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Viel Ehre für Carla Del Ponte

"Freude herrscht": Eine strahlende Carla Del Ponte bei der Ehrung in Lugano. Keystone

Carla Del Ponte, die Schweizer Chefanklägerin am UNO-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag und künftige Botschafterin in Argentinien, ist gleich mit zwei Preisen geehrt worden.

Die 60-Jährige erhielt am Freitag den Friedenspreis von Soroptimist International. Am Vortag war sie bereits mit dem Corporate Women Award Switzerland 2007 ausgezeichnet worden.

Soroptimist, die weltweit grösste Organisation von berufstätigen Frauen, verlieh der Tessinerin den Friedenspreis 2007 für ihren grossen persönlichen Einsatz für die Menschenrechte, für Frieden und soziale Gerechtigkeit. Dies erklärten Vertreterinnen von Soroptimist Europa in der Laudatio an der Universität von Lugano.

Neben einer Friedensstatue erhielt die Preisträgerin eine Urkunde sowie einen Scheck über 20’000 Euro (33’000 Franken). Den Betrag lässt sie dem Projekt «Eine Klinik für Frauen» in Bosnien-Herzegowina zukommen.

Del Ponte, die gerade von einem zweitägigen Arbeitsaufenthalt in Belgrad zurückkehrte, zeigte sich hocherfreut und bewegt über die Auszeichnung. In ihrer Rede sprach sie von ihrer schwierigen Arbeit bei der Verfolgung der Kriegsverbrecher im ehemaligen Jugoslawien.

Keine Arbeit für schwache Nerven

«Ich bin nicht emotional und man kann meine Arbeit gar nicht machen, wenn man emotional ist», sagte Del Ponte. Doch insbesondere bei der Anhörung von Zeugen und Opfern, beispielsweise Vergewaltigungsopfern, falle es auch ihr schwer, die Fassung zu bewahren.

Viele Opfer machten sie persönlich dafür verantwortlich, wenn Täter nicht zur Rechenschaft gezogen würden. Diesen Druck müsse sie aushalten, auch wenn es nicht ihre Schuld sei. Ihrer Arbeit würden ständig Steine in den Weg gelegt.

Del Ponte sucht unter anderem nach den Verantwortlichen des Massakers von Srebrenica, bei dem im Juli 1995 bis zu 8000 muslimische Männer und Jugendliche ermordet wurden. «Früher dachte ich, dass Gerechtigkeit zu Frieden führt», sagte sie. Heute sei sie nicht mehr zu 100 Prozent von dieser These überzeugt.

Ohne die Stimme von Russland

Ihr grösster Wunsch sei es nach wie vor, bis zum Ablauf ihrer Amtszeit Ende Jahr noch den untergetauchten Serbenführer Radovan Karadzic und seinen General Ratko Mladic zu fassen. Der UNO-Sicherheitsrat hatte das Mandat von Del Ponte am 14.September nochmals um drei Monate verlängert, weil noch kein Nachfolger gefunden war.

Dass sich das serbienfreundliche Russland bei der Abstimmung zur Verlängerung ihres Mandats im UNO-Sicherheitsrat der Stimme enthalten habe, hätte einen positiven Nebeneffekt gehabt. «So haben mich die Vertreter von Frankreich und Grossbritannien in den höchsten Tönen gelobt», sagte Del Ponte ironisch.

Zu den grössten Erfolgen als Chefanklägerin in Den Haag gehörte im Jahr 2001 die Auslieferung des früheren jugoslawischen Staatschefs Slobodan Milosevic. Dieser starb jedoch, bevor gegen ihn ein rechtsgültiges Urteil wegen Kriegsverbrechen erwirkt werden konnte.

Bereits am Donnerstag war Del Ponte mit dem Corporate Women Award Switzerland 2007 geehrt worden, wie die Hochschule für Wirtschaft in Luzern mitteilte.

Umstritten

Carla Del Ponte hat eine steile berufliche Karriere hinter sich. Sie war Generalstaatsanwältin im Kanton Tessin und Bundesanwältin in Bern, bevor sie nach Den Haag wechselte.

Für Del Ponte hagelte es aber nicht immer nur Lob. Während ihrer Berner Zeit als Bundesanwältin war sie wiederholt harter Kritik von Seiten der Schweizer Medien ausgesetzt. Bei der Durchsuchung von Zeitungsredaktionen warf man ihr vor, mit Kanonen auf Spatzen zu schiessen.

Gerhard Lob, Lugano

Die 1947 geborene Carla Del Ponte wurde 1981 Tessiner Staatsanwältin.

Bekannt wurde sie mit ihrem Kampf gegen Geldwäscherei, organisierte Kriminalität und Waffenschmuggel.

Del Ponte war von 1994 bis 1999 Bundesanwältin, bevor sie von den Vereinten Nationen als Chefanklägerin des UNO-Kriegsverbrechertribunals für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag berufen wurde.

Ursprünglich wollte sie ihr Mandat im September niederlegen, wird jedoch bis Ende dieses Jahres im Amt bleiben.

Im Januar 2008 tritt die 60-jährige Tessinerin ihre neue Tätigkeit als Schweizer Botschafterin in Argentinien an.

Carla Del Ponte ist geschieden und hat einen 30-jährigen Sohn.

Das Internationale Tribunal für Ex-Jugoslawien (ICTY) in Den Haag wurde gemäss der Resolution 827 des UNO-Sicherheitsrates eingerichtet.

Diese Resolution wurde am 25. Mai 1993 angenommen als Antwort auf die Bedrohung für den Frieden und die internationale Sicherheit durch die schweren Übertretungen des internationalen humanitären Rechts, die seit 1991 auf dem Territorium des ehemaligen Jugoslawiens begangen worden waren.

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