Von der «Gurkenliga» zur Alpenliga?
Die Schweiz und Österreich diskutieren über eine gemeinsame Fussball-Meisterschaft. Die beiden Länder führen 2008 zusammen auch die Fussball-EM durch.
Die Idee einer Alpenliga ist jedoch umstritten.
Weg von der «Gurkenliga», wie einige Basler Spieler die jetzige Nationalliga A ein bisschen verächtlich nannten, hin zur gemeinsamen Alpenliga mit Österreich: Das möchten die beiden Grossclubs Basel und Grasshoppers Zürich.
Die beiden Mächtigen des Schweizer Fussballs, die auch den hehren Duft der Champions League kennen, stossen in der Nationalliga A mangels attraktiver Gegner an Grenzen – nicht nur an sportliche, sondern auch an finanzielle. Basel und GC haben sich bei der Nationalliga für eine Machbarkeitsstudie für eine Alpenliga eingesetzt.
Erstes informelles Treffen
Vertreter des österreichischen und Schweizer Fussballs, darunter auch GC-Präsident Peter Widmer und FCB-Mäzenin Gigi Oeri, haben vor kurzem in Oberwaldersdorf (Oe) informelle Gespräche über einen gemeinsamen Meisterschaftsmodus geführt.
Als treibende Kraft für eine Alpenliga gilt auf österreichischer Seite Peter Westenthaler, Wiens Pendant zum Schweizer Nationalliga-Direktor Edmond Isoz. Für ihn ist das Projekt eine «Riesenchance für beide Länder». Der erste Schritt sei nun gemacht, sagt Westenthaler, der sich auch auf die Unterstützung der meisten österreichischen Clubpräsidenten verlassen kann.
Abwarten und Skepsis in der Schweiz
Anders als bei Basel und GC stehen die Präsidenten anderer Schweizer Clubs dem Projekt Alpenliga eher abwartend bis skeptisch gegenüber. Es sei ungewiss, ob ein solches Projekt dann auch wirtschaftliche Verbesserungen bringe, mehr Fernseh- und Zuschauer-Einnahmen. Wer würde schon ein Spiel Basel-Ried einer Partie Basel-Servette vorziehen?
Vorsichtig gibt sich der Präsident der Nationalliga, Jean-François Kurz. Es sei Aufgabe der Schweizer Liga, alles zu prüfen, was zu einer Verbesserung des Schweizer Fussballs führen könnte.
Beim Schweizerischen Fussballverband (SFV) tönt es ähnlich verhalten: Man verfolge aufmerksam die Gespräche zwischen den beiden Ligen. Wenn die Nationalliga ein «ausgefertigtes Produkt» vorlege, werde der SFV Stellung nehmen, nicht ohne vorher den Weltfussballverband (Fifa) und den Europäischen Fussballverband (Uefa) kontaktiert zu haben.
Bisher hat die Uefa solche Ideen abgelehnt. Die zwei grossen schottischen Clubs Celtic Glasgow und Glasgow Rangers möchten in der englischen Meisterschaft mitspielen, die Uefa sagt aber Nein. Michel Platini, Uefa-Exekutivkomitee-Mitglied und ehemaliger Berater von Fifa-Präsident Sepp Blatter, lehnt Pläne für Fusionen nationaler Ligen oder für eine Europaliga der Top-Mannschaften vehement ab.
Hoffnung auf Geldsegen
Für GC-Präsident Widmer könnte die Alpenliga zur Generierung neuer Finanzmittel, zur Hebung der Attraktivität und zur Gesundung der Vereine beitragen. In beiden Ländern sorgen sich die Eliteclubs über die finanzielle Agonie der nationalen Ligen. Die Konkurse vom FC Lugano und vom FC Tirol Innsbruck sprechen Bände.
Für einen Geldsegen müsste eine in der Schweiz beheimatete Weltfirma Sponsor des Alpenliga-Projektes sein. Und auch die Geldquelle der Nationalliga A, das Fernsehen, könnte noch mehr angezapft werden. Das zumindest erhoffen sich die Befürworter der Fusion. Nur: Urs Leutert, Sportchef des Schweizer Fernsehens DRS, liess verlauten, dass SF DRS für die Alpenliga kein Interesse bekunde, «sowohl aus qualitativen als auch aus quantitativen Gründen».
Gegner des Projektes bezweifeln, ob eine Alpenliga den Clubs mit finanziellen Schwierigkeiten aus der Patsche helfen könnte. Vom Geldsegen würden einmal mehr die reichen Clubs profitieren, die sich ein Kader mit den besten Spielern leisten können.
Ein Versuchsballon
Der Vorschlag einer Alpenliga sei im Rahmen einer territorialen Restrukturierung auf wirtschaftlicher, politischer, kultureller und sportlicher Ebene zu sehen, sagt Martin Schüler von der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Lausanne (EPFL). Der Geograf verfolgt den Schweizer Fussball aus dem Blickwinkel der Siedlungsstrukturen.
«Die Idee – ob sie nun gut oder schlecht ist – zur Schaffung einer gemeinsamen schweizerisch-österreichischen Meisterschaft ist die einzige Möglichkeit für die beiden Länder, auf ein anderes Niveau zu kommen», so Schüler zu swissinfo.
Nach den Sommerferien soll eine Projektgruppe die Ergebnisse der von Basel und GC in Auftrag gegebenen Machbarkeitsstudie vorstellen. Allerdings muss das Komitee der Nationalliga an seiner Sitzung vom 25. April in Bern grünes Licht dafür geben.
Die Studie soll sich hauptsächlich mit den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen einer möglichen Alpenliga, der Reaktion der Uefa auf das weltweit bisher einzigartige Projekt sowie der Modusfrage befassen.
swissinfo, Jean-Michel Berthoud
Die Schweiz und Österreich organisieren die Fussball-EM 2008
21./22. März: Die Nationalliga erhält von Basel und GC den Auftrag für eine Alpenliga-Machbarkeitsstudie
8. April: Erstes informelles Alpenliga-Treffen zwischen Vertretern des österreichischen und Schweizer Fussballs in Oberwaldersdorf (Oe)
25. April: Nationalliga-Komitee-Tagung zum Thema Alpenliga
Die Schweiz und Österreich erörtern eine gemeinsame Alpenliga im Fussball. Für die Idee einer Fusion der beiden Meisterschaften haben sich in der Schweiz vor allem die zwei grossen Clubs Basel und Grasshoppers stark gemacht. Sie erhoffen sich Mehreinnahmen bei den TV-Rechten, der Werbung sowie bei den Zuschauern.
Zahlreiche Schweizer Clubpräsidenten begegnen dem Projekt Alpenliga mit Skepsis. Die kleinen Clubs sprechen sich dagegen aus, ebenso der Europäische Fussballverband (Uefa). Die Nationalliga sowie der Schweizerische Fussballverband (SFV) geben sich abwartend vorsichtig. In Österreich dagegen herrscht Optimismus.
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