Weitere Evakuation von Schweizern aus dem Libanon
Während die Kämpfe unvermindert weiter gehen, will die Schweiz am Samstag mehrere hundert Schweizer Bürger mit einem Schiff aus dem Kriegsgebiet bringen.
Der Schweizer UNO-Botschafter Peter Maurer hat am Freitag in New York vor dem Sicherheitsrat zu einem Waffenstillstand in Libanon aufgerufen.
In der Schweiz sind am Freitag 102 weitere Schweizer Flüchtlinge aus dem Libanon angekommen. Sie waren mit einem Konvoi auf dem Landweg nach Damaskus gelangt. Bereits am Donnerstagabend waren zwei Maschinen mit 214 Schweizer Rückkehrern von Aussenministerin Micheline Calmy-Rey in Zürich-Kloten empfangen worden.
Gesamthaft konnten bisher laut dem Schweizerischen Aussenministerium (EDA) rund 500 ausreisewillige Schweizer das Land verlassen.
Nach den letzten Angaben warten noch 300 bis 500 weitere Landsleute auf eine Möglichkeit zur Rückkehr. Für sie hat die Schweiz ein Frachtschiff gechartert, das am Samstag in Beirut einlaufen wird. Wie das EDA weiter mitteilte, bleibt die Situation für die noch immer im Süden des Libanons blockierten Schweizer prekär.
Helfer auf Zypern im Einsatz
Ein Team der Schweizerischen Korps für humanitäre Hilfe (SKH) ist dabei, auf dem Frachtschiff Feldbetten, Zelte und sanitäre Anlagen einzurichten, sagte Fabienne Wydler, SKH-Mitarbeiterin in Larnaka.
Das SKH ist mit 14 Leuten in der zypriotischen Hafenstadt im Einsatz. Ein Team von Ärzten und Psychologen betreut dort die Schweizer Bürger, die von Schiffen aus Beirut auf Zypern ankommen. «Die Leute sind zum Teil traumatisiert», so Wydler. Zwar haben das SKH bislang keine Verletzten betreuen müssen, doch seien viele der Rückkehrer von der langen Überfahrt geschwächt.
Völkerrecht nicht verhandelbar
Während einer offenen Debatte im UNO-Sicherheitsrat in New York über die jüngste Welle der Gewalt zwischen der Hisbollah und Israel hat am Freitag auch der UNO-Botschafter der Schweiz, Peter Maurer, das Wort ergriffen.
In erster Linie macht sich die Schweiz für die Einhaltung des humanitären Völkerrechtes und der Menschenrechte stark – und damit für den Schutz der Zivilbevölkerung auf beiden Seiten. Über das Einhalten von Rechtsvorgaben könne man nicht verhandeln, sagte der Botschafter gemäss Redetext.
Sofortiger Waffenstillstand
Drei Punkte stehen für die Schweiz im Vordergrund: Sie ist für einen sofortigen Waffenstillstand, die Einrichtung humanitärer Korridore zur Linderung der Not der Zivilbevölkerung in Israel und im Libanon sowie für die Entsendung einer internationalen Truppe.
Als Depositärstaat der Genfer Konventionen erinnert die Schweiz alle Beteiligten daran, dass das humanitäre Völkerrecht Angriffe gegen die Zivilbevölkerungen ebenso verbietet wie Angriffe auf zivile Einrichtungen.
Der Schweizer UNO-Botschafter unterstrich ebenfalls, dass die Schweiz jeden Akt der Gewalt, der Provokation und des Terrors verurteilt. «Und zweifellos hat Israel das Recht, sein Territorium und seine Bevölkerung vor solchen Akten zu schützen.»
Demonstration
Erstmals hat sich am Freitag in der Schweiz der Protest gegen die israelischen Angriffe auf die Strasse verlagert. Auf dem Bundesplatz in Bern demonstrierten am Nachmittag gemäss Polizei rund 1200 Menschen gegen den Krieg im Nahen Osten.
Sie forderten das sofortige Ende der militärischen Aggressionen Israels. Sie verlangten zudem, dass die Schweiz Sanktionen zur Durchsetzung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts ergreift. Für Samstag ist in Genf ein Schweigemarsch geplant.
Wegen der israelischen Angriffe haben die Schweizer Asylbehörden die Ausschaffung von abgewiesenen Asylbewerbern in das Land vorläufig gestoppt. Jährlich bitten rund 20 bis 30 Libanesen in der Schweiz um Asyl.
Risiko für Weltwirtschaft?
Für Philipp Hildebrand, Mitglied der Direktion der Schweizerischen Nationalbank, stellt die jüngste Eskalation im Nahen Osten ein Risiko für das Wirtschafts-Wachstum dar, wie er in der Zeitung «Finanz und Wirtschaft» erklärte.
«Durch die aktuellen Ereignisse ist es wahrscheinlich geworden, dass wir von einem noch etwas höheren Ölpreis ausgehen müssen», so Hildebrand. Neu sei dabei, dass Ölpreisanstieg nicht eine Folge der Nachfrage, sondern einer geopolitischen Krise sei.
swissinfo und Agenturen
838 Schweizer Staatsangehörige leben in Libanon.
713 sind schweizerisch-libanesische Doppelbürger.
Bisher haben rund 500 Schweizer das Land verlassen können.
Etwa ebenso viele sollen noch evakuiert werden.
Besorgte Angehörige in der Schweiz können sich an den konsularischen Schutz in Bern wenden: +41 31 325 33 33 (08.00 bis 21.00)
Am Freitag haben 1200 Menschen in Bern gegen die israelische Offensive im Libanon demonstriert.
Sie forderten das sofortige Ende der militärischen Aggressionen Israels. Sie verlangten zudem, dass die Schweiz Sanktionen zur Durchsetzung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts ergreift.
Die Schweizer Behörden verzichten im Moment darauf, abgewiesene libanesische Asylbewerber in ihre Heimat zurück zu schicken.
Davon sind nur wenige Personen betroffen. 139 Gesuche sind momentan in Prüfung.
Israel begann die Attacken auf den Libanon, nachdem die Hisbollah zwei israelische Soldaten entführt hatte.
Bisher haben die israelischen Angriffe mehr als 300 Todesopfer und mehr als 700 verletzte Zivilisten gefordert.
Die Hisbollah fährt fort, Israel von Libanon aus mit Raketen zu beschiessen. Auch auf israelischer Seite gibt es zivile Opfer.
Bisher lehnten die Hisbollah und Israel einen Waffenstillstand ab, zu dem die UNO aufgerufen hat. Die Kämpfe vom Freitag waren die heftigsten seit Beginn des nicht erklärten Krieges.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch