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Zweideutige Bundesrats-Antwort auf Rassismus-Bericht

Der Schweizer Botschafter Blaise Godet versichert, der Föderalismus behindere das Vorgehen gegen Rassismus in keiner Weise. Keystone

In seiner Antwort vor dem UNO-Menschenrechts-Rat begrüsst der Bundesrat den Rassismus-Bericht des Sonderberichterstatters. Er gesteht auch die vom Bericht erwähnten Probleme ein.

Doch distanziert sich die Schweizer Regierung andererseits vom UNO-Rassismus-Bericht. Er verallgemeinere etwas übereilt.

Vor einem halben Jahr präsentierte der UNO-Sonderberichterstatter einen Vorbericht zur Situation der Schweiz in Sachen Fremdenhass und Ausländerdiskriminierung. Doudou Diène hat nun am Dienstag und Mittwoch vor dem UNO-Menschenrechts-Rat die wichtigsten Schlüsse aus dem Schlussbericht vorgetragen.

Diène hatte im Januar 2006 in der Schweiz recherchiert. Im Bericht spricht er von einer «rassistischen und fremdenfeindlichen Dynamik. Es fehle auch auf nationaler Ebene das Eingeständnis dieses Zustandes und einer entsprechenden Strategie dagegen. Ausserdem stellt er eine «politische Instrumentalisierung der Identitätsfrage» fest.

In seiner Antwort hat Botschafter Blaise Godet im Namen der Schweizer Regierung den Bericht begrüsst. Er gestand ein, dass ein Problem besteht, und verwies auf die konstanten Bemühungen rund um das Einführen internationaler Konventionen in der Schweiz.

«Es gibt Rassismus in der Schweiz, und unsere Behörden sind dessen auf allen Stufen bewusst», versicherte der Botschafter.

Der Bundesrat geht auf Distanz

Das Communiqué der Schweizer Regierung selbst, am gleichen Tag im Umlauf gebracht, ging aber im Tonfall etwas mehr auf Distanz: Vom Bericht wird darin «Kenntnis genommen».

Und: «Der Bundesrat schätzt, dass man nicht auf Grund von Einzelfällen allgemeine Schlussfolgerungen vornehmen kann, die auf eine Dynamik des Rassismus und der Fremdenfeindlichkeit schliessen lassen.» Dieser Kommentar war in Godets Ansprache nicht enthalten.

Wie auch immer, Doudou Diène erklärt sich zufrieden mit der Antwort. «Sie ist ausgeglichen», versichert er gegenüber swissinfo. Und präzisiert, dass sein Bericht der Beginn eines Dialog-Prozesses mit der Schweizer Zivilgesellschaft und den Behörden sei.

Föderalismus und Rassismus

Ein Ausblick, der die Schweiz erfreue, kommentiert Blaise Godet, der auch der Schweizer Delegation des UNO-Menschenrechts-Rats vorsteht.

In seiner Antwort unterstreicht Godet auch die Tugenden des helvetischen Föderalismus. Dieser werde aber von Doudou Diène als Hindernis für eine landesweite Abwehrstrategie gegen den Rassismus erachtet.

«Unser Föderalismus ermöglicht es uns, auf jedem Niveau konkret vorzugehen», sagt der Schweizer Botschafter. «Auf Gemeinde, Kantons- und Bundesebene, was ein Vorgehen von unten nach oben ermöglicht.» Das erlaube ein Instrumentarium, das ganz nahe an der Wirklichkeit stehe.

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EKR

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR) wurde 1995 geschaffen. Sie drückt das Engagement der Landesregierung (Bundesrat) für einen Kampf gegen Rassismus, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus aus. Ihre Aufgabe ist es, jede Form von direkter oder indirekter rassenbedingter Diskriminierung zu bekämpfen. Grossen Wert legt sie auf die Prävention. Daneben fördert die EKR ein besseres Einvernehmen zwischen…

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Die SVP reagiert

Diène, der unabhängige Experte der UNO, prangert auch die Existenz von «rassistischen und fremdenfeindlichen Plattformen in politischen Programmen und Reden» an. Eine Andeutung, die sich primär auf die Schweizerische Volkspartei (SVP) bezieht, die zwei der sieben Regierungsmitglieder (Bundesräte) zählt.

Michele Galizia, welcher der Fachstelle für Rassismusbekämpfung im Departement des Inneren vorsteht, versichert, dass fremdenfeindlichen Aussagen nicht an sich etwas Negatives seien, wenn sie sich im Kontext der direkten Demokratie ergäben: «In der Schweiz wird über alles mögliche abgestimmt», sagt Galizia. «Das erlaubt die Identifikation der Probleme, die auf diese Weise nicht unter den Teppich gekehrt werden können.»

Die SVP ihrerseits setzt sich über die Vorwürfe des UNO-Experten hinweg. In der Westschweizer Tageszeitung Le Temps erklärt ein SVP-Sprecher: «Ich gehe weiter davon aus, dass die Analysen von Doudou Diène nicht richtig sind, dass er schlecht informiert wurde und dass er sich nur mit Linksexponenten traf.» Der Rassismus in der Schweiz sei nicht derart beunruhigend.

swissinfo, Frédéric Burnand, Genf
(Übertragung aus dem Französischen: Alexander P. Künzle)

Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR) hat Bund und Kantone aufgerufen, die Empfehlungen des Rassismus-Berichts des UNO-Menschenrechts-Rat zu befolgen.

Sie glaubt, dass der UNO-Experte Doudou Diène den Finger auf einige sensible Stellen gelegt hat.

Sie heisst auch seine Empfehlung gut, eine landesweit gültige Gesetzgebung und ein Aktionsprogramm gegen den Rassismus auszuarbeiten.

Die Kommission bittet den Bund, die Kantone nach jeder Publikation eines Berichtes von internationalen Behörden zu einem Round Table zu laden, um ihnen die Empfehlungen näherzubringen.

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