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Wie sicher sind Spitzenpolitiker in der Schweiz?

Bundesrat Samuel Schmid mitten im Publikum an einem Eishockeymatch beim Spengler Cup in Davos: Wie lange ist so etwas in der Schweiz noch möglich? Keystone

Am 1. Mai vertrieben Linkschaoten Bundespräsident Leuenberger vom Rednerpodium. Am 1. August 05 schrien Rechtsextremisten Amtsvorgänger Schmid nieder.

Politisch bedenkliche Signale. Die Frage ist aber auch, ob die Sicherheit von hohen Politikern in der Schweiz heute gefährdet ist.

Kurz nach Beginn der 1. Mai-Rede von Moritz Leuenberger waren rund 100 Aktivisten des «Revolutionären Blocks» ins Festgelände auf der Zürcher Bäckeranlage eingedrungen. Sie warfen Knallpetarden und wollten das Rednerpodium stürmen. Der Bundespräsident brach seine Rede ab und wurde in Sicherheit gebracht.

Leuenbergers Amtsvorgänger Samuel Schmid war am letzten 1. August während seiner Rede auf dem Rütli von 700 Neo-Nazis niedergeschrien worden. Nach kurzer Pause setzte er seine Rede fort.

Sicherheits-Versäumnisse?

Der Zürcher Stadtpräsident Elmar Ledergerber sagte zur Aktion gegen Bundespräsident Leuenberger, das sei «eine Form von Terror, die wir nicht akzeptieren können». Es sei unverständlich, warum die Polizei nicht früher eingegriffen habe.

Laut Leuenbergers Sprecher hat der Bundespräsident bereits im Vorfeld Bedenken wegen der Sicherheit angemeldet, sei aber beschwichtigt worden. Und der Zürcher SP-Präsident und Mitorganisator der 1.-Mai-Feier in der Bäckeranlage sprach von einer «polizeilichen Fehlleistung».

Die Bäckeranlage sei ein offenes Gelände, das nicht hermetisch abgeriegelt werden könne, erwiderte Polizeivorsteherin Esther Maurer. Laut einem Polizeisprecher haben die Ordnungskräfte einen guten Job gemacht und sich richtigerweise zurückgehalten. Die Sicherheit des Bundespräsidenten sei nie gefährdet gewesen.

Sicherheitslage grundsätzlich nicht verändert

Ob in Zürich am 1. Mai etwas falsch gemacht wurde und von wem, kann Victor Mauer, stellvertretender Leiter der Forschungsstelle für Sicherheitspolitik der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH), nicht sagen. «Ich habe da den Einblick nicht, ich kann mir kein Pauschalurteil leisten», sagt er gegenüber swissinfo.

Nach den jüngsten Ereignissen könne man grundsätzlich nicht von einer veränderten Sicherheitslage für hohe Schweizer Politiker ausgehen. «Vielmehr geht es um punktuelle Ereignisse wie den 1. Mai oder den 1. August, wo bestimmte Randgruppen versuchen, sich zu profilieren.»

Freie Bewegung – der richtige Weg?

In der Schweiz bewegen sich politische Persönlichkeiten ziemlich frei. Regierungspolitiker trifft man oft in öffentlichen Verkehrsmitteln an. Dies ist auch in den nordischen Ländern der Fall. Nur: In Schweden wurden 2003 Aussenministerin Anna Lindh und 1986 Premierminister Olof Palme auf offener Strasse umgebracht. «Freie Bewegung» kann also tödlich sein.

Für Mauer ist das dennoch der richtige Weg. Dabei sollte man nicht vergessen, dass diese «freie Bewegung», auch von Spitzenpolitikern der Schweiz, immer auf einem soliden Sicherheitsdispositiv beruhe, so der Experte. «Das heisst, die Sicherheitslage wird grundsätzlich eingeschätzt.»

Es gehe nicht prinzipiell darum, dass sich alle Schweizer Politiker einfach möglichst frei bewegen könnten. «Der Wunsch ist vorhanden, aber es wird sicherheitspolitisch natürlich sehr genau abgeschätzt, ob das den Anforderungen entspricht oder nicht», so Mauer.

Vertrauen in die Sicherheitsbehörden

1990 wurde der iranische Oppositionsführer Kazem Radjavi bei Genf auf offener Strasse erschossen, laut Ermittlungen der Polizei durch Schergen des iranischen Geheimdienstes. Ein politischer Mord – eine Seltenheit in der Schweiz.

Erstaunlich, wenn man zum Beispiel den unbefangenen Auftritt der Schweizer Chefanklägerin am Haager Tribunal, Carla Del Ponte, an einer kontroversen Balkan-Veranstaltung des Schweizer Aussenministeriums im Berner Kursaal im Herbst 2005 mitverfolgte.

Könnte an einem derartigen oder ähnlichen Treffen, zu dem Hunderte von Leuten einen relativ leichten Zugang haben, etwas passieren? Dazu Victor Mauer: «Das Geheimnis jedes Personenschutzes ist letztlich, dass man diesen oft nicht sieht. Davon hängt der Erfolg ab, ob das nun Carla Del Ponte oder andere hochrangige politische Persönlichkeiten betrifft, auch ausländische, welche die Schweiz besuchen.»

Man könne davon ausgehen, dass die zuständigen Schweizer Behörden sehr genau das Sicherheitsdispositiv im Vorfeld eines Besuches oder zur Bewegung von Spitzenpolitikern abschätzten und entsprechendes Personal einsetzten, so der Experte. «Ich glaube nicht, dass sich in diesem Sicherheitsbereich künftig grundsätzlich etwas ändern muss.»

swissinfo, Jean-Michel Berthoud

Der Dienst für Analyse und Prävention (DAP) des Bundesamtes für Polizei soll die Aufgaben des präventiven Staatsschutzes erfüllen. Er ist auch das Analyse- und Lageorgan des Bundes im Bereich der inneren Sicherheit.

Der DAP arbeitet eng mit den Polizeiorganen der Kantone und der Bundeskriminalpolizei, aber auch mit anderen schweizerischen Fachstellen und ausländischen Dienststellen zusammen.

Der präventive Staatsschutz hat u.a. den Auftrag, Gefährdungen durch Terrorismus und gewalttätigen Extremismus zu erkennen. Aufgrund seiner Erkenntnisse werden Massnahmen zur Verhinderung oder strafrechtlichen Verfolgung solcher Umtriebe ergriffen.

Der Personenschutz im Inland sorgt für den Schutz folgender Personen:

Parlamentarierinnen und Parlamentarier in Ausübung ihres Amtes

Magistratspersonen des Bundes

Bedienstete des Bundes, die besonders gefährdet sind

völkerrechtlich geschützte Personen.

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