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Verschollen am Berg

Die Spur verliert sich im Schnee, für Jahre oder für immer.

Das Gleichgewicht verloren und abgestürzt, in eine Gletscherspalte gefallen oder im Schneesturm erfroren: Jedes Jahr gehen in den Bergen mehrere Personen spurlos verloren. Auf den Verschollenen-Listen der Bergkantone stehen Hunderte von Namen.

Januar 1910. Zwei Deutsche sitzen wegen schweren Schneestürmen auf 2337 Metern über Meer in der Hüfihütte im Kanton Uri fest. Nach mehreren Versuchen, ins Tal abzusteigen, entscheiden sie sich nach fünf Tagen, über den Hüfigletscher und den Claridenpass heimzukehren. Dieses Vorhaben notieren sie im Hüttenbuch.

Die beiden treffen nie im Tal ein. Erst 65 Jahre später findet ein Jäger die Utensilien der beiden Verschollenen. Sie hatten offenbar keine Kraft mehr und starben gemeinsam auf dem Gletscher.

Diese Geschichte schildert die Vereinigung der Urner Berghütten auf ihrer Internetseite.

Wärmebildkamera und Natel-Ortung

Heute geschieht es viel seltener, dass Vermisste in den Bergen trotz aufwändiger Suchaktionen nicht mehr gefunden werden. Die Suchmöglichkeiten sind ausgereifter als früher: Neben Rettern und Suchhunden stehen Helikopter und Wärmebildkameras zur Verfügung. Die Verunglückten können zudem via Natel-Standortsuche geortet werden.

Bei den über hundert Suchaktionen, welche die Kantonspolizeien, die Rettungsflugwacht (Rega) und die Bergretter des Schweizerischen Alpenclubs jedes Jahr gemeinsam durchführen, bleiben die Vermissten nur selten unentdeckt. Es gebe keine genauen Zahlen, sagt Rega-Mediensprecher Gery Baumann. «Die Fälle lassen sich aber wohl an zwei Händen abzählen.»

Keine genauen Zahlen

Und trotzdem werden die Verschollenenlisten der Polizeien der Bergkantone über die Jahre immer länger. Im Wallis wird eine solche Liste seit 1919 geführt. 180 Personen gelten als verschollen, davon sind allein rund 25 Bergsteiger am Matterhorn verunglückt und nie mehr gefunden worden.

In den Kantonen Graubünden und Bern kommen nochmals je rund 150 Personen dazu, allerdings werden diese Listen erst seit 1945, beziehungsweise 1971 geführt.

Wie viele dieser vermissten Personen bei Ausflügen in den Bergen umgekommen seien, lasse sich nicht genau beziffern, sagt Renato Kalbermatten, Sprecher der Walliser Kantonspolizei. Im Wallis liege dieser Anteil aber sicher hoch.

Bis zum 100. Geburtstag

Die Suche nach einer vermissten Person dauert so lange, wie eine gewisse Hoffnung besteht, diese lebend zu finden. Bestehe diese nach mehrtägiger, intensiver Suche nicht mehr, werde die Suche eingestellt, sagt Rega-Sprecher Baumann.

Laut Jürg Mosimann, Informationschef der Berner Kantonspolizei, geschieht es nicht selten, dass Berggänger auf die sterblichen Überreste einer vermissten Person stossen, zum Beispiel nach der Schneeschmelze im Frühling oder Jahrzehnte später, am Fusse eines Gletschers.

Bei einem Knochenfund werde zuerst rechtsmedizinisch geprüft, ob es sich um einen menschlichen oder einen tierischen Knochen handle, sagt Mosimann. Schliesslich könne meist anhand des Fundortes und von DNA-Analysen von Angehörigen festgestellt werden, um welche verschollene Person es sich handle.

Erst bei hundertprozentiger Klarheit streichen die kantonalen Polizeibehörden die Verschollenen von ihrer Liste. Es sei denn, die Person hätte bereits vorher ihren 100. Geburtstag erreicht.

swissinfo, Carol Mauerhofer, sda

2007 starben in der Schweiz 123 Menschen bei Bergunfällen, davon waren 105 Männer und 18 Frauen.

71 der Opfer stammten aus der Schweiz, 52 waren ausländische Staatsangehörige.

Am meisten Todesopfer gab es beim Bergwandern, an zweiter Stelle stehen Hochtouren, gefolgt von Skitouren.

Die höchste Opferzahl der letzten 25 Jahre war 1986 mit insgesamt 154 Toten zu beklagen, die tiefste 1995 mit 88 Toten.

Bei den Ursachen stehen an erster Stelle Stürze, an zweiter Lawinenniedergänge.

Die Zahlen basieren auf Statistiken des Schweizer Alpen-Clubs SAC.

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