Victoria Cup – Eishockey-Leckerbissen in Bern
Bern schreibt Eishockey-Geschichte: Der SC Bern spielte am Dienstag als erstes Schweizer Team gegen eine Mannschaft aus der NHL, die New York Rangers. Diese bestreiten Anfang Oktober 2008 gegen Metallurg Magnitogorsk die Premiere um den Victoria Cup.
Bern ist im nächsten Frühling mit Zürich Austragungsort der Weltmeisterschaften. Und schon sind die Eishockey-Weihnachtsglocken hell und klar zu hören: Der neue Victoria Cup bringt den ersten Eisgipfel zwischen einem Team aus der nordamerikanischen NHL und einer Equipe aus der russischen Meisterschaft seit 17 Jahren.
Die Fans können am Mittwoch im Allmendstadion die Kunststücke der Rangers-Stars um Chris Drury, Scott Gomez, Henrik Lundqvist und Markus Naslund bewundern. Ihnen wollen die von Andrei Mezin, Jan Marek und Vitali Atjushov angeführten Russen den Schneid abkaufen.
Mit der Partie der Rangers aus dem glamourösen New Yorker Madison Square Garden gegen die «Metallarbeiter» aus dem fernen Osten Sibiriens lebt die historische Rivalität um die Frage wieder auf, wo das beste Eishockey der Welt gespielt wird.
Russen schon im Rhythmus
Klaus Zaugg, Sportjournalist und versierter Kenner des internationalen Eishockeys, sieht leichte Vorteile beim diesjährigen Sieger des Europacups. «Die russische Meisterschaft hat im Gegensatz zur NHL schon begonnen, deshalb erwarte ich seitens von Magnitogorsk mehr Engagement», sagt er gegenüber swissinfo.
Zum Handkuss kamen im Auftaktspiel von Dienstagabend auch Marco Bührer, Ivo Rüthemann, Thomas Ziegler & Co vom SC Bern. Den Hausherren fiel in der Allmendhalle die Ehre zu, es als erste Schweizer Klubmannschaft mit einem NHL-Team aufzunehmen.
Lehrstunde für SCB
Doch der erste Vergleich zwischen einer Schweizer Equipe und einem NHL-Team endete mit einem klaren Sieg für den Favoriten: Der SC Bern verlor das Freundschaftsspiel gegen die New York Rangers klar und deutlich mit 1:8.
Die Berner Fans packten die Eishockey-historische Gelegenheit beim Schopf: Die rund 17’000 Plätze im Allmendstadion waren alle besetzt, wie dies bei jedem Heimspiel der «Mutzen» der Fall ist. Es sind diese treuen Fans, die den SCB zum erfolgreichsten Klub Europas machen, zumindest, was den Zuschaueraufmarsch angeht.
Ihnen vor allem ist es zu verdanken, dass René Fasel, der Schweizer Präsident des Internationalen Eishockeyverbandes (IIHF), die Premiere des Victoria Cup in Bern steigen lässt. Dazu kommt, dass sowohl der IIHF wie der Schweizerische Eishockeyverband in diesem Jahr ihren 100. Geburtstag feiern.
Politik und Geschäft
Feierlaune aber war bei weitem nicht Fasels einziger Grund, die neue Trophäe in der Form von je sechs nach rechts und links stehenden Hockeystöcken zu spendieren. Ihm gelang mit dem Victoria Cup, was zuvor jahrzehntelang schier ein Ding der Unmöglichkeit war: Die eishockeyanische Annäherung von Nordamerika und Europa ausserhalb von Weltmeisterschaften. Konkret: Eishockeyspiele zwischen Teams aus NHL und Europa zu institutionalisieren.
Dabei sei Fasel bei der NHL mit offenen Armen empfangen worden, so Klaus Zaugg. «Es ist ein Jahrhunderttraum der NHL, als beste und reichste Liga der Welt in Europa Fuss zu fassen.» Als Mitorganisator des Victoria Cup haben die NHL-Manager einen weiteren Schritt zur Erschliessung der europäischen Märkte getan.
Eine andere wichtige Etappe auf diesem Eroberungsfeldzug abseits des Eisfelds ist die fast schon traditionelle Verlegung des NHL-Saisonstarts nach Europa. Dieser erfolgt am Wochenende in Prag mit zwei Partien der New York Rangers gegen Tampa Bay Lightning.
Die Annäherung soll aber nicht nur mehr Einnahmen generieren, sondern hat laut Klaus Zaugg auch sportpolitischen Hintergrund: «Die NHL als beste und reichste Liga gehört nicht dem Internationalen Eishockeyverband an.» Eine Folge davon ist beispielsweise, dass an den Weltmeisterschaften im Frühling Kanada und die USA regelmässig ohne die besten Profis antreten, da diese zuhause noch um den Stanley Cup kämpfen.
Makel: Ohne Stanley-Cup-Sieger
Obwohl René Fasel als IIHF-Boss schon viel bewirkt hat, ist ihm die Realisierung eines ganz grossen Traumes auch mit dem Victoria Cup nicht gelungen: Während Europa das beste Team schickt, nämlich den Gewinner der neuen Champions Hockey League (bisher European Champions Cup), hält die NHL ihren Stanley-Cup-Sieger zurück.
«Die NHL wird nie den Stanley-Cup-Sieger schicken, das Risiko eines Prestigeverlusts wäre im Falle einer Niederlage zu gross», sagt Zaugg. Angesichts des erwähnten späteren Meisterschaftsstarts der NHL durchaus ein realistisches Risiko.
Denn keine Niederlagen schmerzen die Nordamerikaner so wie solche sie gegen die Erzrivalen aus dem Reich des ehemals «Bösen». Ganz gleich, ob mit National- oder Klubteams.
Historische Duelle um Eis-Vorherrschaft
Der vernichtende 8:1-Sieg Russlands 1981 gegen Kanada zuhause in Montreal steckt den Fans bis heute in den Knochen. Umgekehrt ist das Tor, mit dem Paul Henderson 1972 die Premiere der Summit Series gegen die «Eissputniks» zugunsten Kanadas entschied, heute der Höhepunkt in der Geschichte des Eishockey-Mutterlandes. Jedes Kind weiss 36 Jahre später noch, wann in der achten und letzten Partie die Entscheidung fiel: 34 Sekunden vor Schluss…!
Der Victoria Cup werde seinen Platz im Klubeishockey auf Weltniveau erobern, ist Klaus Zaugg überzeugt. Dass er Teil der Eishockeygeschichte wird, dazu müssen die Spieler auf dem Eis beitragen. Sie haben es auf ihren Stöcken. Ein erstes Mal in Bern.
swissinfo, Renat Künzi
In Europa startet in diesem Winter erstmals die Champions Hockey League (CHL). Sie entspricht der Champions League im Fussball.
Der Wettbewerb, bis anhin European Champions Cup genannt, beginnt am 8. Oktober. Die beiden Finalisten spielen am 21. und 28. Januar 2009 um die Krone im europäischen Klubhockey.
Die Schweiz stellt als eine der stärksten Eishockeynationen Europas zwei Klubs: den Meister Zürich und Qualifikationssieger Bern.
Der ebenfalls erstmals vergebene Victoria Cup gibt den Startschuss zur Champions Hockey League.
Der Sieger der CHL trifft im folgenden Jahr im sogenannten Victoria Cup auf eine Mannschaft der NHL.
Der Gewinner des Victoria Cup erhält 1 Mio. Dollar.
Der Victoria Cup wird es aber kaum schaffen, den Stanley Cup als prestigeträchtigsten Pokal im Klubhockey zu verdrängen.
Für einen Eishockeyprofi ist die NHL das höchste Karriereziel.
Die Torhüter David Aebischer und Martin Gerber waren die ersten Schweizer, die sich einen Stammplatz erobern konnten.
Als erstem Feldspieler ist dies in der letzten Saison dem Verteidiger Mark Streit gelungen.
Torhüter Jonas Hiller könnte der nächster Schweizer mit einem Stammplatz in einem NHL-Team sein.
Die jungen Spieler Luca Sbisa, Yannick Weber und Julien Sprunger haben laut Hockeyexperte Klaus Zaugg ebenfalls das Rüstzeug für die beste Liga der Welt.
Zaugg ist überzeugt, dass in zehn Jahren drei bis fünf Schweizer Akteure in der NHL spielen werden.
Je mehr NHL-Spieler ein Land stellt, desto kleiner wird der Rückstand auf die führenden Eishockeyländer, zumindest auf dem Papier.
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