Zürich stellt EU-Beitritt zur Diskussion
Der Kanton Zürich sieht in einem EU-Beitritt Vor- und Nachteile. Für den Wirtschaftsplatz sei der bilaterale Weg vorteilhafter.
Bei Bereichen wie Sicherheit, Migration, Gesundheit und Bildung ist laut einem Bericht der Zürcher Regierung allerdings ein EU-Beitritt vorzuziehen.
Die Bilanz einer Arbeitsgruppe der Zürcher Regierung, welche die jeweiligen Vor- und Nachteile eines EU-Beitritts beziehungsweise von bilateralen Verhandlungen aus der Sicht des Kantons Zürich untersucht hat, fällt zwiespältig aus.
Der Bericht ist am Donnerstag in Buchform erschienen und wurde gleichentags den Medien vorgestellt. An sich liegt er schon seit 2004 vor. Mit Rücksicht auf wichtige Abstimmungen zum Thema habe man ihn aber zurückgehalten, sagte Regierungssprecherin Susanne Sorg. Nun liegt eine aktualisierte Fassung vor.
Präsidiert wurde die direktionsübergreifende Arbeitsgruppe von Daniel Brühlmeier von der Staatskanzlei. Herausgekommen sei ein «komplexer, vielfältiger Bericht», aufgeteilt in acht Themenblöcke, sagte er.
Es sei nicht um einen politischen Positionsbezug gegangen, sondern um eine möglichst umfassende Darlegung der verschiedenen Aspekte. In die Beurteilung einbezogen wurden wo nötig auch externe Gutachten.
Konsequenzen eines allfälligen EU-Beitritts
Thema für Thema geht der Bericht auf die Ist-Situation ein und nennt die Bedürfnisse des Kantons Zürich. Dann beleuchtet er zu einer ganzen Liste von Fragen die Konsequenzen eines allfälligen EU-Beitritts beziehungsweise einer Weiterführung des bilateralen Wegs und kommt schliesslich zur Gesamtbeurteilung.
Die Bilanz ist zwiespältig: Einem EU-Beitritt gibt die Arbeitsgruppe den Vorzug bei den Themenblöcken Innere Sicherheit, Migration und Asyl, Gesundheit, Bildung und Forschung sowie Föderalismus und Demokratie.
Der bilaterale Weg dagegen wäre vorzuziehen, wenn es um Soziale Sicherheit geht, um Finanzplatz, Zinsniveau und Steuern, um Wirtschaft, Arbeit und Verkehr sowie um Raumplanung, Umweltschutz, Beschaffungswesen und technische Handelshemmnisse.
Aus der Optik eines grossen Kantons
Mit dem Bericht will der Kanton Zürich seine Optik als grosser Kanton einbringen. Ein Sechstel der Schweizer Bevölkerung lebt im Kanton, der ein bedeutender Wirtschafts- und Finanzplatz und nicht zuletzt auch ein wichtiger Agrarkanton ist.
In vielen Bereichen sei Zürich auf Kantonsebene der «wichtigste Player», sagte Brühlmeier. Seines Wissens habe kein anderer Kanton eine vergleichbare Arbeit gemacht oder in Vorbereitung.
Noch will die Regierung keine Stellungnahme zum Thema abgeben. Man wolle mit dem Bericht die Diskussion lancieren und zwar nicht auf ideologischer sondern auf sachlicher Ebene, sagte Sorg. Eine formelle Vernehmlassung ist zwar nicht vorgesehen. Jede Stellungnahme sei aber willkommen.
Ende Mai wird die Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) zwei Gutachten zum Thema veröffentlichen und Ende Juni wird voraussichtlich der Bundesrat seinen Bericht verabschieden. Eine konsolidierte Stellungnahme der KdK zu Europa ist laut Brühlmeier Ende Jahr zu erwarten.
swissinfo und Agenturen
Die Schweiz tut sich schwer mit ihrem Platz in Europa.
Im Mai 1992 deponierte die Regierung bei der EU ein Beitrittsgesuch.
Nach dem Nein des Stimmvolkes zum Beitritt der Schweiz zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) im Dezember 1992 sah sie sich gezwungen, das Gesuch auf Eis zu legen.
Sie verankerte den EU-Beitritt noch als längerfristiges Ziel, konzentrierte sich aber in der Praxis auf den bilateralen Weg. Seit Ende 2005 bezeichnet sie den Beitritt nur noch als Option.
Der bilaterale Weg führte zum Abschluss von insgesamt 19 Abkommen. Das erste Paket wurde 1999 abgeschlossen, das zweite 2004.
Im Sommer wird die Regierung einen neuen Bericht zu ihrer Europa-Politik verabschieden.
Die bilateralen Abkommen decken vor allem folgende Bereiche ab: Sicherheit, Migration, Statistik, Umwelt, Medien, Steuerbetrug, Zinssteuer, Bildung, verarbeitete Agrar-Produkte.
Der Bericht: «Zürich und Europa», Herausgeber: Regierungsrat des Kantons Zürich. Erhältlich im Buchhandel für 58 Franken.
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