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Lebenslange Verwahrung in gezähmter Form

Lebenslängliche Verwahrung: nicht vereinbar mit den Menschenrechten. Keystone

Die Regierung will die Verwahrungsinitiative menschenrechtskonform umsetzen. Sie hat die 2004 vom Volk angenommene Vorlage abgeschwächt.

Gefährliche Sexualstraftäter sollen lebenslang verwahrt, bei neuen Heilungschancen aber therapiert und wenn möglich freigelassen werden.

Der Bundesrat (Landesregierung) hat am Mittwoch die Botschaft zur Verwahrungsinitiative verabschiedet. Er strich die Möglichkeit, die lebenslange Verwahrung auch nachträglich anzuordnen. Mit diesem Umsetzungsvorschlag sei wohl das Optimum erreicht, sagte Justizminister Christoph Blocher vor den Medien.

Einerseits soll damit die Gesellschaft besser vor gefährlichen und untherapierbaren Straftätern geschützt werden, andererseits würden laut Bundesrat aber auch die Menschenrechte gewahrt.

In seiner Botschaft listet der Bundesrat neu abschliessend auf, wer als extrem gefährlicher und nicht therapierbarer Sexual- oder Gewaltstraftäter gilt. In Frage kommen unter anderem Mörder, Vergewaltiger und Räuber.

Lebenslang verwahrt werden sie, wenn sie die physische, psychische oder sexuelle Integrität ihrer Opfer schwer beeinträchtigt haben. Zudem muss ein Rückfallrisiko bestehen, und es dürfen keine Chancen auf Heilung diagnostiziert werden.

Ohne Überprüfung keine Menschenrechte

Ist ein solcher Täter einmal verwahrt, wird diese Verwahrung konform zum Initiativtext nicht mehr automatisch überprüft. Um den Grundsätzen der Menschenrechtskonvention Rechnung zu tragen, sieht der Bundesrat aber dennoch eine Überprüfungsmöglichkeit vor: Einerseits können die Verwahrten eine Überprüfung verlangen. Neu sollen dies auch die Behörden selber tun können.

Eine noch zu schaffende Fachkommission wird dann abklären, ob neue wissenschaftliche Erkenntnisse zur Therapierbarkeit des Täters vorliegen. Gestützt auf ihren Bericht entscheiden die Kantone dann, ob ein Täter behandelt werden kann. Ist das Urteil positiv, wird die lebenslange Verwahrung in eine stationäre Behandlung umgewandelt.

Wenn das Gefährdungspotenzial des Täters durch hohes Alter, schwere Krankheit oder durch andere Gründe nicht mehr gegeben ist, kann das Gericht eine bedingte Entlassung anordnen.

Wie Blocher sagte, wird die praktische Bedeutung der Vorlage wohl gering sein. Nun wird das Parlament entscheiden.

Strafrechtler nicht erstaunt über Rückzieher

Der Freiburger Strafrechtler Marcel Niggli ist nicht erstaunt über den Rückzieher des Bundesrats bei der Umsetzung der Verwahrungsinitiative. Seiner Ansicht nach hätte die Landesregierung die Vorlage nie zur Abstimmung unterbreiten dürfen.

Der Bundesrat habe einen Fehler begangen, als er die Verwahrungsinitiative für gültig erklärt hatte, sagte Niggli. Dass die Initiantinnen einen Überprüfungsautomatismus für lebenslang Verwahrte ausschliessen wollten, verstosse gegen die Bundesverfassung und gegen die Europäische Menschenrechts-Konvention.

Anliegen ist symbolisch

Auch hätte der Bundesrat nach Ansicht Nigglis mit mehr Nachdruck und Überzeugung darlegen müssen, dass die von der Initiative vorgesehene Verfassungsänderung nicht anwendbar sei. Zudem sehe das Strafgesetzbuch (StGB) Möglichkeiten vor, das Anliegen der Initiantinnen umzusetzen.

Das StGB erlaube es bereits heute, die Bevölkerung vor gefährlichen, nicht therapierbaren Straftätern im Sinne der Initiative zu schützen. Solcherart verurteilte Personen würden das Gefängnis nicht mehr verlassen, wenn keine Aussicht auf Besserung bestehe.

Das Anliegen der Initianten sei symbolisch, sagte Niggli. Der Vorlage liege eine fast göttliche Auffassung der unverzeihbaren Sünde zugrunde.

Das menschliche Recht sehe dagegen die Möglichkeit vor, auf eine lebenslange Verwahrung zurückzukommen. Gegen dieses Prinzip zu verstossen, sei auch ein Verstoss gegen die Grundprinzipien des Rechtsstaats.

Das Verhalten der Landesregierung erkläre sich aus dem politischen Kontext, sagte Niggli. Die frühere Justizministerin Ruth Metzler habe die Initiative für gültig erklärt, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, das Volk mundtot machen zu wollen.

Weil Metzlers Nachfolger Christoph Blocher sich stillschweigend für die Initiative ausgesprochen habe, sei die Landesregierung in der Abstimmungs-Kampagne wenig überzeugend gewesen.

Initiantinnen erwägen Referendum

Ein Referendum des Komitees der Verwahrungsinitiative wird immer wahrscheinlicher. «Wir können die Umsetzung unserer Vorlage, wie sie der Bundesrat vorsieht, nicht akzeptieren», sagte Komiteepräsidentin Anita Chaaban.

Dass der Bundesrat auf die nachträgliche lebenslange Verwahrung verzichten wolle, bedeute eine weitere Abschwächung der Initiative, sagte Chaaban. Als stossend empfindet sie auch, dass die Gründe für eine bedingte Entlassung ohne vorgängige Behandlung erweitert wurden.

Noch stehe nicht fest, ob das Komitee das Referendum gegen die Vorlage ergreifen werde. Es sehe jedoch ganz danach aus, da das Parlament das Projekt des Bundesrats höchstens noch zum Nachteil des Komitees verändern werde.

swissinfo und Agenturen

Im Februar 2004 hat das Schweizer Stimmvolk die Verwahrungsinitiative mit 56,2% JA Stimmen angenommen.

Für eine lebenslängliche Verwahrung muss sich das Gericht auf die Gutachten von mindestens zwei erfahrenen und voneinander unabhängigen Sachverständigen stützen.

Der Deliktskatalog führt abschliessend auf: Mord, vorsätzliche Tötung, schwere Körperverletzung, Raub, Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, Freiheitsberaubung oder Entführung, Geiselnahme, Menschenhandel, Völkermord oder Verletzung des Völkerrechts in bewaffneten Konflikten.

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