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Weniger Absprachen, billigere Autos

Neue Autos könnten bald billiger werden - wenn die Autokartelle fallen. www.auto.de

Konsumenten bezahlen europaweit zu viel für ein neues Auto. Die EU hat darum Absprachen Anfang Monat verboten. Ob die Schweiz mitzieht, ist noch nicht entschieden.

Die Schweizer Auto-Verbände kämpfen gegen die Abschaffung ihrer Kartelle.

Dieser Sommer war schlecht für Schweizer Autoimporteure und -verkäufer. Ende August hat die Wettbewerbskommission (WEKO) ein Papier in die Vernehmlassung geschickt, in dem sie ein Ende der kartellähnlichen Strukturen beim Autoverkauf fordert. Mitte September dann hat sich der Nationalrat entschieden, das Kartellgesetz zu revidieren: Im Visier hat die grosse Kammer unter anderem vertikale Absprachen.

Solche vertikale Absprachen sind für den Schweizer Auto-Markt zentral. So darf beispielsweise ein Garagist nicht Autos verschiedener Importeure im selben Showroom ausstellen oder durch Parallelimporte den Importeur einer Marke umgehen. Zudem darf er nur Ersatzteile einbauen, die er auch beim entsprechenden Importeur gekauft hat.

Das Nachsehen haben die Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten, die zu viel für ihr Auto oder Reparaturen bezahlen.

Die EU geht voran

Das ist nicht nur in der Schweiz so, sondern bis vor kurzem auch in der Europäischen Union (EU). Kartell-Kommissar Mario Monti hat aber am 1. Oktober die so genannte Gruppenfreistellungsverordnung (GVO) auslaufen lassen. Bestehende Verträge über Absprachen in der EU müssen jetzt innerhalb eines Jahres ans neue EU-Gesetz angepasst werden.

Die GVO hatte das Auto-Kartell während 17 Jahren legalisiert, um Europas Autoproduzenten den Aufbau eines kundenfreundlichen Vertriebsnetzes zu ermöglichen.

Die WEKO will es der EU gleich tun, damit die ohnehin teure Schweiz nicht
Hochpreis-Insel für Autos bleibt. «Die Schweiz darf nicht durch wettbewerbswidrige Regeln von der EU, unserem mit Abstand wichtigsten
Handelspartner, abgeschottet werden», sagt Patrick Krauskopf, Vizedirektor
der WEKO, gegenüber swissinfo.

Gerade für die Schweiz, die über keine eigene Autoproduktion verfüge, sei ein Abweichen von der EU im Bereich der Wettbewerbsregeln nicht zweckmässig. «Der Nationalrat hat mit seinem Entscheid ein klares Zeichen gesetzt und die Bemühungen der WEKO bestätigt.»

Widerstand aus der Autobranche

Bei der Autobranche stossen diese Absichten auf erbitterten Widerstand. Sie befürchtet einen tiefgreifenden Umbruch der gewachsenen Branchenstruktur. Es wird darauf hingewiesen, dass über 80% der Garagen kleine und mittlere Betriebe (KMU), häufig gar Familienbetriebe sind. Diese seien in Gefahr.

«Auto-Schweiz», die Vereinigung der Schweizer Automobil-Importeure, hat ihre Vernehmlassungs-Stellungnahme zum WEKO-Vorschlag abgegeben. Was dort drin steht, bleibt vorerst geheim. «Kein Kommentar, bis die Vernehmlassung abgeschlossen ist», hiess es gegenüber swissinfo.

Furcht vor Garagen-Sterben

Auch der Autogewerbe-Verband der Schweiz (AGVS ) gibt sich zugeknöpft. In der veröffentlichten Stellungsnahme zu Handen der WEKO wird der Vorschlag aber als Ganzes abgelehnt.

AGVS-Zentralpräsident Roland A. Ayer befürchtet insbesondere, dass «die heutigen Strukturen in der Branche gänzlich in Frage gestellt, in der Praxis gar zerstört» werden. Ayer moniert auch, dass sich die Schweizer WEKO «einmal mehr auf die europäischen Entwicklungen beruft, (…) dann aber mit der eigenen Lösung weiter über den von der EU gegebenen Rahmen hinausschiesst».

Dem widerspricht WEKO-Vizedirektor Krauskopf. «Wir sind nicht päpstlicher als der Papst. Wir gehen nicht weiter als die EU.» Für ihn ist die Furcht vor einem Garagen-Sterben unbegründet. Gerade für KMU könne eine Lockerung der Wettbewerbs-Bestimmungen mehr Spielraum schaffen, beispielsweise bei Verhandlungen mit Autozulieferern. «Wer gut und innovativ ist, wird profitieren können», sagt Krauskopf.

Keine Autovermieter in den Startlöchern

Die Autobranche befürchtet, dass starke Konkurrenten in einem liberalisierten Markt einbrechen könnten, beispielsweise grosse Auto-Vermieter.

Dies scheint unbegründet. Die Autovermieter verkaufen bereits heute ihre Fahrzeuge auf dem Occasionsmarkt – auch an Private. Aber eine Marktlücke sehen sie hier keine. «Wir verkaufen lieber an Occasion-Händler, die müssen nicht dreimal mit der Frau vorbei kommen und die Farbe anschauen», sagt ein Manager einer grossen Schweizer Autovermietung gegenüber swissinfo.

Ein- oder zweijährige Übergangsfrist

Die WEKO berät seit Montag über die Vernehmlassungs-Antworten. Tritt die neue Regelung in Kraft, gilt sie ab sofort für neue Verträge zwischen Händlern und Importeuren. Für bereits bestehende Absprache-Verträge rechnet Krauskopf mit einer Übergangsfrist. «Es geht konkret um die Frist von einem Jahr oder von zwei Jahren», sagt Krauskopf.

Der Entscheid des Nationalrats, eine strengere Beurteilung von Vertriebsregeln im Gesetz festzuschreiben, geht in den Ständerat. Noch sind viele Fragen offen.

Der grundsätzliche Entscheid, gegen Kartelle in der Schweiz vorzugehen, ist also gefallen, und erste Schritte wurden getan. Doch bis die Konsumentinnen und Konsumenten merklich profitieren können, wird wohl noch einige Zeit vergehen.

swissinfo, Philippe Kropf

Eine vertikale Absprache liegt vor, wenn sie sich auf sich ergänzende Waren oder Leistungen bezieht. Sie werden von Wirtschaftsteilnehmern auf unterschiedlicher Stufe ausgehandelt (z.B. Abnehmer und Lieferanten) und beschränken meist den Wettbewerb innerhalb einer Marke.

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