Zwei Geiseln in Kolumbien freigelassen

Nach über fünfjähriger Gefangenschaft haben die kolumbianischen Farc-Rebellen zwei Geiseln freigelassen. Die Befreiung kam auf Initiative des venezolanischen Präsidenten Hugo Chavez zu Stande.
Das Schweizische Aussenministerium begrüsste die Freilassung. Bern hatte sich in den letzten fünf Jahren um die Befreiung von Farc-Geiseln bemüht.
Bei den beiden Freigelassenen handelt es sich um Clara Rojas, eine Mitarbeiterin der früheren Präsidentschaftskandidatin Ingrid Betancourt, sowie um die ehemalige Parlamentsabgeordnete Consuelo Gonzalez.
Dies erklärten venezolanische Behörden am Donnerstag. Die Befreiung wurde vom Internationalen Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) in Bogotá bestätigt. Das IKRK werde sich um die beiden freigelassenen Frauen kümmern, erklärte die Chefin der IKRK-Mission, Barbara Hintermann, in Bogotá.
Die beiden Frauen, die in der venezolanischen Stadt Santo Domingo von Helikoptern in ein Flugzeug umstiegen, flogen sofort in die Hauptstadt Caracas weiter, wo Präsident Chavez sie triumphierend erwartete.
Chavez hatte sich in den vergangenen Wochen als Vermittler im Konflikt der kolumbianischen Regierung mit den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens (Farc) um ihre Befreiung bemüht.
Die Farc halten weiterhin zahlreiche Geiseln in ihrer Gewalt, darunter auch Betancourt, die neben der kolumbianischen auch die französische Staatsbürgerschaft besitzt.
Bern: «Erster Schritt»
Die Schweiz habe «mit Freude und Erleichterung» von der Befreiung vernommen, heisst es in einer Mitteilung des Schweizerischen Aussenministeriums (EDA).
Darin dankte die Schweiz insbesondere dem kolumbianischen Präsidenten Alvaro Uribe und dem venezolanischen Präsidenten Hugo Chavez für die Zusammenarbeit, die diesen glücklichen Ausgang ermöglicht habe.
Gleichzeitig begrüsste Bern auch die Geste der Farc. Dabei handle es sich um einen unerlässlichen ersten Schritt. Die Freilassung aller Geiseln bleibt laut dem Ministerium von Micheline Calmy-Rey eine dringende Priorität und sollte möglichst bald erfolgen.
Dissens wegen Terminologie
Die Schweiz setzte sich in den vergangenen fünf Jahren auf diplomatischer Ebene für eine Geiselfreilassung ein. Dabei bezeichnete sie aber die Farc nicht als terroristische Organisation, sondern offiziell als «Partei eines internen Konflikts».
Dies hat zu Unstimmigkeiten mit der kolumbianischen Regierung geführt, wie sie beim Besuch des kolumbianischen Aussenministers in Bern von letztem September zum Ausdruck gekommen waren.
Das Mandat, eine Freilassung von Farc-Gefangenen zu erwirken, erteilte Präsident Uribe schliesslich dem venezolanischen Präsidenten Chavez, der sich ideologisch in der Nähe der Farc-Rebellen positioniert.
Hoffnung auch in Paris
Auch in Paris schöpfte man am Donnerstag Hoffnung: «Nach so vielen Jahren sind die Guerilleros endlich bereit, einen Schritt nach vorne zu machen», sagte Betancourts Tochter Mélanie. «Dann müssen die Geiseln, die dort sind, nicht in diesem Dschungel dahinsiechen und sterben.»
Auch der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy drückte seine Freude aus und erklärte, er hoffe nun auf weitere Geiselbefreiungen. Die Befreiung wurde ebenfalls von der Europäischen Union (EU) sowie den USA begrüsst.
Im zweiten Anlauf
Chavez› Vermittlungsversuche hatten zuletzt einen herben Rückschlag erlitten. Erst entzog ihm der kolumbianische Präsident Alvaro Uribe das Mandat für die Vermittlung und die beiden Präsidenten beschimpften sich gegenseitig auf derbe Art.
Dann scheiterte ein erster Versuch der Freilassung der beiden Geiseln Rojas und González. Grund war offenbar die Verwirrung über das Schicksal von Rojas› dreijährigem Sohn Emmanuel, der während der Geiselhaft geboren wurde und dessen Vater ein Guerillero sein soll.
Die Farc hatten zunächst ebenfalls die Freilassung des Kindes angekündigt. Dann stellte sich aber heraus, dass sich der Dreijährige bereits seit mehr als zwei Jahren in einem staatlichen Heim in Bogota befindet.
Rojas wurde im Februar 2002 entführt, als sie den Wahlkampf der damals ebenfalls verschleppten Präsidentschaftskandidatin Ingrid Betancourt als Beraterin unterstützte.
Die Abgeordnete González wurde im September 2001 in der Nähe der Stadt Neiva entführt. Nach der Freilassung der beiden Geiseln will Chavez einen umfassenden Austausch von 46 Geiseln, darunter auch Betancourt, gegen in Kolumbien inhaftierte Farc-Mitglieder herbeiführen.
swissinfo und Agenturen
Seit Dezember 2005 haben die Schweiz, Frankreich und Spanien ihre Vermittlungs-Bemühungen in Kolumbien verstärkt.
Die drei Länder haben eine entmilitarisierte Zone von 280 Quadratkilometern vorgeschlagen, um den Austausch von Geiseln und Gefangenen zwischen der Regierung und den Rebellen zu erleichtern.
Die Regierung Kolumbiens und die 17’000 Mann zählenden Bewaffneten Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (Farc) bekämpfen sich seit vier Jahrzehnten.
Die Farc wurde in den 1960er-Jahren gegründet. Sie kontrolliert heute gegen 40% des kolumbianischen Territoriums, besonders in den Dschungelgebieten und den Ebenen am Fuss der Anden.
Die Rebellenorganisation wird von den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union als Terror-Organisation eingestuft. Die Farc selbst sieht sich jedoch als Vertreterin im Kampf der armen Landbevölkerung gegen die Reichen.
Die Farc finanziert sich durch verschiedene Aktivitäten, darunter Geiselnahmen, Erpressung und die direkte und indirekte Teilnahme am Drogenhandel.

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