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Vermisste Menschen – eine vergessene Tragödie

Ein Knabe im indischschen Bundesstaat Kashmir vermisst seinen Vater. Reuters

Aus Anlass des Internationalen Tages der Vermissten fordert das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) mehr Engagement zugunsten der vermissten Menschen in aller Welt.

Die internationale Gemeinschaft unternehme in dieser Frage zu wenig, kritisiert das IKRK.

Zehntausende Familien wüssten nicht, was ihren Angehörigen zugestossen sei, erklärte Pierre Krähenbühl, Direktor des IKRK für operationelle Einsätze, in Genf.

Jeder Verschwundene habe eine eigene Geschichte, betonte er und erinnerte an gefangen genommene, entführte und inhaftierte Zivilisten, Opfer von Massenhinrichtungen und an getötete Soldaten, die nie identifiziert würden.

«Nicht zu wissen, ob ein Familienmitglied tot oder noch am Leben ist, erzeugt Angst, Wut und ein Gefühl tiefer Ungerechtigkeit», unterstrich Krähenbühl.

Die Angehörigen seien so nicht im Stande, zu trauern und den Verlust zu verarbeiten.

«Missing Persons – A Hidden Tragedy» («Vermisste Personen – eine verborgene Tragödie») heisst ein Bericht, den das IKRK zum Tag der Vermissten veröffentlicht.

Fehlender politischer Wille

Der Bericht enthält persönliche Zeugnisse über das Leid, dem Angehörige ausgesetzt sind. «Ich will meinen Sohn zurück, auch wenn nur sein Skelett übrig geblieben ist», sagt Guliko Ekizaschwili, eine Georgierin, deren Sohn vor 14 Jahren im Zusammenhang mit dem Konflikt zwischen Georgien und Abchasien verschwand.

Krähenbühl betonte, es gebe «konkrete Massnahmen, die Staaten und andere Akteure ergreifen können, um solche Tragödien zu verhindern». Doch oft fehle es am politischen Willen.

Das IKRK verweist namentlich auf die UNO-Konvention gegen das Verschwindenlassen, die eine Lücke im Völkerrecht schliesst. Die Staaten sollten diesen Vertrag möglichst schnell unterzeichnen und umsetzen.

Schwierige Recherchen

Rund 60 Staaten haben die Konvention bislang unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert. Das erschwert die Arbeit des IKRK, die in 36 Ländern Nachforschungen über verschwundene Menschen anstellt. Diese Recherchen nehmen oft Jahre oder gar Jahrzehnte in Anspruch.

Der Internationale Tag der Verschwundenen geht auf eine Initiative der lateinamerikanischen Menschenrechtsorganisation FEDEFAM zurück. Verschiedene Gruppen machen jährlich am 30. August weltweit auf das ungeklärte Schicksal von Menschen aufmerksam.

swissinfo und Agenturen

Nach irakischen Angaben werden seit 1990 zwischen 375’000 und einer Million Iraker vermisst.

Allein zwischen Januar 2006 und Juni 2007 konnten rund 10’000 aufgefundene Leichen nicht identifiziert werden.

Allein in Bosnien-Herzegowina ist das Schicksal von 13’500 Menschen noch immer ungeklärt.

1995, am Ende des Bürgerkriegs, waren es 20’000.

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