WEF 2009: Wegen Krise Champagnerlaune verflogen
Das 39. World Economic Forum (WEF), das am Mittwoch beginnt, dürfte eines der grössten werden: Über 2500 Teilnehmende aus 96 Ländern sind in Davos angesagt. Statt Champagner fliessen Gedanken zur Wirtschafts- und Finanzkrise.
Die Krise drängt die Opinion- und anderen Leader hoch hinaus: Der Bündner Kurort wird am kommenden Weltwirtschafsforum (WEF) eine Rekordzahl von Teilnehmern beherbergen.
Die Organisatoren gehen davon aus, dass die logistischen Kapazitäten in Davos die Limite erreichen werden.
60% der Teilnehmenden stammen aus dem Bereich der Wirtschaft. Auch 43 Staats- und Regierungschefs geben sich die Ehre.
Dutzende von Handels- und Finanzministern, 19 Zentralbanker sowie 9 EU-Kommissare – das sind doppelt so viele wie normalerweise.
Der russische Ministerpräsident Wladimir Putin wird die Eröffnungsrede halten. Prominente Auftritte haben auch der chinesische Premierminister Wen Jiabao und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Der britische Premierminister Gordon Brown nimmt an Gesprächen über die Belebung der Weltwirtschaft und die Neuordnung der globalen Finanzarchitektur teil. Die Erkenntnisse sollen dann in den Gipfel der führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) in London im April einfliessen.
Und Barack Obama? Das WEF und die Einsetzung des neuen US-Präsidenten fallen zu nahe zusammen. Doch angemeldet sind Al Gore, Bill Clinton und weitere Grössen aus dem US-Kongress.
Parties flop, Workshops top
Dieses Jahr wird es wohl weniger oder kaum noch nächtliche Parties geben – für die die WEF-Organisatoren ohnehin jegliche Verantwortung ablehnen. Die Krise sei allgegenwärtig, sagt WEF-Gründer Klaus Schwab, und niemand könne von sich behaupten, sie völlig zu begreifen.
Deshalb wird dieses Mal der Meinungsaustausch grossgeschrieben, und die WEF-Verantwortlichen legen noch mehr Diskussions-Sitzungen und Workshops auf.
Die Champagnerlaune ist also endgültig verflogen. Das schwarze Loch der Finanz- und Wirtschaftskrise verschluckt allen Glanz. Nachdem die Warnungen überhört wurden, müssen jetzt die Scherben zusammengewischt werden.
Denn bereits vor einem Jahr hatte das WEF mit einem Schock begonnen: Die US-Konjunkturdaten waren schlecht und die Börsen erlebten ihren schlimmsten Kursverlust seit dem Crash im Jahre 2002.
Dennoch meinte damals der ehemalige US-Finanzminister John Snow, man solle sich von der Krise an den Finanzmärkten nicht erschüttern lassen: Die notleidenden Kredite und Kreditpapiere seien ja abgeschrieben.
Teure Fehleinschätzung im Januar 2008
Eine teure Fehleinschätzung: Mittlerweile ist die Welt Tausende von Milliarden Dollar ärmer. Der Tsunami an den Finanzmärkten hat die grossen US-Investmentbanken weggespült. Bankriesen wie die Royal Bank of Scotland, die Citigroup oder die UBS erlitten astronomische Verluste und mussten in die Staatshilfe flüchten.
Die Rezession in den USA hat 2008 bereits so vielen Menschen den Job gekostet wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Auch Europa leidet unter der Krise.
Dabei hatte bereits vor einem Jahr etwa der amerikanische Wirtschaftsprofessor Nouriel Roubini vor einer harten Landung der US-Wirtschaft gewarnt. Von einer Rezession in den USA könne sich die Welt nicht abkoppeln.
Die Zeichen an der Wand seien nicht wahrgenommen worden, sagt nun WEF-Gründer Klaus Schwab: Dies «lag nicht nur am Syndrom der Verdrängung unangenehmer Tatsachen, sondern auch daran, dass sich niemand wirklich fähig und verantwortlich fühlte, zu handeln».
Das multilaterale institutionelle System sei entweder zu schwach oder nicht genügend kompetent für ein überbordendes globales Finanzsystem. Und die einzelnen Regierungen hätten aus nationalem Interesse oder aus ideologischen Gründen auch keine restriktive globale Finanzstruktur gewollt.
Auswege aus der Krise
«Wir stecken immer noch mitten in der Krise», sagt Schwab. Nun will das 39. WEF vom 28. Januar bis 1. Februar unter dem Motto «Die Welt nach der Krise gestalten» Auswege aufzeigen.
Die komplexen Probleme der Welt könnten nur durch Kooperation gelöst werden, betont Schwab. Angesichts des Versagens der Wirtschaftselite dürften im Gegensatz zu 2008 die Politiker und Zentralbanker heuer am WEF den Ton angeben, die mit billionenschweren Rettungspaketen versuchen, den Zusammenbruch des Finanz- und Wirtschaftsystems zu verhindern.
Schweizer Kampf gegen Protektionismus
Von Seiten der Schweiz befasst sich Bundesrätin Doris Leuthard mit dem Kampf gegen den Protektionismus, der den Welthandel bedroht.
Im Vorjahr war es Leuthard am WEF gelungen, der blockierten Doha-Runde zur Liberalisierung des Welthandels neues Leben einzuhauchen. Allerdings reichte der Schwung bisher nicht zu einem Abschluss.
Gaza-Krieg: wohl wenig Wellen
Ganz klar im Schatten von Finanz- und Wirtschaftskrise stehen die übrigen Themen. Obwohl die Regierung des neuen US-Präsidenten Barack Obama kaum in Davos vertreten ist, wird sie an mehreren Veranstaltungen Gegenstand der Diskussionen sein.
Dagegen dürfte trotz des jüngsten Krieges in Gaza der Dauerkonflikt zwischen Israel und Palästinensern keine Wellen schlagen. Zwar ist der israelische Staatspräsident Schimon Peres am WEF, es fehlen aber führende palästinensische Politiker.
Von den weiteren politischen Brennpunkten auf der Welt stehen der Iran, Pakistan sowie die Konflikte im Kaukasus auf der Traktandenliste des WEF. Erneut breiteren Raum nehmen Klimawandel und Umweltschutz ein.
swissinfo, Pierre-François Besson und Agenturen
1971 wurde das World Economic Forum als «Management Symposium» von Klaus Schwab gegründet.
Seither findet das WEF jährlich in Davos statt. Ausser 2002, als es nach New York verlegt wurde, vier Monate nach dem Attentat vom September 2001.
Das 39. WEF soll über 2500 Teilnehmende aus fast 100 Ländern umfassen. Das Thema heisst 2009 «Shaping the Post-Crisis World» (Die Welt nach der Krise gestalten).
Der Schweizerische Evangelische Kirchenbund und das WEF organisieren parallel zum eigentlichen Forum ihr 7. Open Forum Davos, das öffentlich ist.
Am Open Forum werden neben Eveline Widmer-Schlumpf und Micheline Calmy-Rey auch der ehemalige UNO-Generalsekretär Kofi Annan auftreten.
Vorgesehen ist die Präsenz von drei Bundesräten am WEF in Davos. Als Bundes-Präsident und Finanzminister wird Hans-Rudolf Merz eine der Eröffnungsreden halten.
Angekündigt sind auch Aussenministerin Micheline Calmy-Rey und Wirtschaftsministerin Doris Leuthard.
Leuthard macht auch am traditionellen Round-Table der schweizerisch-amerikanischen Joint Economic Commission mit. Thema: Auswirkungen der Krise auf den Welthandel.
Am Samstag ist ein informelles Ministertreffen zum Welthandel und praktisch leblosen WTO (Welthandelsorganisation) geplant.
Ausserdem soll eine Absichtserklärung unterzeichnet werden, die den Freihandel zwischen Russland und der EFTA vorbereiten soll.
In Davos wird auch der neue Verteidigungsminister Ueli Maurer erwartet, der seiner Truppe einen Besuch abstatten soll.
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