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Waadt: Familien und Frauen dürfen bleiben

Diese fünfköpfige Familie aus Ex-Jugoslawien kann bleiben und das Kirchenasyl verlassen. Keystone

Der Kanton Waadt nimmt Familien mit Kindern, allein stehende Frauen aus dem Kosovo und Überlebende aus Srebrenica von der Zwangsausschaffung aus.

378 abgewiesene Asylsuchende müssen die Schweiz aber definitiv und rasch verlassen, wie die Behörden mitteilten.

Im Seilziehen um den Verbleib von abgewiesenen Asylsuchenden in der Waadt hat die Kantonsregierung am Dienstag einen weiteren Entscheid gefällt: Sie ist bereit, in 145 Fällen auf die Zwangsausschaffung zu verzichten.

378 der 523 Betroffenen aber, deren Asylgesuche vom Kanton und dem Bundesamt für Flüchtlinge (BFF) definitiv abgewiesen wurden, müssen die Schweiz verlassen.

Die Form einer begleiteten Rückschaffung soll mit den Kirchen, Parteien und der Unterstützungsbewegung für die abgewiesenen Asylsuchenden ausgehandelt werden, teilt die Kantonsregierung mit.

Grosse Solidaritäts-Bewegung

Um das Schicksal der abgewiesenen Asylsuchenden ist im Kanton Waadt seit mehreren Monaten ein Ringen im Gang: Während die Regierung eine harte Linie verfolgte, hatte sich der Widerstand gegen Zwangsrückschaffungen verbreitert.

Namentlich die Asylkoordination Le Refuge und die Waadtländer Kirchen wollen Zwangsausschaffungen verhindern und bieten Zufluchtsorte an. In Lausanne, Vevey, Payerne, Yverdon und Grandson stehen den Betroffenen entsprechende Refugien zur Verfügung.

Daneben gab es eine Resolution im Kantonsparlament, Kundgebungen in Lausanne, ein Aufruf der Kirchen zum zivilen Ungehorsam und Kritik von Amnesty International (AI) am Verfahren.

Ende der «Exception Vaudoise»

Der Kanton Waadt verfolgte während mehrerer Jahre eine eigene Politik und tolerierte den Aufenthalt rechtskräftig abgewiesener Asylsuchender entgegen den Vorgaben des Bundes.

Nachdem das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) Druck aufgesetzt hatte, wurden im Frühling 2004 die hängigen Gesuche unter dem Gesichtspunkt der Härtefallregelung überprüft.

Von den knapp 1300 Betroffenen erteilte das BFF 523 Personen einen negativen Entscheid. Davon erhielten im September 45 Menschen aufgrund neuer Sachverhalte einen positiven Asylentscheid.

Harte Haltung

In den anderen Fällen verpflichtete sich die Waadt jedoch, die Bundesentscheide zu respektieren und die Rückkehr der Abgewiesenen nötigenfalls mit Zwangsmassnahmen durchzusetzen.

«Die abgewiesenen Asylsuchenden müssen gehen. Sie können dabei einzig wählen, ob sie mit oder ohne Rückkehrhilfe in ihre Heimatländer zurückkehren», hatte der zuständige Waadtländer Staatsrat Jean-Claude Mermoud dazu öffentlich erklärt.

Der Widerstand gegen die drohenden Ausschaffungen zieht sich seit Monaten quer durch die politischen und gesellschaftlichen Lager. Risse könnten sich sogar in der Kantonsregierung öffnen.

Zwar haben die drei Regierungsmitglieder der linken Parteien – zwei sozialdemokratische Vertreter und einer der Grünen – bisher dem Druck ihrer Basis nicht nachgegeben und das Kollegialitätsprinzip respektiert. Ob das angesichts der nun zu vollziehenden Ausschaffungen weiter so bleibt, ist aber unklar.

Positive Reaktionen

Das BFF hat den Entscheid begrüsst, erinnerte aber die Waadtländer Behörde am Dienstag daran, dass sie die Rückkehr der zur Ausreise verpflichteten Personen umgehend organisieren und umsetzen müsse.

Die Schweizer Sektion der Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) begrüsste den Entscheid der Waadtländer Regierung ebenfalls, in Ausnahmefällen auf die Anwendung von Zwangsmassnahmen zu verzichten.

AI bedauert aber, dass die Waadtländer Regierung die definitiven Ablehnungs-Entscheide in den anderen Fällen nicht in Frage gestellt habe.

swissinfo und Agenturen

Der Kanton Waadt nimmt Familien mit Kindern, allein stehende Frauen aus dem Kosovo und Überlebende aus Srebrenica von der zwangsweisen Ausschaffung aus.
378 Personen dagegen müssen die Schweiz definitiv verlassen.

Letzten Sommer hatten Bund und Kanton Waadt die abgelehnten Dossiers von 1300 Asylsuchenden noch einmal geprüft.

Darauf wurde die Zahl der Personen, welche das Land verlassen müssen, auf 523 reduziert.

Infolge grossen Widerstandes quer durch die Gesellschaft reduzierte die Kantonsregierung die Zahl der auszuschaffenden Personen auf 378.

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