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Vier Suizide pro Tag

Ein 19-Jähriger stürzte sich im Jahre 2003 auf diesen Schulhof: Einer von bis zu 1400 Suiziden pro Jahr. Keystone

Täglich verüben vier Personen in der Schweiz Suizid, ein Zehntel der Bevölkerung hat es schon versucht, die Hälfte dachte schon daran. Das sagt eine neue Studie.

Die Schweiz hat damit eine international hohe Suizidrate. Der Bundesrat will jetzt die Prävention verbessern.

Zwischen 1300 und 1400 Personen nehmen sich hierzulande jährlich das Leben. Darunter sind rund 1’000 Männer. Die Suizide machen insgesamt 1 bis 2% aller Todesfälle aus, wie aus dem neuen Bericht «Suizid und Suizidprävention in der Schweiz» des Bundesamts für Gesundheit (BAG) hervorgeht.

10% der Schweizer Bevölkerung begehen im Laufe ihres Lebens einen oder mehrere Suizidversuche, und jede zweite Person berichtet in rückblickenden Erhebungen von Suizidgedanken.

Fast jeder Mensch wird im Laufe seines Lebens zudem mit einem oder mehreren Suiziden oder Suizidversuchen konfrontiert, sei es in der Familie, im Freundeskreis, in der Schule oder am Arbeitsplatz.

Hohe Suizidrate im internationalen Vergleich

Im internationalen Vergleich liegt die Schweiz weit vorne. Nur Russland, Ungarn, Slowenien, Finnland und Kroatien haben eine höhere Suizidrate.

Warum dem so ist, darauf gibt auch der Bericht keine Antwort, wie Salome von Greyerz, Leiterin Sektion Strategie und Gesundheitspolitik Schweiz beim BAG und verantwortlich für den Bericht, gegenüber swissinfo erklärt.

«Wir wissen es ganz einfach nicht, es ist aber ein Phänomen in allen westlichen Industriestaaten. Weil der Entscheid zu einem Suizid in den meisten Fällen aber von sehr vielen Faktoren abhängt, kann man keinen einzelnen Grund angeben. In 90% der Suizidfälle spielen jedoch psychische Erkrankungen ein Rolle.»

Bundesrat will Prävention

Der Bundesrat, die Schweizer Regierung, will nun die Prävention verstärken. Er beauftragte das BAG, den Ausbau der wissenschaftlichen Datengrundlage und die Integration der Thematik in bestehende Programme zu prüfen.

«Wir müssen darauf abzielen, die psychische Gesundheit der Gesamtbevölkerung zu stärken», erklärt von Greyerz. Speziell müssten auch Jugendarbeiterinnen und -arbeiter geschult werden, Krisen bei Jugendlichen zu erkennen und anzugehen. «Wichtig sind auch niederschwellige Angebote wie die Dargebotene Hand.»

Die Dargebotene Hand ist eine private Organisation, die rund um die Uhr unter der Telefonnummer 143 und übers Internet eine Anlaufstelle für Menschen mit Problemen bietet. Und dies immer öfter: Rund 600 Mal täglich klingelt es bei den freiwilligen Helferinnen und Helfern; insgesamt 212’832 Mal im vergangenen Jahr.

Medizinisches Personal braucht Schulung

Laut dem BAG muss auch die Ausbildung des Personals im medizinischen Bereich verbessert werden. Dies umfasst eine bessere Behandlung, Begleitung und Rehabilitation von psychisch Kranken und Personen nach einem Suizidversuch.

Die Möglichkeiten des Bundes bei der Suizidprävention seien allerdings beschränkt, hält der Bericht fest. Denn diese liege als Teil der allgemeinen Gesundheits-Versorungung und -förderung primär in der Kompetenz der Kantone.

Jugendliche im Visier

Die Westschweizer Organisation «Stop Suicide», die sich für Prävention bei Jugendlichen engagiert, begrüsste die Aktion der Regierung. Der Bundesrat habe realisiert, dass es sich um ein Problem der Volksgesundheit handle und die Prävention auf mehreren Ebenen angegangen werden müsse.

Ob und um wieviel die Massnahmen die Schweizer Suizidrate senken könnten, wird erst die Zukunft zeigen. Von Greyerz sagt: «In den Gesundheitszielen der Schweiz wurde festgelegt, dass bis im Jahr 2020 die Suizid-Rate bei Jugendlichen halbiert werden soll.»

swissinfo und Agenturen

Suizide pro Jahr in der Schweiz:

Rund 1000 Männer
Rund 400 Frauen
4 Suizide pro Tag

Mit 4 Suiziden pro Tag hat die Schweiz eine Suizidrate von 19,1 pro 100’000 Personen. Damit liegt sie hinter Russland, Ungarn, Slowenien, Finnland und Kroatien an 6. Stelle.

Bei Suiziden sterben heutzutage doppelt so viele Menschen als im Strassenverkehr. Er ist die erste Todesursache bei Männern zwischen 15 und 44 Jahren.

Ein Zehntel der Bevölkerung begeht einmal im Leben einen Selbstmordversuch, die Hälfte hat Suizidgedanken.

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