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Zehn Jahre Zivildienst

Zivildienst-Einsatz in einem Altersheim. Keystone

In der Schweiz gibt es seit 1996 einen Zivildienst für Militärdienstverweigerer. 15'000 Personen haben ihn bisher geleistet.

An einer Jubiläumsveranstaltung in Bern würdigte Bundesrätin Doris Leuthard die Leistungen des Zivildienstes und zeigte Möglichkeiten zur Weiterentwicklung auf.

Die Armee hebt heute deutlich weniger Wehrleute aus als zu den Zeiten des Kalten Krieges. Deshalb werden viel mehr junge Männer als dienstuntauglich erklärt.

Entsprechend nehmen auch die Zivildienstgesuche ab: von über 2101 im Jahre 2002 auf 1656 im Jahr 2005; in diesem Jahr waren es bisher 1343 Gesuche.

Als eine Entwicklungs-Möglichkeit sieht die Chefin des Volkswirtschaftsdepartments die Verbesserung der Grundausbildung der «Zivis», den Ausbau der Schwerpunktprogramme und den Aufbau von Partnerschaften im Umweltbereich.

Ausserdem solle man die «Zusammenarbeit mit den Institutionen der Sicherheitspolitik im Rahmen der Existenzsicherung» klären, um die Hilfeleistungen nach besonderen Ereignissen zu verbessern, sagte Leuthard.

Schliesslich sei das Zulassungsverfahren zum Zivildienst zu überprüfen.

Gewissensprüfung bleibt

An einen gänzlichen Umbau des Zulassungsverfahrens denkt Leuthard aber nicht. «Es schadet der persönlichen Entwicklung eines jungen Menschen sicher nicht, wenn er über sich selbst, seine moralische Grundhaltung und sein Verhältnis zum Staat nachdenken muss», sagte die Wirtschaftsministerin.

In letzter Zeit war von verschiedener Seite die Abschaffung der Gewissensprüfung gefordert worden, der sich der Zivildienst-Willige zu unterziehen hat.

Der vor zehn Jahren per Gesetz geschaffene Zivildienst habe die Armee und die Militärjustiz vom Problem der Kriminalisierung der Militärdienst-Verweigerer befreit, erklärte Leuthard. Heute sei der Dienst akzeptiert, «Zivis» gälten nicht mehr als Drückeberger.

Lange Anlaufzeit

Als eines der letzten westeuropäischen Länder hatte die Schweiz 1996 einen Zivildienst eingeführt. Damit war die Frage der Militärdienstverweigerung entschärft, die das Land während des ganzen 20. Jahrhunderts beschäftigt hatte.

Dienstverweigerung wurde in der Schweiz mit Gefängnis bestraft. Seit 1903 forderten vor allem Sozialisten und Pazifisten im Parlament in verschiedenen Vorstössen ein Ende dieser Praxis und einen zivilen Ersatzdienst.

In der Zeit der Weltkriege und des Kalten Krieges war diesen Anliegen aber kein Erfolg beschieden. Erst ab 1950 gab es gewisse Straferleichterungen für Verweigerer aus religiösen und ethischen Gründen.

Zwei Volksbegehren abgelehnt

Volksbegehren für einen zivilen Ersatzdienst («Münchenstein»- respektive «Tatbeweis-Initiative») wurden 1977 und 1984 an der Urne mit über 60% Nein-Stimmen verworfen.

Ausgelöst durch eine Parlamentarische Initiative des sozialdemokratischen Nationalrates Helmut Hubacher überarbeitete das Parlament 1991 den Wehrpflicht-Artikel der Bundesverfassung. Er lautete nun: «Jeder Schweizer ist wehrpflichtig. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.»

Die Verfassungsänderung wurde am 17.Mai.1992 mit 82,5% Ja-Stimmen und von allen Kantonen angenommen. Das Gesetz und die Verordnung konnten auf den 1.Oktober 1996 in Kraft gesetzt werden.

swissinfo und Agenturen

Die Schweiz führte den Zivildienst erst 1996 ein, als eines der letzten westeuropäischen Länder. Zivildienst gilt laut Gesetz als Ersatz für den Militärdienst, der die Regel bleibt.

Er dauert anderthalb mal so lange wie der Militärdienst und wird in zivilen Einsatzbetrieben ausserhalb der Armee geleistet. Zuständig für den Zivildienst ist das Volkswirtschaftsdepartement.

Wer nachweisbar aus Gewissensgründen keinen Militärdienst leisten kann, der kann ein Gesuch für die Zulassung zum Zivildienst einreichen. Das darf frühestens nach dem Orientierungstag geschehen, aber auch später, wenn bereits ein Teil des Militärdienstes geleistet wurde.

Es gilt dabei, ein Verfahren zu durchlaufen, während dem man seine ethischen und moralischen Werte glaubhaft machen muss. Voraussetzung ist, dass man diensttauglich ist. Ausgemusterte Personen werden nicht zugelassen.

Key facts:

1996-2006: 17’000 Zivildienstgesuche.

1996-2006: Über 15’000 Zivildienstpflichtige mit 2,25 Mio. Diensttagen.

70% ihrer Einsätze leisten die «Zivis» im Gesundheits- und Sozialwesen.

5000 Einsatzpläne in 1500 Einsatzbetrieben.

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