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Wahlen: Eine erster E-Voting-Test im Oktober

Über 5,1 Millionen Wählerinnen und Wähler, unter ihnen 538'000 Auslandschweizer, können an den Eidgenössischen Wahlen im Oktober teilnehmen. Keystone

Für die Parlamentswahlen am 23. Oktober will die Bundeskanzlei mit einer grossen Informations- und Sensibilisierungskampagne eine Wahlbeteiligung von über 50%, wie letztmals 1975, erreichen. Es gibt auch die ersten kantonalen E-Voting-Tests.

Dutzende von Wahllisten, Hunderte von unterschiedlichen Kandidatinnen und Kandidaten, Panachieren, Kumulieren und andere Spitzfindigkeiten, die man beim Wählen berücksichtigen muss: Das Ausfüllen der Wahllisten ist für viele Stimmbürgerinnen und Stimmbürger keine leicht verdaubare Angelegenheit.

Um den Appetit des Stimmvolkes anzuregen, hat die Bundeskanzlei ihre Wahlbroschüre, die alle Stimmberechtigten im Herbst erhalten werden, in Form eines Gastronomie-Führers herausgegeben. Die Broschüre mit dem Namen «In der Kürze liegt die Würze» ist illustriert mit Kulinarischem, und auch der Text lehnt sich an die Gastronomie an.

Was es mit vorgedruckten Wahllisten auf sich hat, wird etwa anhand von Fertigpizza erklärt. Dabei geben die Parteien ihre «Rezepte» bekannt. Bundeskanzlerin Corina Casanova sprach vor den Medien von einer «leicht verdaulichen Portion Staats- und Wahlkunde».

Die ersten 150’000 Exemplare der Wahlbroschüre gehen bereits in den kommenden Wochen an Gymnasien, Hoch- und Berufsschulen. Damit eröffnet die Bundeskanzlei praktisch ihre breite Kampagne zur Sensibilisierung der 5,1 Millionen Wahlberechtigten für die Eidgenössischen Wahlen im Oktober.

Informationsangebote auf den Internetseiten des Parlaments und der Bundesverwaltung, Instruktionsaktionen von Kantonen und Parteien, Wahlmaterial und Stimmauszählungs-Operationen: Die Bundeskanzlei budgetiert dieses Jahr Gesamtkosten von 15 bis 20 Millionen Franken. Und am 23. Oktober werden schweizweit rund 75’000 Personen dafür sorgen, dass die Wahl in den über 3200 Wahllokalen reibungslos über die Bühne geht.

Mindestens ein Schweizer auf zwei

Das erklärte Ziel von Bundeskanzlerin Corina Casanova ist es, bei den Parlamentswahlen im Herbst eine Wahlbeteiligung von über 50% zu erreichen, wie das in den meisten anderen europäischen Ländern der Fall ist. «Seit 1975 nimmt bei Eidgenössischen Wahlen in der Schweiz weniger als die Hälfte der Stimmberechtigten teil. Es würde sich für eine direkte Demokratie wie die unsere schicken, dass mindestens einer von zwei Schweizern an den Wahlen teilnehmen würde.»

Genau das System der direkten Demokratie ist aber einer der Hauptgründe, die zur Erklärung der sich verbreitenden Wahlabstinenz in der Schweiz erwähnt werden. «Schweizerinnen und Schweizer werden durchschnittlich alle drei Monate an die Urnen gerufen, für eidgenössische, kantonale oder kommunale Abstimmungen. Die Möglichkeit, sich auf diese Art zu sehr konkreten Themen zu äussern, führt zu einem Rückgang des Interesses bei Wahlen, die in anderen Ländern indessen das einzige politische Instrument der Bürgerinen und Bürger sind», sagte Barbara Perriard, Leiterin der Abteilung Politische Rechte der Bundeskanzlei.

In diesem Jahr scheint eine Wahlbeteiligung über 50% aber möglich zu sein. Nach einer langen Periode politischer Unbeweglichkeit, welche die zweite Hälfte des vergangenen Jahrhunderts charakterisiert hatte – die Stimm- und Wahlbeteiligung sank von 70% 1947 bis auf 42,5% 1995 – haben die Verunsicherungen bei Wahlen in letzter Zeit das Interesse der Wählerinnen und Wähler wieder geweckt. Seit knapp über zehn Jahren war eine Umkehr der Tendenz festzustellen, und bei den Wahlen 2007 betrug die Beteiligung 48,9%.

E-Voting in vier Kantonen

Die Wahlen 2011 bringen der Schweiz eine Premiere: Erstmals können Stimmberechtigte im Ausland elektronisch wählen. Falls der Bundesrat grünes Licht gibt, steht das Angebot rund 21’500 Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern aus den Kantonen Aargau, Basel-Stadt, Graubünden und St. Gallen zur Verfügung.

Dies sei ein wichtiger Meilenstein, auch wenn vorerst nur ein kleiner Teil der Stimmberechtigten profitieren könne, sagte Bundeskanzlerin Casanova.

«Der Bundeskanzlei wird oft vorgeworfen, sie treibe das im Jahr 2000 lancierte Projekt der elektronischen Stimmabgabe nur zögerlich voran. Ich erinnere jedoch daran, dass viele andere Länder, die viel schneller begannen, mittlerweile beschlossen haben, das E-Voting–Projekt abzubrechen. Heute prüfen lediglich die Schweiz, Norwegen und Estland ernsthaft die elektronische Stimmabgabe», so Casanova.

Bei den Eidgenössischen Wahlen 2015 sollte das E-Voting dann in allen Kantonen und für alle Stimmberechtigten Realität werden.

Wesentliche Vorteile

«Wir sind überzeugt, dass das E-Voting eine Erfolgsgeschichte wird, wie es in den letzten 20 Jahren die briefliche Stimmabgabe war. Heute stimmen in vielen Kantonen, wie auch im Kanton Aargau, über 90% der Leute brieflich ab. Dagegen stimmen mehr oder weniger gleich viele Leute weltweit immer noch an der Urne ab», sagt Peter Grünenfelder.

Für den Vorsteher der Staatskanzlei des Kantons Aargau bietet das E-Voting zwei wesentliche Vorteile. Es erlaubt allen Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern, an eidgenössischen Abstimmungen und Wahlen teilzunehmen. Heute treffen deren Wahlzettel per Post oft zu spät ein, je nach Land, in dem sie leben. Das E-Voting wird auch die Zahl der ungültigen Stimmen verkleinern. Das elektronische Stimmabgabe-Programm merzt nämlich Fehlerrisiken beim Ausfüllen des Wahlmaterials aus.

«Ich bin überzeugt, dass die Stimmberechtigten das E-Voting noch schneller benutzen werden als die brieflich Stimmabgabe», so Grünenfelder. «Beim ersten Test im Kanton Aargau bei der eidgenössischen Abstimmung vom 13. Februar dieses Jahres haben über 50% der stimmberechtigten Schweizer im Ausland das Instrument des E-Voting benützt.»

Über 5,1 Millionen Schweizerinnen und Schweizer, die im In- oder Ausland leben, sind für die Eidgenössischen Wahlen vom 23. Oktober 2001 stimmberechtigt.

Die Stimmbeteiligung bei den Wahlen 2007 betrug 48,9%. Dieses Jahr erhofft sich die Bundeskanzlei eine Beteiligung von über 50%.

3098 Kandidatinnen und Kandidaten stellten sich 2007 zur Wahl. Diese Zahl dürfte 2011 übertroffen werden.

75’000 Freiwillige werden im Oktober als Stimmenzähler und Informatiker dafür sorgen, dass die Wahl am 23. Oktober reibungslos über die Bühne geht.

Die Bundeskanzlei rechnet für die Eidgenössischen Wahlen 2011 mit Gesamtkosten von 15 bis 20 Millionen Franken.

Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer können seit 1977 an eidgenössischen Abstimmungen und Wahlen teilnehmen.

Seit 1992 können die Auslandschweizer ihr Stimm- und Wahlrecht bei eidgenössischen Urnengängen brieflich wahrnehmen.

Zur Teilnahmeberechtigung an eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen müssen die Auslandschweizer in der Schweizer Vertretung im Aufenthaltsland immatrikuliert sein und sich in ein Wahlregister einer Schweizer Gemeinde eintragen lassen.

Seit 1992 bis heute hat die politische Partizipation der Auslandschweizer stetig zugenommen: Ende 2010 waren 135’877 Auslandschweizer in den Wahlregistern eingeschrieben.

Bei den letzten Eidgenössischen Wahlen 2007 haben 44 Auslandschweizer für den Nationalrat kandidiert. Allerdings wurde keiner von ihnen gewählt.

(Übertragung aus dem Italienischen: Jean-Michel Berthoud)

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