in Bern. Keystone

Nach der Militärjustiz ermittelt nun auch die Bundesanwaltschaft in der Fax-Affäre wegen Verdachts auf Amtsgeheimnis-Verletzung.

Die Suche nach dem Leck im Schweizer Geheimdienst und Appelle zur Schadensbegrenzung standen am Dienstag im Zentrum.

Die Bundesanwaltschaft (BA) eröffnete am Dienstag ein gerichtspolizeiliches Ermittlungsverfahren wegen Verdachts auf Amtsgeheimnis-Verletzung und Veröffentlichung amtlich geheimer Verhandlungen, wie BA-Sprecher Hansjürg Mark Wiedmer sagte.

Im Visier sind einerseits die Redaktoren des SonntagsBlicks, die den als geheim klassifizierten ägyptischen Fax über die CIA-Gefängnisse veröffentlicht hatten.

Andererseits wird gegen jene unbekannte Täterschaft ermittelt, die den im vergangenen November offenbar vom Strategischen Nachrichtendienst abgefangenen Fax dem SonntagsBlick zugespielt hatte.

Hier geht es laut dem BA-Sprecher um den Straftatbestand der Amtsgeheimnis-Verletzung. In beiden Fällen drohen im Falle von Verurteilungen Gefängnis oder
Busse.

Beweis seit dem 10. November

Der Aufklärungsdienst der Schweizer Armee verfügt seit dem 10. November 2005 über einen Beweis für die Existenz von Gefängnissen des US-Geheimdienstes CIA in Europa.

Die Zeitung SonntagsBlick hat in ihrer jüngsten Ausgabe ein Faksimile des geheimen Berichts veröffentlicht, in dem das ägyptische Aussenministerium das Vorhandensein von «Verhörzentren» in Rumänien, Bulgarien, Mazedonien, Kosovo und der Ukraine bestätigt.

Auch CIA-Flüge werden untersucht

Beide Aspekte der so genannten Fax-Affäre – die Publikation und die Forschung nach dem Leck – sind auch Gegenstand der am Montag aufgenommenen Ermittlungen der Militärjustiz.

Bei der Bundesanwaltschaft ist zudem bereits seit Mitte Dezember ein Ermittlungsverfahren in Sachen CIA im Gang. Dort geht es um mutmassliche illegale Aktivitäten des US-Geheimdienstes selber. Ermittelt wird wegen Verdachts auf verbotene Handlungen für einen fremden Staat – bisher gegen unbekannt.

Auslöser dieses Verfahrens waren die Berichte, wonach CIA-Flugzeuge mit
Gefangenen die Schweiz überflogen hätten.

Konsequenzen befürchtet

Im Vordergrund der Sorgen und der Kritik von Politikern und Experten stand aber am Dienstag das Leck im Schweizer Geheimdienst.

Die aussenpolitische Kommission des Ständerates, der Kleinen Kammer, befürchtet negative Konsequenzen für die internationale Glaubwürdigkeit der Schweiz. Sie forderte die Regierung zu diplomatischen Interventionen auf, um möglichen Schäden vorzubeugen.

Die Schweizer Regierung wird sich an seiner ersten Sitzung im neuen Jahr am 11. Januar mit der Affäre befassen.

swissinfo und Agenturen

17. Juni 2004: Laut Human Rights Watch werden mutmassliche Terroristen von den USA in rund 15 geheimen Gefängnissen auf der Welt gefangen gehalten.

2. November 2005: Die Washington Post bestätigt, dass die CIA Al-Kaida-Mitglieder in acht Ländern in Osteuropa und Asien festhält.

7. November 2005: Der Schweizer Ständerat Dick Marty wird vom Europarat mit den Ermittlungen beauftragt.

8. Dezember 2005: US-Aussenministerin Condoleeza Rice schliesst ihren Europa-Besuch ab, ohne auf diesbezügliche Fragen eingegangen zu sein.

14. Dezember 2005: Das Parlament wünscht von der Regierung eine Stellungnahme wegen mutmasslicher CIA-Überflüge. Die Bundesanwaltschaft eröffnet ein Verfahren.

8. Januar 2006: Laut SonntagsBlick hat der Schweizer Geheimdienst einen ägyptischen Fax abgefangen, worin bestätigt wird, dass die CIA Verdächtige in Europa verhört.

Die Veröffentlichung eines als geheim eingestuften abgefangenen ägyptischen Fax über CIA-Gefängnisse in Europa wirbelt in der Schweiz Staub auf.

Politiker befürchten, dass die Schweiz künftig von andern Geheimdiensten geschnitten werden könnte.

Im Hinblick auf negative Konsequenzen für die Schweiz fordert die aussenpolitische Kommission des Ständerates eine diplomatische Intervention der Regierung.

Gegen die Journalisten des Sonntagsblicks und gegen das Leck im Geheimdienst eröffnet die Bundesanwaltschaft eine Untersuchung.

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