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Volk soll nicht über Einbürgerungen entscheiden

Die Initiative wurde am 18. November 2005 eingereicht. Keystone

Nach dem Nationalrat hat auch der Ständerat der Einbürgerungs-Initiative eine klare Absage erteilt. Ein indirekter Gegenvorschlag zur Initiative ist noch hängig.

Das Volksbegehren verlangt, dass Einbürgerungs-Entscheide wieder an der Urne gefällt werden können. Das Bundesgericht hat solche Entscheide als verfassungswidrig erklärt.

Eingereicht hat die Volksinitiative «für demokratische Einbürgerungen» die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP).

Die Initiative möchte die vom Bundesgericht als verfassungswidrig erklärten Einbürgerungs-Entscheide an der Urne wieder zulassen und eine Beschwerdemöglichkeit ausschliessen.

Jede Gemeinde solle selber bestimmen können, welches Organ das Gemeindebürgerrecht erteilt.

Nach dem Nationalrat (grosse Kammer) kam nun auch der Ständerat (kleine Kammer) zum Schluss, dass die Initiative zwar gültig sei, aber zu willkürlichen oder diskriminierenden Entscheiden führen könnte.

Das Volksbegehren verstosse auch gegen den Föderalismus, indem über die Kantone hinweg unmittelbare Zuständigkeiten der Gemeinden festgelegt würden.

Maximilian Reimann, Ständerat der SVP, beantragte als Mitinitiant erfolglos die Annahme der Initiative.

Die zur Verwaltungs-Angelegenheit herabgestufte Einbürgerung müsse wieder ein «rein politischer Akt», der Entscheid des Souveräns «unantastbar» sein.

Hier gehe es um mehr als einen Führerausweis oder die Bewilligung für einen Strassenmusikanten.

Vorrang für die Rechtsordnung

«Die entscheidende Schlacht wird an der Urne stattfinden», sagte Reimann. Auf Volk und Stände hofft auch This Jenny, der seinem Parteikollegen in der Debatte als einziger Schützenhilfe leistete: «Die Volksabstimmung wird zeigen, wie repräsentativ wir hier im Parlament sind.»

Mehrere Votanten hielten dem entgegen, dass Einbürgerungen «eine Mischung aus Verwaltungsakt und politischem Entscheid» seien. Willkür müsse dabei ausgeschlossen sein.

Der freisinnige Thomas Pfisterer warnte vor einem gefährlichen Pfad: «Wir dürfen nicht den Schutz der Rechtsordnung ausschliessen, wo es uns politisch so passt.»

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Volksinitiative

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Volksinitiative erlaubt den Bürgerinnen und Bürgern, eine Änderung in der Bundesverfassung vorzuschlagen. Damit sie zu Stande kommt, müssen innerhalb von 18 Monaten 100’000 gültige Unterschriften bei der Bundeskanzlei eingereicht werden. Darauf kommt die Vorlage ins Parlament. Dieses kann eine Initiative direkt annehmen, sie ablehnen oder ihr einen Gegenvorschlag entgegenstellen. Zu einer Volksabstimmung kommt es…

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Rekursmöglichkeit bei Ablehnung

Justizminister Christoph Blocher räumte ein, im Jahr 2000 sei die Einbürgerung auch für den Bundesrat noch ein politischer Akt gewesen, der keiner rechtlichen Beurteilung unterliege. Das sei damals auch die Haltung von Parlament und Lehre gewesen. Der Bundesrat teile nun aber die neue Auffassung des Bundesgerichts.

Die Lösung sieht der Ständerat in einer Gesetzesänderung, die er bereits im Dezember 2005 gutgeheissen hat. Diese Vorlage lässt zwar Einbürgerungsentscheide in Gemeindeversammlungen und an der Urne wieder zu. Ablehnungsanträge wären aber zu begründen, und negative Entscheide müssten vor Gericht angefochten werden können.

Noch in dieser Session wird sich der Nationalrat mit dem indirekten Gegenvorschlag des Ständerates befassen, der Rechtstaat und Demokratie zu versöhnen versucht. Seine Kommission beantragt mit knappem Mehr, Urnenabstimmungen über Einbürgerungsgesuche zu verbieten.

swissinfo und Agenturen

Einbürgerungen an der Urne oder Gemeindeversammlungen wurden von einigen Gemeinden vorwiegend in der Deutschschweiz praktiziert. Zu Reden gaben vor allem die Ablehnungen in Emmen (Luzern).

Dort hatten Kandidaten mit Namen, die auf eine Herkunft aus Ex-Jugoslawien schliessen liessen, keine Chance.

2003 entschied das Bundesgericht, ablehnende Entscheide müssten begründet werden. Seit dem Lausanner Urteil sind damit Einbürgerungen an der Urne faktisch illegal.

Um das Urteil des höchsten Schweizer Gerichts umzustossen, lancierte die SVP eine Initiative.

Wer sich in der Schweiz einbürgern will, muss seit 12 Jahren hier wohnhaft sein.

Eine Einbürgerungsbewilligung des Bundes erhält, wer gut integriert ist und die schweizerische Rechtsordnung kennt.

Die Einbürgerung erfolgt durch den jeweiligen Kanton und die Wohngemeinde.

2005 wurden 39’753 Einbürgerungen vorgenommen, so viele wie nie zuvor.

In der Schweiz leben mehr als 20% Ausländer.

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