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Nein zu Kapitalgewinn-Steuer

Mit der Kapitalgewinn-Steuer zielte der Gewerkschaftsbund auf mehr Steuergerechtigkeit. swissinfo.ch

Private Kapitalgewinne aus Börsengeschäften bleiben unbesteuert: Das Stimmvolk hat der Initiative für eine Kapitalgewinn-Steuer eine klare Abfuhr erteilt.

Die Vorlage scheiterte ganz deutlich am Ständemehr, kein einziger Kanton sagte Ja. Der Nein-Stimmen-Anteil lag bei 65,9%. Die Stimmbeteiligung betrug 37,1%. Die Resultate der einzelnen Kantone weichen isgesamt nur wenig von einander ab. Es gibt auch keinen «Röstigraben».

Am wenigsten Nein-Stimmen erhielt die Vorlage im Kanton Jura mit 54,8%. Im Kanton Neuenburg waren es 58,5%, im Kanton Bern 58,48% und in Basel-Stadt 61,7%.

Am klarsten verworfen wurde die Kapitalgewinn-Steuer mit 81,2% Nein-Stimmen im steuergünstigen Kanton Schwyz. Über dem landesweiten Durchschnitt lag der Nein-Stimmen-Anteil unter anderem auch in Nidwalden (77,9%), Appenzell Innerrhoden (77,6%) und Zug (75,7).

Das Stimmvolk folgte bei der Abstimmung klar der Argumentation von Bundesrat und Parlament, wonach die neue Steuer ein Fremdkörper, wirtschaftsfeindlich, überflüssig, kompliziert und zudem wenig ergiebig wäre. Der Ruf der Linken nach mehr Steuergerechtigkeit stiess bei einem Grossteil der Stimmenden auf taube Ohren.

Bekenntnis zum Wirtschaftsstandort

Die Ablehnung der Kapitalgewinn-Steuer wurde in erster Linie als Bekenntnis zum Wirtschafts- und Finanzplatz Schweiz interpretiert. Zum Resultat beigetragen hat wahrscheinlich auch die Börsenflaute der letzen Monate – und wohl auch der wachsende Anteil von privaten Aktienbesitzern.

Der Gewerkschaftsbund (SGB), der die Initiative lanciert hatte, und die SPS sahen in der Börsenflaute einen wichtigen Grund für den Ausgang der Abstimmung.

Finanzminister Kaspar Villiger zeigte sich nach dem Urnengang zufrieden. Er habe zwar ein gewisse Verständnis gehabt für das Gerechtigkeits-Argument der Initianten. Andererseits seien die Reichen schon heute schwer belastet. Mit dem Nein zur Kapitalgewinn-Steuer werde ein Vorteil des Standortes Schweiz gewahrt.

Jaeger: Mut zu einer umwälzenden Steuerreform

Franz Jaeger, Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität St. Gallen, war über den Ausgang des Urnengangs «überhaupt nicht erstaunt», wie er im Gespräch mit swissinfo erklärte. «Aus ökonomischer Sicht betrachtet, ist diese Kapitalgewinn-Steuer von allen Seiten her betrachtet falsch.»

Den Ausschlag für das klare Nein gab nach Jaegers Ansicht nicht die Börsenflaute, sondern die Angst um den Wirtschaftsstandort Schweiz, «der mit dieser unsinnigen Steuer einen weiteren Schlag erhalten hätte».

Pfannenfertige Rezepte für die Zukunft des Steuersystem in der Schweiz hat auch der Wirtschafts-Professor nicht. «Ich denke aber, wir sollten den Mut haben und das Wagnis eingehen, das Steuersystem stark zu vereinfachen». Vor allem müsste man die Steuern vermehrt darauf ausrichten, was jemand ausgibt. Ein solches System wäre nicht nur einfach. «Es könnte auch sozial sehr gerecht ausgestaltet werden», gab sich Jaeger überzeugt.

Enttäuschung und Freude

Die Initianten zeigten sich vom Ausgang des Urnengangs enttäuscht, aber nicht überrascht. SGB-Präsident Paul Rechsteiner und SP-Nationalrat Rudolf Strahm sahen die Börsenflaute der letzten Zeit als einen Hauptgrund für das Scheitern der Initiative. Zentralsekretär Serge Gaillard führte das deutliche Nein unter anderem auf die Angst zurück, welche die Gegner-Seite verbreitet habe.

Erfreut über den Ausgang der Abstimmung zeigten sich naturgemäss die Gegner der Vorlage und die bürgerlichen Parteien. So fand FDP-Präsident und Nationalrat Gerold Bührer, mit dem klaren Nein sei eine Steuer verhindert worden, die für den Wirtschaftsstandort Schweiz schädlich gewesen wäre. Bührer wertete das Ergebnis als klare Absage an etatistische Eingriffe.

Erfreut zeigten sich auch der Dachverband der Schweizer Wirtschaft, économiesuisse, sowie die Schweizer Bankiervereinigung (SBVg). Das Resultat sei eine klares Votum gegen neue Belastungen von Klein- und Mittelbetrieben (KMU), teilte économiesuisse mit. Auch das KMU-Komitee selbst und der Gewerbeverband begrüssten den Ausgang der Abstimmung. Für die Bankiervereinigung hat das Stimmvolk «in Steuerfragen einmal mehr verantwortungsbewusst» entschieden.

Kapitalgewinn bleibt steuerfrei

In der Schweiz müssen von Privaten an der Börse erzielte Gewinne also auch in Zukunft nicht versteuert werden. Dies hatte der Gewerkschaftsbund (SGB) mit seiner Initiative zur Kapitalgewinn-Steuer ändern wollen.

Die Annahme der Vorlage hätte dazu geführt, dass Kapitalgewinne von mehr als 5000 Franken zu mindestens 20% versteuert werden müssen. Allfällige Kapitalverluste hätten im Steuerjahr und den zwei darauf folgenden Jahren mit den Kapitalgewinnen verrechnet werden können.

Argumentiert worden war vor allem mit der mangelnden Steuergerechtigkeit: Jedes andere Einkommen – vom Lohn bis zum Lottogewinn – werde besteuert. Daher sei auch das Einkommen aus Kapitalgewinnen zu besteuern.

Schaden für Wirtschaftsstandort

Die bürgerliche Seite hatte die Initiative vor allem damit bekämpft, dass die Steuer zu Doppelbelastungen führe – vor allem die Vermögenssteuer der Kantone würde unter Druck kommen. Dazu kam die Warnung vor negativen Auswirkungen für den Wirtschaftsstandort Schweiz.

Obschon Parlament und Bundesrat die Initiative zur Ablehnung empfohlen hatten, waren sich die Abgeordneten mehrheitlich einig, dass es in der Schweiz mit der Steuergerechtigkeit hapere. Auch die Regierung war nicht prinzipiell gegen das Anliegen. Sie setzt aber auf eine umfassende Steuerreform.

Rita Emch

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