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«Wirtschaftliche Sanktionen nützen nichts»

Burmas Militär in Aktion gegen Demokratie-Bewegung. Keystone

Die Repression gegen die Massenproteste in Burma verschärft sich. Ein Vertreter der Association Suisse Birmanie bezeichnet das Kräfteverhältnis innerhalb der Junta und die Rolle Chinas als entscheidend.

Das Schweizer Aussenministerium hat die Reisehinweise für Burma angepasst. Wegen der ungewissen Sicherheitslage wird von Reisen in das Land abgeraten.

Trotz Warnungen der internationalen Gemeinschaft hat das Militärregime Burmas am Donnerstag eine Reihe von Angriffen auf buddhistische Klöster lanciert. Hunderte von Mönchen wurden verhaftet. Laut dem nationalen, von der Militärjunta kontrollierten Fernsehen gab es bisher neun Tote, darunter acht Demonstranten.

Diplomaten der Europäischen Union (EU) erwägen neue Wirtschaftssanktionen gegen Burma.

Matthias Huber von der Association Suisse Birmanie zeigt sich im Gespräch mit swissinfo skeptisch gegenüber solchen Massnahmen. Für ihn ist wichtig, auf China Druck auszuüben.

swissinfo: Hat der Aufstand in Burma Chancen?

Matthias Huber: Es hängt alles von der Haltung Chinas ab und dem Willen des burmesischen Militärs, auf das Nachbarland zu hören. Militärisch hat der Aufstand keine Chancen. Die Bevölkerung ist nicht bewaffnet. Zudem wünscht sie keine gewaltsame Auseinandersetzung. Die Miltärs haben die Macht.

swissinfo: Wie weit gehen die Militärs?

M.H.: Wir wissen kaum etwas über das Kräfteverhältnis innerhalb der Armee. Es gibt aber zwei Gruppen: Eine, die zu allem bereit ist, keine Konzessionen macht und jederzeit in die Menge schiesst.

Die andere Gruppe ist zu Verhandlungen mit den Aufständischen und zu Konzessionen bereit, zumindest mit den demokratischen Führern. Eine Unbekannte sind die Opportunisten, die sich der dominierenden Gruppe anschliessen werden.

Ebenfalls einen Einfluss wird das Generationenproblem in der Armee haben. Die alten Generäle wie Junta-Chef Than Shwe sind in einem Alter, wo sie an einen Rückzug denken. Hinter ihnen stehen aber junge Militärs, die auf ihre Stunde warten.

Grundsätzlich weiss man aber nichts über die birmesische Junta. Diese Leute haben keine Militärakademien im Ausland besucht. Sie wurden im Land ausgebildet, in einem geschlossenen, undurchsichtigen System.

swissinfo: Besteht ein Risiko, dass sich das Blutbad von 1988 wiederholt?

M.H.: Ja, das Risiko ist sehr gross. Wenn die Hardliner-Fraktion gewinnt, ist ein Blutbad garantiert. Umso mehr, als die Armeesoldaten zum grössten Teil Leute vom Land sind, die keine Ausbildung in Sachen Kontrolle der Massenproteste haben. Ihre einzige Reaktion wird es sein, in die Menge zu schiessen – wie sie es von den Generälen gelernt haben.

1988 hatte es zahlreiche von der Junta eingesetzte Provokateure. Sie mischten sich unter die protestierenden Studenten, um die Soldaten zum Schiessen zu bewegen. Heute mischen sie sich unter die protestierenden Mönche.

swissinfo: China ist ein äusserst wichtiger Akteur in der Krise. Laut Angaben aus dem UNO-Sicherheitsrat hat China am Donnerstag die Militärführung Burmas zur Mässigung aufgerufen. Was braucht es, damit China konkret handelt?

M.H.: China hat grosses Interesse daran, dass die Situation in Burma nicht aus dem Ruder läuft. Aus verschiedenen Gründen, auch wegen der Olympischen Spiele 2008 in Peking. China möchte wegen seines Images im Westen, aber auch in der eigenen Bevölkerung, Olympische Spiele ohne Zwischenfälle.

Das einzige Druckmittel des Westens sind nicht Wirtschaftssanktionen. Weder die EU noch die USA unterhalten zu Burma wirtschaftliche Beziehungen, die diesen Namen verdienen. Das Land treibt mit Asien Handel. In diesem Zusammenhang wäre ein wirtschaftlicher Boykott eher symbolisch als wirksam.

Dagegen könnte der Westen mit einem Boykott der Olympischen Spiele drohen. Dieses Druckmittel wäre für mich wesentlich überzeugender.

swissinfo: Kann Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi irgend etwas ausrichten?

M.H.: Ich vermute, sie wurde in ein bewachtes Gefängnis gebracht, was für mich eher ein beruhigendes Zeichen ist. Gewisse Militärs sind sich offenbar bewusst, dass jetzt vielleicht die letzte Gelegenheit zu Verhandlungen mit der Oppositionsführerin gekommen ist. Und dazu muss Aung San Suu Kyi am Leben bleiben.

swissinfo-Interview: Carole Wälti
(Übertragung aus dem Französischen: Jean-Michel Berthoud)

Die britische Kolonie Burma (auch Birma genannt) erlangt 1948 die Unabhängigkeit. Ein Staatsstreich von General Ne Win beendet 1962 die junge Demokratie und führt zu einer inzwischen mehr als 45-jährigen Militärherrschaft.

1988 schlägt die Militärjunta einen mehrwöchigen Studentenaufstand blutig nieder. Tausende von Menschen werden getötet.

1990 gewinnt die oppositionelle NLD (National League for Democracy) die ersten Wahlen seit 30 Jahren mit einem Stimmenanteil von 80%. Das Resultat wird von den Militärs nicht anerkannt, die Oppositionsführerin und spätere Nobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi unter Arrest gesetzt.

Früher eine der reichsten Kronkolonien, ist Myanmar (wie das Land seit 1989 offiziell heisst) heute weitgehend verarmt und international isoliert. Die Militärjunta unterdrückt systematisch Opposition und Meinungsfreiheit. Gemäss UNO gibt es mindestens 1100 politische Häftlinge.

Das Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) hat am Donnerstag wegen der ungewissen Sicherheitslage in Burma von Reisen in das Land abgeraten.

Zuvor hatte das EDA lediglich geraten, Kundgebungen gegen die Militärjunta in Burma zu meiden, da «die Teilnahme an Demonstrationen auch für Ausländer strafbar» sei.

Laut EDA leben in Burma mindestens 50 Schweizerinnen und Schweizer. Man sei mit der Schweizer Kolonie in Kontakt. Bisher habe es keine Probleme gegeben.

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