Zwei Jahrzehnte Frontarbeit gegen Aids
Die Aids-Hilfe Schweiz ist 20 Jahre alt. Zum Feiern sieht sie allerdings wenig Grund.
Seit ihrer Gründung am 2. Juni 1985 starben weltweit Millionen von Menschen an der Krankheit, darunter 5000 in der Schweiz.
«Wir feiern nicht», meint David Vuillaume, Kommunikationsleiter der Aids-Hilfe Schweiz, gegenüber swissinfo. «Im Idealfall wären HIV und Aids kein Thema mehr, und die Aids-Hilfe Schweiz wäre nicht nötig. Leider ist das nicht so.»
Wer gegen HIV und Aids kämpft, steht vor beträchtlichen Herausforderungen. Aber seit zwei Jahrzehnten arbeitet die Aids-Hilfe Schweiz unermüdlich für die Prävention von HIV und Aids und gegen die Diskriminierung der Aids-Kranken.
Die Organisation hat, wie sie sagt, in dieser Zeit viel bewirkt. So stieg zum Beispiel der Gebrauch von Kondomen in Hochrisikosituationen seit 1987 von 8 auf über 60 Prozent.
Und laut Vuillaume spricht man dank den STOP Aids-Kampagnen in der Schweiz offener über Sexualität, Drogen und Randgruppen. «Es ist zwar jetzt einfacher, offen über Sex zu sprechen. Über HIV und Aids aber sprechen die Leute nicht so offen.» Auch heute falle es noch sehr schwer, zu sagen: ‹Ich bin HIV-positiv.›
«Die Gesellschaft hat sich also weiterentwickelt, aber Diskriminierung besteht nach wie vor», so Vuillaume.
Gefahr der Nachlässigkeit
Laut Roger Staub, Mitbegründer der Aids-Hilfe Schweiz und heute Leiter der Abteilung Aids und HIV im Bundesamt für Gesundheit (BAG), besteht nun das Hauptproblem darin, dass die Leute nachlässig geworden sind.
«In den letzten zehn Jahren gab es nur zwei Themen in den Medien», so Staub gegenüber swissinfo. «Erstens die HIV-Aids-Katastrophe in der Dritten Welt, die in unserer Gesellschaft als ‹kein Problem – das ist weit weg› wahrgenommen wird.»
«Zweitens die Pharmaindustrie, die immer wieder verkündet: ‹Wir haben neue Medikamente, es gibt neue Tabletten›. So denken die Leute, HIV und Aids könnten geheilt werden.»
Diese zwei Botschaften seien gefährlich, weil die Leute nachlässig würden. Das Problem HIV/Aids bestehe in der Schweiz nach wie vor, so Staub.
Seit 2001 nimmt die Zahl der HIV-Neuinfektionen in der Schweiz wieder zu, nachdem sie seit 1992 abgenommen hatte. Letztes Jahr wurden 741 Menschen positiv auf HIV getestet und 300 Aids-Fälle wurden gemeldet.
2002 stiegen die HIV-Infektionen unter homosexuellen Männern in der Schweiz erneut um 37 Prozent; seither hat sie sich auf etwa diesem Niveau stabilisiert. Das zeigt deutlich, dass die Aids-Kampagnen eine wichtige Zielgruppe nicht mehr erreichen.
Laufend immer neue Kampagnen
Am 29. April begann die jüngste STOP-AIDS-Kampagne «Love Life – Stop Aids» mit zwei Schweizer Hollywood-Persönlichkeiten, der Schauspielerin Renée Zellweger und dem Filmregisseur Marc Forster. Die Kampagne wurde in Partnerschaft mit dem BAG lanciert und will eine positive Botschaft über Sexualität vermitteln.
Staub, der das nationale HIV- und Aids-Programm 2004-2008 leitet, findet wie Vuillaume, dass die Gesellschaft gegenüber der Sexualität offener geworden ist.
Er meint, vor 20 Jahren wären die Leute über die heutigen Slogans schockiert gewesen. Aber auch heute noch würden Plakate herunter gerissen oder mit Graffiti bedeckt. «Doch auch diese Reaktionen finde ich gut, denn sie schaffen Bewusstsein und lösen Diskussionen aus», so Staub.
«Wir konzentrieren uns stark auf das Machbare», fügt er bei. «In Frankreich sagte man den Leuten vor 20 Jahren zum Beispiel: ‹Ich stecke dich nicht mit Aids an.› Das ist ja ganz nett, aber damit kann man nicht viel anfangen. Unsere Botschaft ist seit 18 Jahren ‹Stop Aids – benutze Kondome›: Eine einfache Botschaft, der man nachleben kann», sagt Staub.
swissinfo, Thomas Stephens
(Übertragen aus dem Englischen: Charlotte Egger)
Seit 1983 wurden in der Schweiz 8023 Aids-Kranke gemeldet. 5531 davon starben.
Seit 1985 fielen in der Schweiz 27’904 HIV-Tests positiv aus.
2004 wurden 300 neue Aids- und 742 neue HIV-Fälle gemeldet.
Weltweit starben seit 1981 20 Millionen Menschen an Aids.
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