P wie Pinguin
Bruno P. Zehnder, weltberühmter Pinguin-Fotograf, bezahlte seine Leidenschaft für die Tiere mit dem Leben.
Das Naturmuseum St.Gallen zeigt in seiner Sonderausstellung «Unter Pinguinen» rund 30 grossformatige Arbeiten des Künstlers, der sich offiziell ein P für Pinguin in seinen Pass schreiben liess.
Sie scheinen weder Fisch noch Vogel, gelten als bestangezogenste Lebewesen und bringen als Gute-Nacht-Geschichten-Erzähler weltweit Kinder zum Einschlafen: die Pinguine.
Zurück ins Wasser
Pinguine sind in der Tat faszinierende Tiere. Sie sind da am beliebtesten, wo sie gar nicht vorkommen: auf der Nordhalbkugel der Erde. In ihrer natürlichen Heimat, der südlichen Hemisphäre, bilden Pinguine die einzige Familie in der Klasse der Vögel, in der alle 17 Arten vor rund 45 Millionen Jahren das Fliegen aufgegeben haben und zurück ins Wasser gegangen sind.
Liebe auf den ersten Blick
Der Faszination der Pinguine erlag Bruno Zehner (1945-1997) als kleiner Junge. Da führte er noch kein P in seinem Namen und noch ahnte er nicht, dass er dereinst der weltweit angesehenste Fotograf dieser befrackten Vögel werden würde.
Damals hätte der kleine Bruno am liebsten im elterlichen Gartenteich einen Pinguin gesehen. Vergebens – es sollten rund 24 Jahre vergehen, bis Zehnder 1975 erstmalig per Schiff in die Antarktis reiste.
«Ich hörte das Geschrei aus tausend Kehlen. Es war wie eine religiöse Erfahrung», erinnerte er sich später an seine erste Begegnung mit frei lebenden Pinguinen.
Bis anhin war Zehnder als Globetrotter, Sprachlehrer und Dressmann unterwegs gewesen. Ab jetzt galt seine ganze Leidenschaft, Energie und Hingabe den Pinguinen sowie dem Schutz der Antarktis. Denn – auch dies liess Zehner nicht kalt – die Antarktis war und ist ein gefährdetes Stück Erde.
Pinguin-Flüsterer
Der Autodidakt Zehnder lernte mit schwierigsten Licht- und Wetterverhältnissen umzugehen, studierte seine gefiederten Freunde, wurde ein Pinguin-Flüsterer. Anders als andere Fotografen blieb er nicht bloss ein, zwei Wochen in der Antarktis.
Zehnder verbrachte ganze Winter im unendlichen Weiss, in einer Kälte, die gut und gern unter 60 Grad minus fallen kann. Gar nicht zu reden von der Macht der Winde, der Einsamkeit, dem eingepferchten Zusammenleben in der russischen Forscherstation Mirny.
Immer tiefer tauchte er ins Leben «seiner Kaiser», jener grossen und schönsten Pinguinart.
Durchbruch
Ende der 80er-Jahre gelang Zehnder der Durchbruch als Fotograf. Seine bis ins Obsessive reichende Beharrlichkeit begann sich auszuzahlen. Das New Yorker Museum of Modern Art kaufte seine Bilder an, es folgten Auszeichnungen und Ehrungen zuhauf. Seine Fotografien wurden einer breiten Öffentlichkeit bekannt.
Kein Wunder: Obwohl unter eisigsten Bedingungen entstanden, liessen Zehnders Pinguine niemanden kalt. Welche Grandezza vermochte ein einsamer Pinguin im Blau-weiss der Antarktis zu vermitteln. Welche zärtliche Fürsorge eines Pinguin-Paares um ihr Junges. Welch schönes Gruppenbild mit Eisberg.
Leben im Extrem
Der gebürtige Bad-Ragazer hat die Kaiser-Pinguine ins Zentrum seines Lebens, ins Zentrum seiner Fotografie gestellt, ihnen menschliche Züge gegeben.
Das Publikum sah stolze Männchen, politische Versammlungen, rotzige Jugendliche, Einsame. Der Pinguin im kalten Eis, als Metapher für den Menschen im Grossstadt-Dschungel? Nicht alle goutierten seine Art der Fotografie.
«Zehnder hatte was Pinguin-artiges. Er lebte in den Extremen, suchte sie. Einerseits in der menschenleeren Antarktis, andererseits lebte er in New York, war Botschafter für die Pinguine, Umweltschützer, Geschäftsmann», sagt Toni Bürgin, Direktor des Naturmuseums St. Gallen.
Bürgin, der Bruno P. Zehner persönlich kannte, plante schon 1997 eine Ausstellung mit Zehnder-Fotografien. Zehnders Tod verhinderte dies. Jetzt, mit Unterstützung von Brunos Bruder Guido Zehnder, lässt es sich in St.Gallen ins Reich der Pinguine abtauchen.
Die Geburt des Kaisers
Die Ausstellung zeigt eine Auswahl der preisgekrönten Bilder, Unbekanntes, und auch Zehnders mystische Seite.
Weiter sind Ausrüstungsgegenstände, seine Kamera, sein berühmter Anorak zu sehen. Ein vielfältiges Rahmenprogramm rundet die Ausstellung ab.
Den Tod fand Bruno P. Zehnder, als er das ultimative Bild «schiessen» wollte. Das Schlüpfen eines Kaisers in arktischer Nacht. Trotz Sturmwarnung ging Zehnder hinaus und fand nicht zurück. Das Bild ist bis heute nicht gemacht.
swissinfo, Brigitta Javurek
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